: Polizei durchsucht deutsche Klima-Prüfstellen

von Hans Koberstein
15.07.2024 | 13:34 Uhr
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Betrug bei Klimaschutzprojekten in China. Jetzt haben die Behörden drei deutsche Prüfstellen durchsucht.
Durchsuchungen bei TÜV Rheinland Energy & Environment und anderen: Verdacht auf Betrug (Symbolfoto).Quelle: imago images
Wegen des Verdachts auf Betrug bei Klimaschutzprojekten hat die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft Berlin drei Firmen in Nordrhein-Westfalen und Bayern durchsucht.
ZDF frontal hatte nach monatelanger Recherche über vorgetäuschte Klimaschutzprojekte in China berichtet. Deutsche Mineralölkonzerne nutzen diese China-Projekte, um in Deutschland gesetzliche Klimaschutzvorgaben zu erfüllen.

Unternehmen verweisen auf Vertraulichkeit

Bei den Unternehmen, deren Räumlichkeiten am Freitag von Polizeikräften durchsucht wurden, handelt es sich um Verico SCE, Müller-BBM Cert Umweltgutachter GmbH und TÜV Rheinland Energy & Environment GmbH. Alle drei bestätigen die Durchsuchungen auf Nachfrage. Von Müller-BBM und TÜV Rheinland heißt es, man wolle vollumfänglich mit den Behörden kooperieren.

Mit Klimaschutzprojekten in China können Mineralöl-Konzerne in Deutschland ihre gesetzlich vorgegebenen Klimaziele erreichen. Doch viele davon existieren nur auf dem Papier.

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Die drei Unternehmen haben mehr als zwei Drittel aller China-Projekte abwechselnd validiert und verifiziert. Auf kritische Nachfragen von ZDF frontal verwiesen Verico und Müller-BBM Cert auf die Vertraulichkeit der Projekte. TÜV Rheinland sieht auf Nachfrage keinen Grund zur Annahme, in Betrug verstrickt zu sein. Man habe stets nach Recht und Gesetz gehandelt.
Das Umweltbundesamt hatte alle China-Projekte ohne eigene Überprüfung genehmigt und dies gegenüber ZDF frontal mit dem Vertrauen in die deutschen Prüfstellen begründet. Durch den Betrug der drei Firmen bei fünf Projekten soll bereits ein Schaden von 1,125 Millionen Euro entstanden sein.

Betrug? Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 17 Personen

Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte die Durchsuchungen angeordnet. Sie ermittele gegen 17 Personen "wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges". Es gebe den Anfangsverdacht, dass sie das Umweltbundesamt "hinsichtlich der Existenz und/oder jedenfalls der Antragsberechtigung verschiedener Klimaschutzprojekte getäuscht haben".
Bei den 17 Beschuldigten handelt es sich laut Staatsanwaltschaft um die Geschäftsführer der drei Firmen in Kerpen, Köln und Langenbach sowie um Mitarbeitende von Prüfstellen, die an der Verifizierung von UER-Projekten beteiligt gewesen sein sollen. Anzeige erstattet hatte Ende Mai das Umweltbundesamt.

Vier von fünf weltweit Befragten wünschen sich, ihr Land würde mehr gegen den Klimawandel tun. Das ergibt eine Umfrage, die die Vereinten Nationen in Auftrag gegeben haben.

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Vorgetäuschte China-Projekte mehr als 600 Millionen Euro wert

Das Umweltbundesamt hat seit 2020 mehr als 60 Klimaschutzprojekte in China genehmigt, die einen geschätzten Marktwert von 1,7 Milliarden Euro haben. Nach Recherchen von ZDF frontal sind mindestens 16 dieser sogenannten "UER-Projekte" in China mit einem geschätzten Marktwert von mehr als 600 Millionen Euro vorgetäuscht.
Der Marktwert wurde von der Mineralölwirtschaft auf den Spritpreis umgelegt und von Verbraucherinnen und Verbrauchern an der Tankstelle oder beim Heizölkauf bezahlt.

Was sind UER-Projekte?

Bei den Vorwürfen geht es um sogenannte Upstream-Emissions-Reduktions-Projekte (UER). Diese sind eine Möglichkeit für Ölkonzerne, gesetzliche Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen.

Bei den meisten der vom Umweltbundesamt genehmigten Projekte geht es darum, Treibhausgasemissionen bei der Ölförderung zu verringern. Dafür erhalten die Unternehmen Zertifikate, die sie mit ihrem eigenen CO2-Ausstoß verrechnen können. Ein Teil der zertifizierten Projekte hat nach früheren Angaben des UBA offenbar gar nicht existiert, in anderen Fällen wurden schon bestehende Anlagen als neu ausgewiesen.

"Fehleranfälliges" UER-System läuft 2025 aus

Das Bundesumweltministerium wies im Juni darauf hin, dass das gesamte UER-System noch von der Vorgängerregierung 2018 eingeführt worden sei. Da es sich als fehleranfällig und undurchsichtig erwiesen habe, habe die aktuelle Bundesregierung es vorzeitig gestoppt.
Seit dem 1. Juli werden keine neuen UER-Projekte mehr genehmigt. Bis dahin genehmigte Projekte können aber noch bis Mitte 2025 UER-Nachweise generieren, also zu Geld gemacht werden. Deshalb läuft das System tatsächlich erst 2025 aus.
Mit Material von AFP

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Quelle: ZDF
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