: Félix Lebrun, ein bisschen wie Boris Becker

von Florian Haupt
01.08.2024 | 23:28 Uhr
Félix Lebrun hat Frankreich in ein Tischtennis-Land verwandelt. Der 17-Jährige begeistert mit Spielstil und Charisma. Nun fordert er einen Protagonisten der Topnation China heraus.
Erst 17 Jahre alt - aber schon lange in der Weltspitze: Felix Lebrun, hier beim Sieg im Olympia-Viertelfinale gegen Lin Yun-ju.Quelle: ap / Petros Giannakouris
Der Junge, der bei diesen Olympischen Spielen einen Tischtennis-Hype ausgelöst hat, trägt an diesem Tag ein rotes Trikot. Er tänzelt, scheint kaum still stehen zu können. Félix Lebrun nimmt das Publikum wieder mit auf einen wilden Ritt - sein Publikum.

Félix Lebrun - einer der wenigen Penholder

Kaum ein Sportler fasziniert Frankreich, aber auch die internationalen Zuschauer bei diesen Spielen, so wie der 17-Jährige aus Montpellier. Lebrun ist einer dieser Sportler mit Charisma.
Das beginnt schon bei seinem Aussehen: die rotblonden Haare, der teenager-typische schlaksige Gang und vor allem seine schwarze, bei Spitzensportlern selten gesehene Brille.

Felix Lebruns Sieg im Viertelfinale gegen Yun-Ju Lin in voller Länge.

01.08.2024
Dann ist da noch seine besondere Griffhaltung: Lebrun spielt mit dem Penholder-Griff, also der Hand teilweise auf dem Schläger. Das ist eigentlich aus der Mode gekommen - und war vorher auch nur in Asien üblich. Nur sechs von 172 Startern und Starterinnen bei Olympia spielen den Penholder - und davon kein anderer gebürtiger Europäer.

Erst 17 - wie einst Boris Becker

Und schließlich ist da seine expressive Gestik. Im Viertelfinale gegen den Taiwanesen Lin Yun-ju gewinnt Lebrun einen Satz und verliert dann wieder einen, ballt mal die Faust, sinkt dann wieder fast zu Boden.

Das Match Lebrun gegen Lin in der Zusammenfassung.

02.08.2024 | 10:18 min
Ein bisschen mag man sich an Boris Becker erinnert fühlen. Auch der war bei seinem legendären Wimbledon-Sieg erst 17 Jahre alt.

Fünfter der Weltrangliste

Becker allerdings kam damals fast aus dem Nichts, während sich Lebrun schon länger angekündigt hat. In der Weltrangliste ist er auf Platz fünf und der beste Nicht-Chinese.
Zusammen mit seinem älteren Bruder Alexis, 20, der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht und bei Olympia nach seinem Aus im Achtelfinale bittere Tränen vergoss, gilt er in der französischen Sportöffentlichkeit schon länger als Sympathieträger.

Felix Lebruns Sieg im Achtelfinale gegen Dimitrij Ovtcharov.

31.07.2024

Selbst Zidane gibt sich die Ehre

Nicht zuletzt deshalb haben sich die Einheimischen im Vorfeld genug Tickets gesichert, um die Halle 4 auf dem Messegelände Porte de Versailles nicht in Hand der vielen Tischtennis-Fans aus Asien zu lassen.
Die Stimmung trug Lebrun im Achtelfinale zu einem dramatischen 4:3 über Dimitrij Ovtcharov. Das veranlasste sogar die eher zuürückhaltende Fußballlegende Zinédine Zidane zu einem seiner eher seltenen öffentliche Auftritte. "Das ist sehr cool und sehr gut für das Wachstums unseres Sports", so Lebrun zu dem hohen Besuch.

Zuschauer bei Lebrun: Zinédine Zidane, neben seinem Fußballtalent unrühmlich für seinen "Kopfstoß" bei der WM 2006 bekannt.

28.06.2024 | 10:00 min

Lebrun elektrisiert das Publikum

Auch einen Tag später gegen Lin ist die Stimmung wieder überwältigend. "Félix, Félix" und "Allez Félix, Allez Félix": Unter diesem Klangteppich hauen sich die Spieler die Bälle um die Ohren.
Zur Vorentscheidung im dritten Satz gewinnt Lebrun ein langes Schmetterduell, indem er den Ball mit so viel Spin über das Netz prügelt, dass Lin an ihm vorbeischlägt - da hält es die Zuschauer nicht mehr auf den Sitzen.
Sie springen auf und trampeln auf die Stahlrohrtribünen. In der nächsten Satzpause skandieren sie ihre Huldigungen im Kanon zwischen Block und Block - ein Ritual aus dem Fußballstadion.

Die Höhepunkte des 6. Tages am 1. August kompakt zusammengefasst.

02.08.2024 | 06:32 min

Paris ist sein Terrain

Am Ende ringt Lebrun auch den nächsten Rivalen mit 4:3 nieder. Nach dem Matchball wirft er den Schläger weg, springt seinem Trainer in die Arme, formt ein Herz für die Fans, deutet mit den Fingern auf den Hallenboden: Dies ist sein Terrain.
Danach spricht er über seine mentale Stärke: "Ich habe das Glück, dass ich mein bestes Level spiele, wenn es eng wird". Auch den Einfluss der Fans streicht er heraus: "Im entscheidenden Satz haben sie mich unglaublich gepusht. Das hat mir sehr geholfen."
Für meine Gegner ist es nicht leicht, in dieser Atmosphäre zu spielen.
Félix Lebrun

Tischtennis-Halbfinale gegen Zhendong

Im Halbfinale trifft Lebrun am Freitag, 11 Uhr (zum ZDF-Livestream), auf den Weltranglistenvierten, Fan Zhendong. Das Finale findet am Sonntag statt.
In der Geschichte olympischer Tischtenniswettbewerbe gab es überhaupt erst eine europäische Goldmedaille, 1992 durch den Schweden Jan-Ove Waldner. Ein 17-jähriger mit Brille könnte es ihm nun gleichtun.

Thema

News zu Olympia

Olympia Kompakt - Die wichtigsten Momente

Beeindruckende Athlet*innen auf dem Weg nach Paris 2024

Mehr zu Olympia