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: BER macht "einfach auf"

von Michaela Waldow
31.10.2020 | 04:45 Uhr
Neun Jahre verzögert und deutlich kostspieliger als geplant nimmt der Flughafen Berlin Brandenburg mitten in der Flugverkehr- und Corona-Krise den Betrieb auf. Ein Happy End?
"Wir werden beweisen, dass drei öffentliche Eigentümer so ein Projekt bauen können", sagte Klaus Wowereit am 5. September 2006 anlässlich des Spatenstichs zum Bau des neuen Hauptstadtflughafens. Der war mit 1,9 Milliarden Euro geplant und sollte 2011 den Betrieb aufnehmen. Vier Milliarden, neun Jahre, sechs verschobene Eröffnungstermine und Tausende Memes später ist soweit, was nach einer Umfrage 2019 85 Prozent der Befragten noch für eher unwahrscheinlich hielten: Die Eröffnung des Flughafen Berlin Brandenburg (BER) am 31.Oktober 2020.
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Ausufernde Baukosten

Für den Bau des Flughafen Berlin Brandenburg "Willy Brandt" waren im Jahr 2005 Baukosten von 1,9 Milliarden Euro geplant. Die tatsächlichen Baukosten für die erste Ausbaustufe des Flughafens betrugen schließlich knapp sechs Milliarden Euro (Stand: 20. Oktober 2020). Der Flughafen Berlin Brandenburg steht sinnbildlich für Fehlplanung, Missmanagement und Versagen eines staatlichen Großprojektes. Betrieben wird er durch die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, an der die Länder Berlin und Brandenburg zu je 37 Prozent und der Bund zu 26 Prozent beteiligt sind. Er befindet sich also zu 100 Prozent im öffentlichen Besitz, finanziert zum Großteil durch Steuergelder.
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Zum Eröffnungszeitpunkt soll der Flughafen eine Gesamtkapazität von 45 Millionen Passagieren pro Jahr haben:
  • 27 Millionen am Terminal 1
  • 6 Millionen am Terminal 2
  • 12 Millionen am Terminal 5, dem ehemaligen Flughafen Schönefeld, der seit dem 25. Oktober in den Flughafen Berlin-Brandenburg integriert ist.
Zum Vergleich: 2019 war der größte Flughafen der Hartsfield-Jackson Atlanta International Airport mit 111 Millionen Passagieren. Der größte europäische Flughafen ist auf Platz 7 der London Heathrow Airport mit rund 81 Millionen, größter deutscher Flughafen auf Platz 15 der Flughafen Frankfurt am Main mit rund 71 Millionen.
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Bis 2035 sind am Flughafen BER neue Erweiterungsbauten geplant, um jährlich 58 Millionen Passagiere abfertigen zu können. Denn:
Ein Flughafen ist nie fertig.
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup, 2017

Der drittgrößte deutsche Flughafen

Gemessen an der Fläche liegt der größte Flughafen in Saudi Arabien: Der Flughafen King Fahd International erstreckt sich über eine Fläche von über 77.000 Hektar und ist damit flächenmäßig der größte Flughafen der Welt (Stand 2018). Auf Platz zehn mit 3.237 Hektar ist Paris Charles de Gaulle der größte europäische Flughafen, der Frankfurt Airport liegt mit 2.300 Hektar als größter deutscher Flughafen auf Platz 15. Der Flughafen Berlin Brandenburg hat eine Fläche von 1.470 Hektar und ist somit flächenmäßig nach München mit 1618 Hektar der drittgrößte Flughafen Deutschlands.
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Eröffnung trotz Pandemie und Luftverkehr-Krise

Dass der Flughafen nun ausgerechnet in dem Jahr eröffnet werden kann, in dem weltweit der Flugverkehr seine bis dahin massivsten Einschränkungen erlebt, passt dann irgendwie auch zur Geschichte des BER. Die Befürchtungen, der Flughafen könnte bereits bei der Eröffnung zu klein für das Fluggastaufkommen sein, wird sich durch die Corona-Krise nicht bewahrheiten, denn mit einer vollen Auslastung ist aufgrund der allgemein gesunkenen Passagierzahlen in den nächsten Monaten nicht zu rechnen.
Von Januar bis August 2020 wurden laut dem Flughafenverband ADV an den deutschen Flughäfen 50,6 Mio. Passagiere gezählt, 69,5 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum:
  • Der innerdeutsche Verkehr lag 69,3 Prozent unter dem Vorjahresaufkommen.
  • Der Europaverkehr nahm um 69,5 Prozent ab.
  • Der Interkontverkehr fiel um 69,9 Prozent.
  • Die gewerblichen Flugbewegungen gingen um 55,9 Prozent zurück.
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Kurz vor der Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens BER nimmt durch die erneut steigenden Corona-Infektionszahlen der Flugverkehr in Berlin wieder ab. Im September gab es 3.951 Starts, etwas weniger als im August. Von Januar bis September sind knapp acht Millionen Menschen in Berlin an- und abgeflogen, 70,5 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
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Im August 2020 wurden auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld 293.300 Passagiere abgefertigt, in Berlin-Tegel 534.800 Passagiere. Das sind rund 75 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Die Umsatzerlöse aus dem Luftverkehr nach der Eröffnung werden damit deutlich geringer ausfallen als geplant. Die durch die EU-Kommission genehmigten staatlichen Unterstützungen der vom Coronavirus-Ausbruch betroffenen Flughäfen sollen dem Flughafen BER schon vor der Eröffnung durch die Krise helfen. Das eigene gesteckte Ziel, den Flughafen ab 2023 in die schwarzen Zahlen zu führen, wird so nicht erreicht werden.

Kein Grund zum Feiern

Das größte Problem, das der Flughafen nun hat, ist der Finanzierungsplan. Wann sich der Flugverkehr wieder vollständig erholt und sich auf Vor-Pandemie-Niveau befindet, kann keiner vorhersagen.
Auch eine große Eröffnungsfeier wird es nicht geben.
Es gibt keinen Grund, sich mit dem Projekt zu brüsten, deshalb ist klar: Es gibt keine große Party, wir machen einfach auf,
sagte Flughafenchef Lütke Daldrup im September bei der Bundespressekonferenz. Allerdings hatte der Schönefelder Gewerbeverein am Vorabend des 31. Oktober zur Airport-Opening-Feier eingeladen. Jedoch musste man diesen Termin wegen der steigenden Coronazahlen verschieben.