: So kommen Senioren "raus aus den Betten"
von Katharina Wulff-Bräutigam
10.02.2024 | 06:00 UhrIn einigen Pflegeheimen werden die Menschen nicht geschont, sondern aktiviert. Eine Reportage von plan b.
15.02.2024 | 29:45 minOskar Dierbach ist ein Pionier in der Altenpflege. "Wir wollten uns nicht damit abfinden, dass ein Altenheim das Ende des Weges sein soll", sagt der ehemalige Pflegedienstleister.
Wir pflegen unsere Heimbewohner aus den Betten raus.
Pflegebedürftige in Mülheim trainieren täglich
Und so haben sie im "Haus Ruhrblick" der Evangelischen Altenhilfe Mülheim an der Ruhr einen neuen Weg eingeschlagen. Mit der "therapeutisch-rehabilitativen Pflege" machen sie die Bewohner und Bewohnerinnen wieder eigenständiger und mobiler.
In zwei Fitnessräumen wird täglich trainiert, angeleitet durch Physiotherapeuten und Bewegungstherapeuten. Doch das wirklich Besondere ist: Auch im Alltag stärken die Pflegekräfte das, was der ältere Mensch noch kann: Vom Hörgerät anlegen bis zum Treppensteigen - jede noch so kleine Bewegung gilt als Training.
Der Erfolg gibt Dierbach recht: Zehn bis 15 Prozent der so Aktivierten können wieder zurück nach Hause. Viele hatten das selbst nicht für möglich gehalten.
Reha-Erfolge selbst Jahre nach Schlaganfall
Doch auch die, die das nicht schaffen, profitieren von der vielen Bewegung. Die 86-jährige Gisela Hiemsch war nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt. Vier Jahre lang lebte sie in einem Pflegeheim, wo sie Windeln angelegt bekam und den ganzen Tag im Rollstuhl verbringen musste.
Bei einem Schlaganfall ist es wichtig, Symptome schnell zu erkennen und ernst zu nehmen.
10.05.2023 | 05:22 minDann zog sie um ins "Haus Ruhrblick", und dort war Schluss mit dem ewigen Herumsitzen. Als erstes lernte Hiemsch, ihre Beine wieder ein wenig zu bewegen.
Es sind kleine Schritte, doch sie schafft es inzwischen wieder auf die Toilette zu gehen. Nun übt sie, in ein Auto einzusteigen. Ihr großes Ziel ist es, zusammen mit ihrem Ehemann Volker einen Ausflug in ihr Lieblingsrestaurant zu machen.
Nach über vier Jahren im Heim freue ich mich sehr, mal wieder rauszukommen und was Schönes zu erleben.
Dierbach: In Standardpflege "bleiben Menschen auf der Strecke"
Normalerweise richtet die Altenpflege in Deutschland ihren Blick auf das, was ein Mensch nicht mehr kann.
Die betroffene Person wird entsprechend eingestuft: Je höher der Pflegegrad, desto mehr Geld bekommt die Einrichtung von der Pflegeversicherung. Für Dierbach ein grundlegender Missstand des ganzen Systems.
Pflege ist immer stärker an Kostengesichtspunkten orientiert, aber Menschenwürde und Selbstbestimmung des einzelnen Menschen bleiben auf der Strecke.
Rehabilitative Pflege spart Kosten
Die rehabilitative Pflege hingegen stärkt seine Selbstbestimmung - und spart dadurch Kosten: Die Krankenhausaufenthalte der Mühlheimer Bewohner sind um 40 Prozent gesunken, die Ausgaben für Medikamente um bis zu 8,5 Prozent.
Medizinjournalist Christoph Specht zu den Änderungen im Pflegesystem
03.01.2024 | 07:02 minDiese Einsparungen übertreffen die Mehrkosten des neuen Pflegekonzepts, die durch die höhere Zahl an Therapeuten und Therapeutinnen entstehen. Weil deren Reha-Maßnahmen bislang nicht zu den Leistungen der Pflegeversicherung zählen, trägt ein privater Förderverein diese Kosten.
Neues Konzept auch "Therapie für Pflegenotstand"?
Das könnte bald nicht mehr nötig sein. Denn seit Herbst 2023 erprobt die AOK Rheinland/Hamburg das Konzept in zwölf Pflegeheimen. "Wenn Menschen mobiler werden, ist das ein großer Gewinn", sagt Matthias Mohrmann, Vorstandsmitglied der Krankenkasse.
Auch die Pflegeversicherung profitiert davon, wenn Heimbewohner einen niedrigeren Pflegegrad haben und weniger Unterstützung erforderlich ist.
TV-Tipp
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Das hätte womöglich noch einen weiteren Vorteil: Pflegekräfte sind motivierter, wenn sie einen Erfolg ihrer Arbeit sehen.
Wir können Menschen wieder selbstständiger machen.
"Das dauert manchmal wirklich lange und man muss sehr geduldig sein. Aber man sieht immer wieder kleine Fortschritte. Und die müssen gesehen und auch zusammen gefeiert werden", so Hendricks weiter. Wem die Arbeit Freude macht, der bleibt dabei - vielleicht eine Therapie auch für den Personalnotstand in der Pflege.