: Warum nicht immer der Schnellste gewinnt
von Karoline Kipper
10.07.2023 | 10:56 UhrZur Tour de France 2023 sind 176 Fahrer angetreten. Dabei fährt nicht jeder gegen jeden. Vielmehr konkurrieren 22 Teams, in denen unterschiedliche Fahrertypen vertreten sind.
Edelhelfer, Wasserträger und ein Siegfahrer
Jede Mannschaft hat einen Kapitän. Zumeist ist das der Fahrer mit den größten Chancen auf den Gesamtsieg. Unterstützt wird er von einem oder zwei sogenannten Edelhelfern - hochveranlagte Fahrer, die ebenfalls das Potenzial hätten, die Tour zu gewinnen. So geschehen 1997, als der Edelhelfer Jan Ullrich aus dem Schatten von Kapitän Bjarne Riis heraus zum Sieg radelte.
Zu einem Team gehören zudem die Wasserträger. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes für die Verpflegung zuständig und versorgen die Spitzenfahrer, die so ihre Kräfte schonen können.
Ein Team vereint unterschiedliche Fahrer-Typen
In einer Mannschaft finden sich verschiedene Fahrertypen. Fahrer mit Ambitionen auf den Toursieg sind Allrounder auf dem Rad. Andere haben sich spezialisiert und ihre Physis darauf abgestimmt. Ausgemachte Bergfahrer sind zumeist Leichtgewichte, die Steigungen hochzufliegen scheinen.
Sprinter hingegen sind kräftiger und haben muskulöse Oberschenkel, denen sie im Zielsprint alles abverlangen können. Für sie geht es ums Grüne Trikot, für die Bergfahrer um das Gepunktete. Die Teams stimmen ihre Taktik so ab, dass die jeweiligen Stärken zur Geltung kommen. Denn Radsport ist nur bedingt Einzelsport, Teamarbeit bringt Etappensiege.
Die Tour ist wie gemacht für Taktikfüchse
Dabei geht es nicht selten auch darum, gegen ein konkurrierendes Team zu arbeiten. Eine beliebte Taktik am Berg ist es, den Spitzenfahrer von seinen Helfern zu trennen, vor allem wenn dieser noch im Gelben Trikot fährt.
Kommuniziert wird dabei über einen Knopf im Ohr, den alle Fahrer tragen. Von der Teamleitung kommen die Informationen, welche Taktik am sinnvollsten anzuwenden ist, um zum Beispiel eine Ausreißergruppe einzuholen. Auch spontanes Taktieren gehört zur Tour. Legendär sind die Belauerungs-Szenarien der Favoriten am Berg mit kurzen Zwischensprints und finalen Attacken.
Zeitfahren - das "Rennen der Wahrheit"
Aber wer ist eigentlich der schnellste Fahrer? Der Sprinter, der Kletterer, der Allrounder? Reine Definitionssache. Der Sprinter hängt den Kletterer auf flacher Strecke locker ab, am Berg verhält es sich umgekehrt. Wichtig ist, dass der Allrounder zu keiner Zeit nachlassen darf, um in Paris als Schnellster des Feldes auf dem Podium zu stehen.
Dazu gehört auch das Zeitfahren, bei dem traditionell die Klassement-Fahrer weit vorne zu finden sind. Dort stellt sich am ehesten heraus, wer zu den Schnellsten gehört. Jeder fährt für sich, keine Teamtaktik, Windschattenfahren verboten: Der einsame Kampf gegen die Uhr.
Die Fahrer sehen aus wie rollende Science-Fiction-Figuren mit ihren aerodynamischen Helmen, den windschnittigen Rädern und ihrer im Windkanal angepassten Sitzposition. Es kann viel Zeit gutgemacht, aber eben auch verloren werden. Was auf dieser Etappe versäumt wird, ist später schwer wieder einzufahren.
In den letzten zehn Jahren ist es nur zwei Fahrern gelungen, als schnellster Zeitfahrer später auch Toursieger zu werden: Chris Froome und Tadej Pogačar, der dieses Jahr erneut Mitfavorit ist.
Taktik ist planbar, aber reine Theorie
Bis am 18. Juli der Sieger des Einzelzeitfahrens und damit der vermeintlich schnellste Tour-Teilnehmer feststeht, ist jede Taktik erstmal reine Theorie. Denn die Tücken, die im Detail einer jeden Tour stecken, ob bei Wetter, Strecke oder Material, sind alles, nur nicht planbar. Ein wenig Glück kann auf dem Weg zum Toursieg also auch nicht schaden.