: Vergeben und vergessen? Djokovic ist zurück

von Petra Philippsen
16.01.2023 | 01:17 Uhr
Der Eklat um den ungeimpften Novak Djokovic hallte lange nach. Ein Jahr später ist der serbische Superstar scheinbar wieder willkommen in Australien.
Serbiens Novak Djokovic während einer Pressekonferenz.Quelle: reuters
Melbourne hat Tennis immer geliebt. In der pulsierenden Millionen-Metropole an der südlichen Küste Australiens lebt eine bunte Mischung verschiedenster Kulturen von Einwanderern und dort Geborenen, die das große Sportevent im australischen Sommer Jahr für Jahr ausgelassen gemeinsam mit tausenden Touristen aus aller Welt feiert.
Besonders bei Asiaten ist Australien als Reiseziel beliebt und Melbourne so etwas wie Mallorca für die Deutschen. Für den Besuch der Australian Open opfern viele ihren Jahresurlaub. Doch die Liebe Melbournes zum Tennis wurde in den vergangenen zwei Pandemie-Jahren auf eine harte Probe gestellt. Und es muss sich in den kommenden zwei Wochen zeigen, inwieweit sich diese Beziehung erholt hat.

Eklat um Djokovic’ Impfstatus

Melbourne durchlitt im Jahr 2021 mit 262 Tagen den weltweit längsten Lockdown. Und während die Einwohner teils abgeschnitten von ihren Familien monatelang isoliert waren, durften die Tennis-Profis aus aller Welt samt Entourage für ein Turnier ohne Publikum einfliegen. Schon damals bekam die Beziehung einen ersten Knacks.
Vor einem Jahr dann, als die Melbourner gerade die ersten Schritte zurück ins Leben machten, kehrte auch der Tennis-Zirkus in die Stadt zurück – allerdings nur geimpft. Dass es der serbische Weltranglistenerste Novak Djokovic jedoch nicht war, führte zu einem heftigen Eklat.

Streit gipfelt in Ausweisung

Wieder schien es Sonderrechte für Tennis-Stars zu geben, viele Melbourner waren verärgert. Doch nach tagelangem Gezerre vor Gericht, politischem Gerangel und hitzigen Debatten wurde der ungeimpfte Titelverteidiger des Landes verwiesen.
Plötzlich war ich der Bösewicht der Welt, was natürlich eine schreckliche Situation für einen Sportler ist.
Novak Djokovic
Der Vorfall hallte lange nach. Dass Djokovic ohnehin als Person polarisiert, half der Sache nicht. Der 34-Jährige zog sich einige Wochen zurück. Im Sommer gewann er in Wimbledon, durfte ungeimpft aber auch nicht bei den US Open in New York spielen. Seinen Platz als Nummer eins verlor Djokovic.
Nun, ein Jahr später, scheint es am anderen Ende der Welt so, als sei nie etwas gewesen. Djokovic’ mehrjähriges Einreiseverbot wurde aufgehoben, Australien heißt jedermann wieder willkommen. Bei den Australian Open ist die Corona-Testpflicht aufgehoben, sogar infizierte Spieler dürfen mitmachen.

Buh-Rufe gegen Djokovic untersagt

Und Turnierdirektor Craig Tiley hat seinen Posten nach dem Eklat erfolgreich verteidigt, der 61-jährige Südafrikaner bleibt einer der mächtigsten Männer im Tennis und enger Freund Djokovics.
Und so stellte Tiley sofort klar, dass Buh-Rufe gegen den serbischen Superstar vom Turnier nicht toleriert würden. "Wenn sie den Spaß der anderen stören, sind sie raus", zitiert ihn die "Herald Sun": "
Sie können wegbleiben oder wir werden sie rausschmeißen.
Craig Tiley

Djokovic hegt keinen Groll

Schnell war die Kritik groß, auch unter den Spielern. Schließlich dürfte man Fans nicht vorschreiben, wen sie anfeuern und wen sie ausbuhen. Das gehöre eben zum Sport. Bei einem Benefiz-Match in der Rod-Laver-Arena wurde Djokovic bejubelt, ab Dienstag könnte sich das ändern. Denn viele Melbourner haben eben nicht vergessen, mancher hat auch nicht vergeben.
Ich habe auch nicht vergessen, was letztes Jahr passiert ist. Das begleitet einen ein Leben lang. Aber wenn ich weiter Groll hegen würde, wäre ich jetzt nicht hier.
Novak Djokovic

Was kommt nach der Tennis-Party

Er habe damals nichts falsch gemacht, betont Djokovic. Sein Visum sei ihm nur entzogen worden, weil man fürchtete, er könne eine Anti-Impfstimmung im Land auslösen.
Melbourne steckt weiterhin inmitten einer Corona-Welle, Einwohner und Virologen sind besorgt, was ihnen nach der ausgelassenen Tennis-Party bevorstehen könnte. Und Djokovic, auf dem Weg zu seinem 22. Grand-Slam-Titel, personifiziert für viele vor allem den Regelbrecher. Der Beziehungsstatus bleibt also vorerst offen.