Interview

: Wie sieht der Apfel der Zukunft aus?

04.11.2023 | 16:40 Uhr
Im Supermarkt sind viele Äpfel nur deshalb so makellos, weil sie regelmäßig gespritzt werden. Pomologe Bannier geht dagegen in der Apfelzüchtung neue Wege - ohne Chemie.

Kein Obst essen die Deutschen lieber als Äpfel, durchschnittlich über 20 Kilogramm pro Kopf im Jahr. Viel zu oft aber ist der Anbau wenig nachhaltig.

23.11.2023 | 29:46 min
Der Apfelanbau steht vor großen Herausforderungen. Viele moderne Sorten können Krankheiten und klimatischen Veränderungen ohne Pestizide nicht mehr begegnen.
Hans-Joachim Bannier geht deshalb einen andere Weg. Der Apfelexperte setzt auf alte, seltene Sorten und verzichtet ganz auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Nur so lässt sich herausfinden, wie vital und widerstandsfähig eine Sorte wirklich ist, erklärt der Pomologe im ZDFheute-Interview.
ZDFheute: Was hat es mit Ihrer Sortensammlung auf sich?
Hans-Joachim Bannier: Das "Obst-Arboretum" in Bielefeld ist gewissermaßen eine "Arche Noah" für alte Apfelsorten, von der ältesten deutschen Sorte aus dem 13. Jahrhundert über die Sortenvielfalt des 19. Jahrhunderts bis zur modernen Züchtungssorte. Wir verwenden hier keinerlei chemische Spritzmittel.

Hans-Joachim Bannier …

Quelle: ZDF
… ist Pomologe, also Apfelkundler, und leitet seit 1995 das Obst-Arboretum Olderdissen in Bielefeld. In diesem speziellen Obstgarten sammelt er Apfelsorten, um den Genpool der alten Sorten zu erhalten. Diese werden von ihm skizziert und katalogisiert. Der Garten dient ihm auch zu Forschungszwecken.

Mit der von ihm und einigen Bio-Obstbauern vor 10 Jahren gegründeten ökologischen Züchtungsinitiative apfel:gut e.V. arbeitet er an neuen widerstandsfähigeren Sorten, die er durch Kreuzung alter, robuster Sorten züchtet.

ZDFheute: Was ist an den alten Sorten so besonders?
Bannier: Viele der traditionellen Apfelsorten sind von ihrer Genetik weitaus robuster gegenüber Krankheiten als die heutigen Supermarktsorten. Sie stammen oft noch aus einer Zeit, in der es die chemischen Spritzmittel heutiger Prägung noch gar nicht gab. Damals konnte man nur robuste Sorten anbauen, alles andere wäre damals unsinnig gewesen.

Zu Beginn des Herbstes rücken Äpfel wieder mehr in den Fokus. Viele Sorten, die über die Jahre verschwunden sind oder in Vergessenheit geraten sind, kennen wir jedoch gar nicht.

15.09.2023 | 05:12 min
ZDFheute: Wie können aus alten Äpfeln neue Züchtungen entstehen?
Bannier: Wenn wir eine neue Sorte züchten, bestäuben wir die Blüten einer ausgewählten Sorte gezielt mit dem Pollen einer andern (Vater-)Sorte. Manche der alten Sorten verfügen über sehr unterschiedliche Eigenschaften sowie über stabile (auf vielen Genen verankerte) Resistenzen gegen Krankheiten - wenn wir solche Sorten einkreuzen, haben wir die Chance, wieder nachhaltig resistente und mit sich wandelnden klimatischen Bedingungen zurechtkommende Sorten zu bekommen.

Eine Genbank für Pflanzen ist ...

... eine Erhaltungsstelle für das Genmaterial von Pflanzen. Hier werden verschiedene Pflanzenarten gesammelt, charakterisiert und gesichert. Solche Genbanken sind die Grundlage für neue Züchtungen, denn je größer die Sammlung an Merkmalen ist, desto mehr Möglichkeiten für Neuzüchtungen in der Forschung gibt es.

Die Deutsche Genbank Obst ist …

… ein Netzwerk aus öffentlichen und privaten Pflanzungen, in denen alte Sorten erhalten werden, die ansonsten zu verschwinden drohen. Das Ziel ist die Sicherung genetischer Ressourcen, denn Sorteneigenschaften, die heute unwichtig erscheinen, könnten morgen - unter veränderten Umwelt- und Klimabedingungen - wieder existenziell wichtig werden
ZDFheute: Wie arbeiten Sie mit der Hochschule Osnabrück zusammen?
Bannier: Die Hochschule Osnabrück ist zusammen mit anderen Obst-Instituten in Deutschland an einem Forschungsprojekt beteiligt, in dem es darum geht, natürliche Resistenzen von Apfelsorten gegenüber den Pilzkrankheiten Apfelschorf und Mehltau ausfindig zu machen.
Unsere Sortensammlung in Bielefeld ist dabei vor allem deshalb interessant, weil wir keinerlei Spritzungen gegen diese Pilzkrankheiten durchführen.

Auf europäischen Feldern wird gespritzt, was das Zeug hält. 93 Prozent der Obst- und Gemüseproben weisen Rückstände von insgesamt 226 Pestizidwirkstoffen auf.

12.01.2022 | 04:35 min
ZDFheute: Gibt es noch einen anderen Grund, warum wir umdenken sollten?
Bannier: Der hohe Verbrauch an chemischen Giften gerade im Obstanbau schädigt zum einen die Umwelt, schadet zum Beispiel Insekten und Vögeln. Zum anderen zahlen auch wir als Verbraucher den Preis, dass wir die Rückstände der chemischen Pflanzenschutzmittel täglich mitessen. Das ist auf lange Sicht nicht gesund.
ZDFheute: Was können Verbraucherinnen und Verbraucher ändern?
Bannier: Ganz allgemein, indem sie direkt bei Erzeugern einkaufen und auch mal ein paar Schorfflecken tolerieren. Diese oder anderen kleine optische "Macken" sind ja ein Indiz dafür, dass die Früchte nicht oder zumindest weniger gespritzt wurden.
Das Interview führte Lea Brüggemann.

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