Interview

: Para-Athletin Eskau: "Ich liebe den Wechsel"

01.10.2023 | 18:18 Uhr
Andrea Eskau sammelt seit Jahren Erfolge im Para-Radsport genauso wie im -Biathlon und -Langlauf. Andere versuchen das nun auch. Doch der Weg werde steinig, prophezeit Eskau.
Andrea Eskau in Rotterdam bei den European Para Championships.Quelle: Ralf Kuckuck
ZDFheute: Frau Eskau, Sie sind nach einem Jahr Pause in dieser Saison auf die Wettkampfbühne zurückgekehrt. Reizt Sie der sportliche Erfolg noch immer so sehr?
Andrea Eskau: Ich wollte nicht, dass die Umstände für mich entscheiden, das wäre nicht aus dem Herzen heraus gewesen. Ich musste mich um meine schwer erkrankte Mutter kümmern. Sie ist im November beerdigt worden, danach bin ich wieder eingestiegen. Natürlich war ich noch nicht richtig in Form, aber beim Biathlon hatte ich einfach Glück. Die anderen haben nicht so gut getroffen, es waren einfach schwierige Bedingungen am Schießstand, damit kann ich gut umgehen.

Dass olympische Athleten im Sommer und im Winter starten, ist eine Ausnahme. Im paralympischen Sport gibt es da mehr Beispiele, wie etwa die unterschenkelamputierte Oksana Masters.

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ZDFheute: Im Sommer haben Sie dann drei Medaillen bei der Radsport-EM und zwei Medaillen bei der WM gewonnen. Wie motivieren Sie sich nach all den Jahren und all den Erfolgen noch?
Eskau: Mein großes Ziel sind die Paralympics in Paris. Tokio ist für mich einfach schlecht gelaufen, ich habe keine Medaille gewonnen. Das möchte ich nochmal besser machen und anders erleben. Ein Großteil meiner Motivation kommt aktuell also aus der Enttäuschung von Tokio. Damit will ich aber nicht sagen, dass Paris meine letzten Spiele sein werden. Zwei Jahre später - Cortina, da bin ich wahnsinnig gerne, meine ganze Vorbereitung mache ich immer in Italien. Winterspiele sind viel familiärer, das als Abschluss hinten dranzuhängen, wäre ein schönes Ziel für mich.
ZDFheute: Wenn andere Urlaub machen, bereiten Sie Ihre zweite Sportart vor. Ist es nicht eigentlich zu viel, in einer Sommer- und einer Wintersportart Weltklasse zu sein?
Eskau: Das Zweigleisige ist schon sehr belastend. Der Deutsche Behindertensportverband versucht ja jetzt, Athletinnen und Athleten, die in einer Sportart sehr erfolgreich sind, in einer anderen auf ähnlichem Niveau unterzubringen. Man lässt zum Beispiel blinde Langläufer im Sommer auch auf dem Rad starten. Doch der Weg zum Erfolg wird steinig. Nur weil es bei mir funktioniert hat, muss dies nicht zwangsläufig immer so sein.
ZDFheute: Kann man Andrea Eskau kopieren?
Eskau: Bis jetzt hat es noch nicht optimal funktioniert. Ich weiß nicht, ob die Athletinnen und Athleten das auf Dauer so durchziehen können. Der Parasport wird immer professioneller, man muss alles investieren, um überhaupt in einer Sportart ganz vorn dabei zu sein. Das Ziel kann ja nicht sein, in zwei Sportarten auf Platz fünf zu kommen. Da will man doch lieber in einer Sportart gewinnen, das ist doch logisch.

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ZDFheute: Warum funktioniert es bei Ihnen?
Eskau: Bei mir hat das eine Training immer das andere unterstützt. Wenn ich Rad fahre, ist das nicht umsonst für den Winter, weil dies in jedem Fall die Ausdauer trainiert. Ski- und Radsport sind sich schon sehr ähnlich, da sind eher die Kollisionen der Termine ein Problem. 2024 ist die Ski-WM erst im März - da läuft eigentlich schon die volle Vorbereitung auf den Sommer im Radsport.
Blinde Langläufer müssen unheimlich viel auf dem Ski stehen, um ein gutes Gefühl für ihr Sportgerät zu haben.
Andrea Eskau
Bei mir im Sitzschlitten ist das nur Doppelstockschub, das ist technisch nicht so anspruchsvoll. Es macht schon Sinn, zwischen den Sportarten Übergänge zu ermöglichen, aber ich würde das nicht nur auf die Spitzenathleten ausrichten. Sondern im Gegenteil auf jene, die den Durchbruch nicht ganz schaffen, weil sie vielleicht ein größeres Talent für eine andere Sportart haben.

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ZDFheute: Ist Ihnen selbst der Sommer lieber oder der Winter, die Straße oder die Loipe?
Eskau: Das ist eine Frage, die ich oft gestellt bekomme und nicht beantworten kann. Im Winter ist es mir lieb, nicht mit dem Fahrrad rumfahren zu müssen. Und im Sommer nur auf dem Roller zu fahren, fände ich genauso eintönig wie im Winter nur auf der Rolle (Rollentrainer für das stationäre Radtraining in Innenräumen, Anm. d. Red.) zu trainieren. Ich liebe den Wechsel. Diese Möglichkeit empfinde ich als sehr angenehm. Immer nur das eine zu machen, wäre für mich extrem belastend, körperlich genauso wie mental.
Das Interview führte Susanne Rohlfing

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