: "Unser Mandat ist die Preisstabilität"

von Susanne Biedenkopf
03.12.2022 | 09:31 Uhr
Bundesbankpräsident Nagel und sein französischer Kollege Villeroy de Galhau sind sich einig: Die Herausforderungen der europäischen Geldpolitik machen weitere Zinserhöhungen nötig.
Kritische Ratschläge gehören zum Jobprofil eines Notenbankers - in Deutschland ebenso wie in Frankreich. Darüber sind sich der Präsident der Deutschen Bundesbank, Joachim Nagel, und der Gouverneur der Banque de France, François Villeroy de Galhau, einig. Und Anlässe für kritische Ratschläge bieten Zeiten der Krise mehr als genug.

Villeroy de Galhau verteidigt Zinserhöhungen

Eine Stunde lang standen die beiden im Phoenix Finanztalk Rede und Antwort. "Die Rückkehr der Inflation nach Europa", so Frankreichs Notenbankchef Villeroy de Galhau, habe auch die Notenbanker überrascht. Die Inflation erweise sich zudem als hartnäckig, die Zinserhöhungen müssten deshalb weiter gehen, "so lange wie nötig". Mit dem höchsten Punkt der Inflation rechne er im ersten Semester 2023.
In den letzten Monaten, betonte Bundesbankpräsident Nagel, sei jedoch eine beispiellose Straffung der Geldpolitik erfolgt. Die Zinsen seien dreimal erhöht, Anlagekäufe beendet worden.
Unser Job ist es jetzt, die Inflation wieder zu stabilisieren.
Joachim Nagel, Deutsche Bundesbank
Mit einer deutlich niedrigeren Rate rechnet Nagel jedoch "frühestens ab 2024", wenn nicht sogar 2025. Die Maßnahmen bräuchten 18 bis 24 Monate, um zu wirken.

Warnung an EU-Länder: Sonderwege nicht dauerhaft

Am perspektivischen Erfolg dieser Schritte zweifelten beide nicht. Immer und überall seien die geldpolitischen Maßnahmen wirksam gewesen. Nagel und Villeroy de Galhau äußerten Verständnis für die fiskalpolitischen Maßnahmen, die in den Ländern der EU ergriffen wurden.
Jedoch dürften diese nur eine temporäre Rolle spielen und temporär sein, sonst "koste es viel zu viel und sei zudem langfristig nicht wirksam".

TV-Hinweis: phoenix - die diskussion

Bundesbankpräsident Joachim Nagel und François Villeroy de Galhau, Gouverneur der Banque de France, sprechen bei Phoenix im Interview zum Thema "Deutschland, Frankreich und die Inflation - Wege aus der Krise". Durch das Gespräch führen Susanne Biedenkopf und Michael Krons. Es ist am Sonntag, 4. Dezember 2022, um 13 Uhr bei Phoenix zu sehen.
"Eine Sondersituation", sagt Nagel, sei "eine Sondersituation" - aber die sei "irgendwann vorbei". Die öffentliche Verschuldung in Frankreich, so Villeroy de Galhau, sei eine "Sorge". Die Schulden müssten 2023 stabilisiert und danach wieder reduziert werden. Das werde nicht leicht, "aber das müssen wir schaffen". Ein Problem in Euroland bleibe, dass es "eine gemeinsame Geldpolitik mit 19 Wirtschaftspolitiken" gebe. Diese müssten besser koordiniert werden.

Banker wünschen sich mehr Verbindlichkeit

Auf die Frage nach den Maastricht-Kriterien, die weiterhin ausgesetzt sind, betonten beide Notenbanker die Notwendigkeit von klaren Regeln und Kriterien. Die Reformvorschläge der Kommission zum Stabilitäts- und Wachstumspakt seien eine Diskussionsgrundlage. Es brauche aber noch mehr Verbindlichkeit und eine klare Regelbindung.
Bereits Mitte November hatten sich Nagel und Villeroy de Galhau in einem Gastbeitrag, der gleichzeitig im "Handelsblatt" und der französischen Zeitung "Les Echoes" erschienen war, für einen Kapitalmarkt zur Finanzierung des grünen und digitalen Wandels ausgesprochen. Ein Zeichen in einer Zeit, in der der deutsch-französische Motor wegen der unterschiedlichen Hilfsmaßnahmen in der Energiekrise ins Stottern geraten war.

Ein deutsch-französischer Impuls

Die Franzosen sprechen übrigens nicht vom Motor, sondern vom deutsch-französischen "Couple", dem Paar. Wenn Deutschland und Frankreich zusammenstünden, gehe es auch in Europa wieder voran. "Die EU", so Nagel, "ist vielleicht nicht immer in allen Themen ein Rennwagen". Aber am Ende, davon sei er überzeugt, werde man "es schaffen". François Villeroy de Galhau und er wollten mit ihrem deutsch-französischen Beitrag einen Impuls geben.
Nach den Jahren der Krise müsse Diskussion um den gemeinsamen Kapitalmarkt wieder Fahrt aufnehmen. "Wenn nicht jetzt, wann dann?", sagt Nagel. Es bedürfe Milliarden an privatem Kapital, um Herausforderungen von Klimawandel und Digitalisierung zu finanzieren.

Vereinfachung des europäischen Regelwerks gefordert

Europa sei auch aus dem Ausland nicht immer einfach zu verstehen. So gebe es 27 verschiedene Insolvenzordnungen. Da sei viel Luft nach oben. Es sei wichtig, immer wieder zu erklären, worum es geht und auch Probleme anzusprechen.
Zu den Debatten im EZB-Rat übrigens hatte Villeroy de Galhau eine persönliche Erklärung: Es werde häufig von Falken und Tauben gesprochen. Aber: "Ich bin kein Vogel, ich bin Pragmatiker".
Susanne Biedenkopf ist Leiterin der ZDF-Hauptredaktion Wirtschaft, Recht, Service, Soziales und Umwelt.

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