: VW-Schlappe vor Gericht: Was das nun bedeutet

von Hans Koberstein
20.02.2023 | 17:09 Uhr
Ein Schleswiger Urteil zur VW-Software könnte große Folgen haben: Vom Abgasskandal betroffene Dieselautos müssen möglicherweise in die Werkstatt. Für VW könnte das teuer werden.
Das Urteil wurde vom Verwaltungsgericht Schleswig gefällt. Quelle: dpa
Das Verwaltungsgericht Schleswig hat das Software-Update von Volkswagen im Abgasskandal für rechtswidrig erklärt - und mit seinem Urteil auch dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) eine Schlappe zugefügt. Denn letzteres war nach Bekanntwerden des Dieselskandals dem Vorschlag des Volkswagen-Konzerns gefolgt, und hatte die Software-Updates genehmigt.

Acht Millionen VW-Dieselautos in die Werkstatt?

Über acht Millionen Dieselautofahrer in der EU mussten seit 2016 für das Update in die Werkstatt, um die Zulassung nicht zu verlieren. Mit den Updates sollte VW eigentlich die Abschalteinrichtung beseitigen, die der Konzern in seinen Dieselautos installiert hatte. Das Kraftfahrtbundesamt hatte die Updates geprüft und allesamt genehmigt. Dagegen hatte die Deutsche Umwelthilfe geklagt und bekam nun recht.
Die ZDF-Sendung "frontal" deckte 2016 Manipulationen deutscher Autohersteller bei Dieselfahrzeugen auf:

08.11.2022 | 02:05 min
Die Richter urteilten: Das Software-Update, das die illegale Abschalteinrichtung eigentlich beseitigen sollte, enthält selbst diverse neue Abschalteinrichtungen. Die aber sind nach EU-Recht grundsätzlich verboten.

"Thermofenster" ist illegal

Volkswagen hatte im Vorfeld erklärt, durch die neuen Abschalteinrichtungen mit dem sogenannten "Thermofenster" müsste der Motor bei Außentemperaturen unter 15 Grad Celsius geschützt werden, indem die Abgasreinigung heruntergefahren wird. Das Kraftfahrtbundesamt ließ diese neuen Abschalteinrichtungen durchgehen und berief sich auf Ausnahmeregeln im EU-Recht.
Deshalb hatte das Schleswiger Gericht den Europäischen Gerichtshof angerufen. Der erklärte das "Thermofenster" für illegal. Die Abgasreinigung müsse auch bei niedrigen Außentemperaturen funktionieren. Dem folgte nun das Verwaltungsgericht in Schleswig.
Die VW-Abgasaffäre ist der wohl größte Wirtschaftsskandal der deutschen Nachkriegszeit:

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Das ZDF deckte bereits 2016 auf, dass die Software-Updates von VW gleich mehrere, neue vebotene Abschalteinrichtungen enthalten.

Millionen Dieselautos ein Fall für die Werkstatt?

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und bezieht sich auf das Software-Update für die VW-Modelle Golf und Touran der Abgasnorm Euro 5 mit Zwei-Liter-Dieselmotor. Weitere Urteile werden folgen, kündigte die Deutsche Umwelthilfe an. Sie hat am Schleswiger Gericht auch andere VW-Software-Updates angefochten.
Prozessbeobachter rechnen damit, dass sowohl das Kraftfahrtbundesamt, als auch der Volkswagen-Konzern gegen das Urteil in Berufung gehen. Scheitern sie auch in den höheren Instanzen, werden Millionen Dieselautos in Deutschland ein Fall für die Werkstatt, weil sie mit illegaler Abschalteinrichtung fahren. Die Deutsche Umwelthilfe fordert die betroffenen Dieselautos mit Katalysatoren nachzurüsten, auf Kosten von VW. Volkswagen lehnt das ab.

Der Abgasskandal und das Software-Update

Im September 2015 flog ein groß angelegter Betrug des Volkswagen-Konzerns in den USA auf. VW hatte seine Dieselautos so programmiert, dass sie den Abgastest im Labor bestanden, aber im normalen Straßenbetrieb viel zu viel gesundheitsschädliche Stickoxide in die Luft bliesen. Solche sogenannten "Abschalteinrichtungen" sind in den USA und der EU verboten. VW musste in den USA die dreckigen Dieselautos mit Katalysatoren nachrüsten. Nicht aber in Europa, wo das deutsche Kraftfahrtbundesamt zuständig ist.

Das gab sich mit einem Software-Update zufrieden. Danach waren die VW-Dieselautos immer noch im Straßenbetrieb dreckig, bliesen viel mehr Stickoxide in die Luft, als die Grenzwerte zulassen. Grund dafür waren neue Abschalteinrichtungen, die Volkswagen in das Software-Update programmierte und als "Thermofenster" rechtfertigte.

Hans Koberstein ist Redakteur bei ZDF frontal.

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