: Aufbruchstimmung bei den DHB-Männern

von Andreas Morbach
19.08.2023 | 08:21 Uhr
Sieben Monate nach dem WM-Triumph in Indien wollen die deutschen Hockey-Männer nun die Plattform Heim-EM für sich nutzen. Erster Gegner beim Turnier in Mönchengladbach ist Wales.
Jubel im Januar: Die DHB-Männer holen den WM-TitelQuelle: dpa
An die Nacht vom 30. auf den 31. Januar kann sich André Henning noch bestens erinnern. Als frischgebackene Weltmeister waren Deutschlands Hockey-Männer aus Indien zurückgekehrt, und feierten im Klubhaus von Rot-Weiss Köln eine krachende Party.

Finalheld Danneberg hofft auf das deutsche Publikum

Bundestrainer Henning verließ die feuchtfröhliche Sause im Kölner Stadtwald schweren Herzens um halb vier am Morgen, um drei Stunden später zu einem Fernsehinterview parat zu stehen. Die munteren Zukunftsvisionen einiger Spieler klangen ihm dabei noch in den Ohren.
Der 20-jährige Torhüter Jean Danneberg, Finalheld im Penaltyschießen gegen Belgien, etwa segelte in Gedanken schon zur Heim-EM in Mönchengladbach und frohlockte:
Hoffentlich macht Deutschland da mit. Dann freue ich mich auf ziemlich geile Jahre.
Jean Danneberg, Torhüter der Hockey-Nationalmannschaft

Nach WM-Sieg: EM-Tickets begehrt

Knapp sieben Monate später steht das Turnier am Niederrhein in den Startlöchern. Die DHB-Auswahl trifft im ersten Gruppenspiel am Samstag auf Wales (live im ZDF-Stream), und im Gespräch mit ZDFheute fordert Chefcoach Henning: "Die Aufbruchstimmung vom Winter müssen wir jetzt in dieses Turnier hineinhieven."
Ihm sei zu Ohren gekommen, dass die Woche nach dem WM-Sieg in Bhubanesvar die mit Abstand beste gewesen sei, was den Verkauf von EM-Tickets angehe. "Erfolg macht eben sexy", kommentiert Henning lachend - und hofft jetzt auf die "Plattform" Heim-EM.

DHB-Männer können jetzt auch "Crunchtime"

In seinem 18er-Kader präsentiert er dort 15 Akteure, die schon bei den beeindruckenden Comebacks der deutschen Hockey-Männer in Indien mit von der Partie waren. In allen drei K.o.-Spielen machten sie dort einen 0:2-Rückstand wett - so dass ihr Trainer stolz verkündet: "Diese krasse mentale Qualität haben wir uns erarbeitet."
Die Fähigkeit, im entscheidenden Moment zur Stelle zu sein, sei dem Team in den Jahren zuvor immer abgesprochen worden. "Aber in Indien", schwärmt Henning, "haben wir gezeigt, dass wir auch Crunchtime können."

In jedem Turnier eine eigene Geschichte schreiben

Gemeinsam mit seinen Spielern dafür zu sorgen, dass die Mannschaft in jedem Turnier ihre eigene Geschichte schreibt - das nahm er sich zu Beginn seiner Amtszeit im Februar 2022 vor. Immer in dem Wissen, unter welchen vergleichsweise schwierigen Rahmenbedingungen sich Deutschlands Hockey-Nationalteams in der Weltspitze halten.
"Das ist schon etwas ganz Besonderes, dass wir das auf dem Niveau noch hinkriegen", sagt der Weltmeister-Coach, der betont:
Unter den Top-Nationen sind wir das einzige Land, das noch ein dezentrales System hat.
André Henning, Hockey-Bundestrainer

WM-Titel als mentale Herausforderung

In den anderen Ländern trainieren die Nationalspieler in aller Regel wöchentlich an einem zentralen Stützpunkt. Das DHB-Team dagegen sieht sich auch mal für zwei oder drei Monate gar nicht. "Die anderen Nationen sind da deutlich professioneller", so Henning. "Und wir sind gerade schon so ein bisschen das gallische Dorf, auch im Welthockey."
Hinzu kommt nun der Termin der Heim-EM, im Fall der Männer nur ein gutes halbes Jahr nach der WM angesetzt. Das sei, findet der Bundestrainer, schon "eine wahnsinnig große Herausforderung", die durch den Weltmeistertitel "mental noch größer geworden" sei.

EM-Kader der Männer

Tor: Alexander Stadler, Jean Danneburg

Spieler: Mathias Müller, Mats Grambusch (Kapitän), Lukas Windfeder, Thies Prinz, Niklas Wellen, Johannes Große, Timm Herbruch, Teo Heinrichs, Tom Grambusch, Gonzalo Peillat, Justus Weigand, Martin Zwicker, Hannes Müller, Timur Oruz, Malte Hellwig, Moritz Ludwig

Vier Teams kommen als Europameister in Frage

Vor der WM, sinniert der 39-Jährige, sei die Innensicht seines Teams etwas selbstbewusster gewesen als die Außenwahrnehmung. Jetzt sei es womöglich genau umgekehrt.
Ein Titelgewinn ist absolut möglich.
André Henning, Hockey-Bundestrainer
Daran glaubt der Bundestrainer vor dem Turniereinstieg gegen Wales auf jeden Fall, schränkt aber zugleich ein: "Mit Belgien, den Niederlanden, England und uns gibt es vier absolut realistische Europameister. Da fällt keiner vom Stuhl, wenn das passiert."