: Kerbers ganz persönliches Finale Furioso

von Maik Rosner
31.07.2024 | 21:15 Uhr
Angelique Kerber beendet ihre Karriere denkwürdig. Trotz der Niederlage im Olympia-Viertelfinale ist ihr ein bemerkenswerter Abschied gelungen - und eine Versöhnung mit Paris.

Mit dem Olympia-Aus im Viertelfinale gegen Qinwen Zheng ist für Angelique Kerber eine großartige Tennis-Karriere zu Ende gegangen.

01.08.2024 | 03:02 min
Was macht eine Tennisspielerin, wenn der letzte Ball nach drei Stunden und vier Minuten im Netz landet und damit die Karriere gerade ein Ende gefunden hat? Angelique Kerber, 36, hat bei den Olympischen Spielen nach ihrem 7:6 (7:4), 4:6, 6:7 (6:8) in einem mitreißenden Viertelfinale gegen die Weltranglistensiebte Qinwen Zheng auf eine große Geste verzichtet.

Kerber mit kurzem, intensivem Abschied

Sie wählte sofort den Weg ans Netz, schubste mit ihrem Schläger noch den verschlagenen Ball zur Seite und wartete auf die 21-jährige Chinesin, um ihr zu gratulieren.
Danach schnappte sich Kerber ihre Tasche und winkte dem Publikum beim Gang in die Kabine ein letztes Mal zu. Dann war sie auch schon weg und ihre Karriere nach ihrem ganz persönlichen Finale Furioso unprätentiös zu Ende gegangen.
Es gibt Momente im Leben, die zu groß sind, um sie bewusst zu durchleben und zu verstehen, wenn sie passieren. Vielleicht erging es auch Kerber so.

Angelique Kerbers große Karriere ist zu Ende gegangen. Im Viertelfinale des olympischen Tennisturniers unterlag sie der Chinesin Zheng Qinwen mit 7:6, 4:6 und 6:7.

31.07.2024 | 09:58 min

Kerber "einfach nur stolz"

Andererseits wirkte sie später am Rande des Stade Roland Garros nach dem Match erstaunlich aufgeräumt. "Ich hätte nicht besser aufhören können", sagte Kerber und formulierte ein paar Sätze, die viele auch deshalb nie aussprechen können, weil sie den richtigen Moment zum Abschied verpassen. Kerber sagte: "Ich bin einfach nur stolz, was ich hier nochmal geleistet habe und erreicht habe in meiner Karriere."
Ich habe alles erreicht, wovon ich geträumt habe.
Angelique Kerber
Es sei genau der richtige Moment zum Adieu. Sie lächelte. Voller Würde trat sie ab, ohne sich in den Mittelpunkt zu stellen, obwohl sie sich für das Publikum auf dem Court Philippe Chatrier genau dort befand.

In Paris schließt sich der Kreis

Nach ihrer 18-monatigen Schwangerschafts-Pause und der Geburt ihrer Tochter im Februar 2023 noch einmal auf einem Center Court zu stehen, die Zuneigung des Publikums zu spüren und so weit gekommen zu sein auf dem Pariser Sand, mit dem sie stets gefremdelt hatte, bedeutete für Kerber eine mehr als versöhnliche Pointe.
Ich bin jetzt auch mit Paris in Frieden und kann mit einem guten Gefühl nach Hause fahren. Was will man am Ende mehr?
Angelique Kerber
Ohnehin steht Paris für wichtige Wegmarken ihrer Karriere. Bei den French Open 2007 erreichte sie zum ersten Mal das Hauptfeld eines Grand Slams. 2012 gewann sie ihr erstes WTA-Turnier in Paris. Und nun also zum Abschluss dieses Olympia-Viertelfinale, das es mit seiner Spannung und Dramatik mit jedem Klassiker aufnehmen konnte.

Kerber: Rechtshänderin, die mit Links spielt

So besonders Kerbers persönliches Finale geraten war, so ungewöhnlich hatte alles begonnen. Vor 33 Jahren hatte sie mit dem Tennis angefangen und den Schläger in die linke Hand genommen, obwohl sie Rechtshänderin ist.
Sie blieb bei der linkenn Hand, wurde die Nummer 1 der Weltrangliste, als erste Deutsche nach Steffi Graf. 34 Wochen lang führte sie das Ranking an.

Drei Titel bei Grand-Slam-Turnieren

In ihrer Bilanz stehen 25 Turniersiege. Ihren ersten Titel gewann sie mit 16 Jahren 2004 beim ITF-Turnier in Opole in ihrer zweiten Heimat Polen. Als ihre größten Erfolge bleiben die drei Grand-Slam-Titel bei den Australian Open und US Open (je 2016) sowie in Wimbledon (2018) in Erinnerung.
Hinzu kamen 18 Finalteilnahmen, darunter in ihrem erfolgreichsten Karrierejahr 2016 bei Olympia in Rio de Janeiro, als sie das Finale gegen Mónica Puig aus Puerto Rico verlor und Silber gewann.

Angelique Kerber wie vom Druck befreit

Es scheint, als habe Kerber auf den letzten Metern ihrer langen Reise nochmal einen anderen Zugang zum Tennissport gefunden. Nachdem sie kurz vor Olympia angekündigt hatte, in Paris ihre Karriere zu beschließen, wirkte Kerber befreit.
Nicht allein von jenem Druck, den sie sich sonst oft gemacht hatte, sondern auch von jenem, den die Terminhatz durch den Turnierkalender stets mit sich gebracht hatte.

Abschied mit viel Beifall

Nun wollte sie nochmal alles mitnehmen, geben und genießen, jeden Moment, jeden Laut, jede Regung des Publikums, auch beim verlorenen Doppel mit Laura Siegemund am Tag zuvor.
Wie eine Schauspielerin, die noch ein letztes Mal auf der Bühne steht, in ihrer Rolle komplett aufgeht und jedem Menschen im Saal in die Augen blicken möchte, ehe der letzte Vorhang fällt. Als es so weit war, verließ Kerber ihre Bühne schnell. Der Beifall des Publikums hallte lange nach.

Die Höhepunkte des Mittwochs kompakt zusammengefasst. Unter anderem mit vier deutschen Medaillen und einem emotionalen Abschied im Tennis.

31.07.2024 | 10:03 min

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