: Weitsprung: Diskussionen um ein Stück Holz

von Susanne Rohlfing
02.03.2024 | 09:48 Uhr
Der Weltverband überlegt, den Absprungbalken im Weitsprung gegen eine Absprungzone zu tauschen. Über den Sinn einer solchen Regeländerung ist man sich in der Szene uneins.
Könnte sich mit der Idee der Einführung einer Absprungzone anfreunden: Malaika MihamboQuelle: Imago
Wer kennt ihn nicht, diesen weiß lackierten Balken vor einer Sandgrube, dessen vordere Kante beim Absprung auf keinen Fall mit dem Fuß touchiert werden darf. Sonst heißt es: "Übergetreten!"
Nun aber denkt der Welt-Leichtathletikverband World Athletics darüber nach, dieses Stück Holz ins Fegefeuer der Altlasten zu werfen. Dahinter steckt wohl das Empfinden, auch ultra-traditionelle Sportarten müssten sich der Moderne öffnen und spannend bleiben für die Jugend.

Ziel: Reduzierung der Fehlversuche

Also soll der 20 Zentimeter lange Absprungbalken einer deutlich längeren Absprungzone weichen. 50, 60, 80 Zentimeter? Über die genauen Fakten ist noch kaum etwas bekannt, nur so viel: In diesem Jahr soll das Prozedere bei unterklassigen Wettbewerben getestet und im kommenden Jahr dann möglicherweise verbindlich eingeführt werden.
World-Athletics-Geschäftsführer Jon Ridgeon sagte in einem Podcast:
Das bedeutet, dass jeder Sprung zählt. Das erhöht die Spannung und die Dramatik des Wettkampfs.
World-Athletics-Geschäftsführer Jon Ridgeon
Man wolle die Anzahl der Fehlversuche reduzieren, die etwa bei der WM 2023 in Budapest bei einem Drittel der Sprünge lag. "Zeitverschwendung" sei das, meint Ridgeon.

Viel moderne Technik nötig

Gemessen werden soll künftig vom Punkt des Absprungs bis zum Abdruck im Sand, und nicht von der Vorderkante des Absprungbalkens. Viel moderne Technik ist dafür nötig. Ob und wie diese auch Ausrichtern jenseits der großen Meisterschaften zur Verfügung stehen soll, ist eine der vielen offenen Fragen.

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Der Vorteil: Die effektiv von den Athleten gesprungene Leistung ginge in die Ergebnisliste ein. Allerdings würde die Genetik der Disziplin verändert, da sind sich die Kritiker einig. Uwe Florczak, im Deutschen Leichtathletik-Verband leitender Bundestrainer für die Sprung-Disziplinen, spricht sich klar gegen die Absprungzone aus. Mehr noch: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Regeländerung kommt", sagt er.
In seinen 38 Jahren als Weitsprungtrainer sei die Kunst des Balken-Treffens immer ein Riesen-Thema gewesen. "Der Absprung wäre natürlich deutlich einfacher zu realisieren", sagt Florczak. Und ja, wahrscheinlich würden auch erstmal bessere Weiten erreicht.

Mihambo von der Idee angetan

Malaika Mihambo dagegen, Deutschlands aktuell beste Weitspringerin, Olympiasiegerin, zweimalige Weltmeisterin, Europameisterin 2018, könnte sich mit der Idee durchaus anfreunden. Ob mit Brett oder ohne, das sei "Geschmackssache", sagte die 30-Jährige zuletzt. Sie selbst habe auch schon Wettkämpfe nicht gewonnen, obwohl sie die größte Weite gesprungen sei.
Markus Rehm, Deutschlands bester Weitspringer, lehnt die Regeländerung ab. Der 35-Jährige trägt am rechten Bein eine Unterschenkelprothese, die manch einer als Hilfsmittel sieht und für seine herausragenden Leistungen verantwortlich macht. Allerdings springt kein anderer Mann mit Prothese auch nur annähernd so weit wie Rehm, der seinen Para-Weltrekord im vergangenen Jahr auf 8,72 Meter schraubte.

Prothesenspringer Markus Rehm hat bei der Para-Leichtathletik-WM in Paris erwartungsgemäß seinen 6. Titel in Serie geholt. Der 34-Jährige triumphierte mit 8,49 Metern.

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Rehm sagt über die geplante Regeländerung, die seiner Ansicht nach dann auch im paralympischen Bereich zur Anwendung kommen würde:
Ich würde den Balken vermissen. Er macht ja den Reiz aus. Weite Sprünge reichen nicht, sie müssen auch gültig sein, das ist eine mentale Sache.
Markus Rehm, Para-Weltrekordler

1991: Duell mit mehreren Fehlversuchen

Eines der größten Duelle der Sportgeschichte fand an diesem weiß lackierten Stück Holz statt. Carl Lewis gegen Mike Powell, Schnelligkeit gegen Kraft, der Seriensieger gegen den Herausforderer. Wer fliegt weiter? In den allermeisten Fällen war das Carl Lewis.
1991 allerdings, im WM-Finale von Tokio, flog Powell zum bis heute bestehenden Weltrekord von 8,95 Metern. Und niemand störte sich an den insgesamt drei Fehlversuchen der zwei Stars. Auch Lewis stellt sich klar gegen die Pläne von World Athletics.
Sport1 zitiert ihn mit diesem Satz: "Die Änderung der Sprungbretter wird den Weiten auf lange Sicht schaden. Der bestehende Mangel an Disziplin und Konsequenz auf der Anlaufbahn wird nur noch schlimmer werden."

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