: Deutsche Hockey-Frauen im Jagdfieber

von Andreas Morbach
18.08.2023 | 09:18 Uhr
Nach den enttäuschenden Tokio-Spielen haben die DHB-Frauen mit Platz vier bei der WM 2022 den Weg zurück in die Weltspitze gefunden. Die Heim-EM am Niederrhein gehen sie locker an.
Die deutschen Hockey-Frauen wollen auch bei der Heim-EM jubeln.Quelle: dpa
Zwei Mal hat Nike Lorenz bisher an Olympischen Spielen teilgenommen - mit sehr unterschiedlichem Erfolg: 2016 in Rio gewann sie mit den deutschen Hockey-Frauen Bronze. Bei den Tokio-Spielen vor zwei Jahren strandete die DHB-Auswahl dagegen bereits im Viertelfinale.

Erstmals seit zwölf Jahren findet die Hockey-EM wieder in Deutschland statt. Vor allem die deutschen Männer haben sich als amtierender Weltmeister einiges vorgenommen.

18.08.2023 | 01:22 min

Olympia-Ticket nur für Europameisterinnen

Bei der Heim-EM in Mönchengladbach bietet sich nun die Chance, zumindest mal die Eintrittskarte für die Spiele im kommenden Sommer in Paris zu ergattern. Ein Szenario, über das Lorenz im Gespräch mit ZDFheute allerdings lässig sagt: "Die mögliche Olympia-Quali ist nice to have."
Die charmante Zurückhaltung der gebürtigen Berlinerin ist nachvollziehbar: Zum einen gibt es das Direkt-Ticket an die Seine nur für Platz eins - und auch für Deutschlands Kapitänin sind die Niederlande als "beste Mannschaft der Welt" der Top-Favorit. Zudem sei das lockende Paris-Billet schlicht kein Ziel, das sich das Team stecke.

Jüngere Generation soll inspiriert werden

Schließlich findet die EM, in die das DHB-Team am Freitag gegen Schottland startet, im eigenen Land statt. "Der Fokus", erklärt Lorenz deshalb, "liegt für uns ganz klar auf dem Turnier selbst".
Etwas Hockeyfaszination zu verbreiten und dabei vor allem die jüngere Generation zu inspirieren, darum gehe es ihnen in starkem Maße. "Und auf dem Platz", ergänzt Lorenz, "wollen wir einfach in jedem Spiel den Ball jagen, den Gegner jagen. Und dann gucken wir, wo wir am Ende stehen."

Ausgeprägte Streitkultur unter Bundestrainer Altenburg

Diese entspannte Haltung passt gut zum Grundgefühl, das die DHB-Frauen unter Bundestrainer Valentin Altenburg entwickelt haben. Der gebürtige Hamburger, seit Januar 2022 im Amt, propagiert einen "humanen Leistungssport", fördert innerhalb des Teams eine ausgeprägte Streitkultur und vermeidet es, Entscheidungen auf der Basis vorgegebener Hierarchien zu treffen.
Bei der Mannschaft kommt das gut an.
Vorher wurde sehr stark das Kollektiv betont - und wenig Rücksicht auf Einzelne genommen. Jetzt ist das anders, da wird mehr auf Individualität geschaut.
Nike Lorenz

Offener Raum auch für private Sorgen

So macht die eine Nationalspielerin zum Beispiel drei Mal in der Woche Krafttraining, die andere ein Mal Krafttraining und zwei Mal Yoga. Private Sorgen und Nöte kommen nun auch auf Lehrgängen stärker zur Sprache als vorher.
"Solche Dinge rauslassen zu können - genau dafür wollen wir einen sehr offenen Raum schaffen. Weil wir fest daran glauben, dass wir auf diese Weise die beste Hockeyspielerin auf dem Platz sein können", betont Lorenz.

Einjahres-Master und Schutzraum in Nottingham

Weit entfernt von diesem "ganz großen Ziel" war die Spielerin von Rot-Weiss Köln, die freiberuflich für eine Unternehmensberatung mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit arbeitet, mit ihren Teamkolleginnen bei Olympia in Tokio.
In Japan hatte Lorenz durchgesetzt, mit Regenbogenbinde auflaufen zu dürfen. Sportlich machte ihr das Viertelfinal-Aus gegen Argentinien aber gewaltig zu schaffen. Bei ihrem Einjahres-Master in BWL in Nottingham fand sie anschließend einen persönlichen Schutzraum - und die Freude am Hockeysport wieder.

Erste WM-Medaille seit 1998 knapp verpasst

Platz vier und die knapp verpasste erste WM-Medaille seit 24 Jahren bedeuteten für Altenburgs Individualistinnen beim globalen Turnier im letzten Sommer dann die Rückkehr in die Weltspitze.
"Das waren auch ziemlich leere Hände damals. Aber im Vergleich zu Olympia war das Gefühl definitiv ein ganz anderes. Auch, weil die Erwartungen besser gesteuert wurden", erinnert sich Nike Lorenz. Und die konsequente interne Vorgabe für die anstehende Heim-EM lautet daher: "Ein wirkliches Ergebnisziel haben wir nicht."