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: Wie unser Gehalt 2022 an Wert verloren hat

von Kathrin Wolff
07.02.2023 | 07:07 Uhr
Mehr Geld auf dem Konto - aber weniger Kaufkraft: Die Gehälter haben 2022 wegen der Inflation deutlich an Wert verloren. So sieht es in Ihrer Branche aus.
Die meisten Menschen in Deutschland konnten sich trotz Lohnerhöhungen 2022 von ihrem Gehalt weniger leisten als im Jahr zuvor. Zwar stiegen die Löhne auf dem Papier im Schnitt um 3,4 Prozent - der Nominallohn lag so stark im Plus wie nie seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2008. Doch die Inflation von 7,9 Prozent fraß mehr als die Zuwächse auf. Die Reallöhne, also die Gehälter gemessen an der Kaufkraft, sanken um 4,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
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Experten sprechen von einem historischen Reallohn-Verlust. Nachdem die Gehälter in den 2010er-Jahren fast immer stärker stiegen als die Inflation, hatte Corona und die damit verbundene Kurzarbeit schon für sinkende Kaufkraft gesorgt. Doch richtig heftig wurde der Rückgang 2022, als Russlands Angriff auf die Ukraine stark steigende Energiepreise und eine hohe Inflation nach sich zog.

Sehen Sie im Grafikvideo, wie die Inflation 2022 mehr als die Lohnerhöhung verbrennt.

07.02.2023 | 00:30 min

So entwickeln sich die Löhne nach Branchen

Wie viel das Gehalt an Wert verloren hat, hängt von der Branche ab. Die gute Nachricht: Bei Geringverdienern konnten die Einkommen eher mit der Inflation mithalten. Das liegt daran, dass der Mindestlohn im Schnitt um 10,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr stieg - also stärker als die Teuerungsrate von 7,9 Prozent. Die schlechte: Geringverdiener sind stärker von der Inflation betroffen, weil sie einen größeren Teil ihres Einkommens für Produkte ausgeben müssen, die besonders teuer geworden sind - wie Energie und Lebensmittel.
Gut die Hälfte der Beschäftigten arbeitet in Unternehmen mit Tarifvertrag. Das Gastgewerbe ist eine der wenigen Branchen, in denen der Tariflohn stärker stieg als die Inflation. Das zeigt eine Auswertung des WSI-Tarifarchivs, die ZDFheute exklusiv vorliegt. "Wegen der Mindestlohn-Steigerung mussten hier die Tarifverträge angepasst werden", erklärt Prof. Thorsten Schulten, der das WSI-Tarifarchiv bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung leitet. "Der Arbeitskräftemangel hat den Druck zusätzlich erhöht."
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Doch warum liegen die Lohnerhöhungen in vielen Branchen so deutlich unter der Inflationsrate von 7,9 Prozent? Das hat laut Schulten zwei Gründe:
  • "Für die Mehrzahl der Beschäftigten wurde 2022 gar nicht verhandelt. Und die Tarifabschlüsse von 2021 wurden noch vor dem Hintergrund ganz anderer Inflationsraten vereinbart." So gab es im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen nur ein Plus von 1,3 Prozent - macht real ein Minus von 6,1 Prozent. Jetzt laufen dort Tarifverhandlungen, die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent mehr.
  • "Viele Lohnerhöhungen, die 2022 ausgehandelt wurden, werden erst dieses Jahr wirksam - etwa in der großen Metall- und Elektroindustrie", sagt Schulten. Insgesamt zeige sich, dass die Tarifabschlüsse 2022 zwar höher als in den Vorjahren ausfielen, aber deutlich hinter der Inflationsrate zurückblieben.

Was bringt die Inflationsausgleichsprämie?

Neben Lohnerhöhungen gibt es eine weitere Möglichkeit, die steigenden Preise abzufedern: die Inflationsausgleichsprämie. Zwischen Oktober 2022 und Ende 2024 können Arbeitgeber ihren Beschäftigten insgesamt bis zu 3.000 Euro zusätzlich zahlen, ohne dass Steuern und Sozialabgaben fällig werden.
"Auf den ersten Blick ist diese Prämie für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer hochattraktiv", sagt Schulten. Sie werde von vielen Branchen genutzt. Allerdings dürfe sie eine dauerhafte Lohnerhöhung nicht ersetzen. "Denn die Preise fallen ja nicht, sie steigen nur langsamer."

Wie entwickeln sich die Gehälter 2023 weiter?

Das hängt laut Schulten von zwei Faktoren ab: Wie hoch ist die Inflation? Und: Was setzen die Gewerkschaften durch?
Die Inflation sank zuletzt und wird nach Experteneinschätzung dieses Jahr geringer ausfallen als 2022. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung geht von 5,1, die Bundesregierung von 6 Prozent aus - doch die Unsicherheit ist noch groß. Je nach internationaler Entwicklung könnte es auch weniger oder mehr werden.
Zurzeit laufen Tarifverhandlungen bei der Post, die Gewerkschaften fordern 15 Prozent mehr Lohn. "Wenn die ein gutes Ergebnis erzielen, strahlt das auf den öffentlichen Dienst aus. Und dessen Abschluss wird das Maß für weitere Tarifverhandlungen dieses Jahres setzen", sagt Schulten. Im Schnitt rechnet er für 2023 mit Tariflohnerhöhungen von 3,5 bis 4 Prozent. "Es ist noch nicht abzusehen, ob das reicht, dass die Reallöhne wieder ins Plus kommen."

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