: Bremsen Windparks den Wind?

von Axel Kleidon
03.09.2023 | 07:00 Uhr
Die Energiewende in Deutschland setzt auf die Windenergie. Aber wie groß ist das Potential für den Ausbau tatsächlich – oder geht dem Wind irgendwann gar die Puste aus?

Windenergie entsteht, weil die Tropen mehr Sonnenlicht erhalten als die Pole. Das erwärmt die Erdoberfläche unterschiedlich stark, die Tropen sind wärmer, die Pole kälter. Es bildet sich ein Temperaturunterschied. Diese Temperaturunterschiede wirken in der Atmosphäre ähnlich wie in einem Kraftwerk und erzeugen Windenergie. Diese Winde bauen den Temperaturunterschied ab, indem gewaltige Mengen an Wärme aus den Tropen in die Polargebiete strömen, um sich auszugleichen.
Die Auswirkungen dieses Wärmetransports können Satelliten in den Strahlungsflüssen messen.

Terra-X-Kolumne auf ZDFheute

In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

Reibung an der Erdoberfläche bremst den Wind ab

Wie beim Kraftwerk sind jedoch auch der Erzeugung von Winden physikalische Grenzen gesetzt. Im Vergleich zum Kraftwerk ist der Temperaturunterschied auf der Erde relativ gering. Daher kann die Atmosphäre auch nur einen sehr kleinen Anteil in Windenergie umwandeln. So wird weniger als ein Prozent der einfallenden Solarstrahlung zu Windenergie.
Diese Windenergie entsteht innerhalb der Atmosphäre und wird durch Reibung an der Oberfläche wieder in Wärme umgewandelt. Die Winde, die wir messen, sind das Resultat aus Winderzeugung, Transport innerhalb der Atmosphäre und Reibungsverlust an der Oberfläche.

Gerät Luft in Bewegung entsteht Wind. Verantwortlich dafür sind Temperaturunterschiede.

20.09.2021 | 01:36 min
Weil die Erde sich dreht, passiert die Reibung nicht überall gleichmäßig, sondern größtenteils in den mittleren Breiten. So gibt es über Deutschland beispielsweise mehr Reibung als im globalen Mittel - die Winde wehen hier also stärker. Sie sind auch im Winter stärker als im Sommer. Die Unterschiede in solarer Einstrahlung sind dann größer, die Atmosphäre leistet mehr, es gibt stärkere Winde und somit mehr Reibung.

Windturbinen erzeugen Reibung und schwächen den Wind

Wenn nun Windenergie als erneuerbare Energie genutzt wird, werden diese Energieumwandlungen verändert. Statt Reibung wird ein Teil der Energie des Windes von den Turbinen genutzt, um Strom zu erzeugen. Direkt hinter den Rotorblättern entstehen Windschatten. Da ist der Entzug der Energie, die in den Winden steckt, am stärksten zu spüren.  
Diese Windschatten werden zwar durch Verwirbelungen wieder aufgefüllt - der Wind weht dann wieder. Insgesamt wird der Atmosphäre durch die Turbinen ihre Bewegungsenergie entzogen. So geht die Nutzung der Windenergie zu Lasten von natürlichen Reibungsverlusten. Die Winde nahe der Oberfläche werden dadurch geschwächt.

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Starker Ausbau gleich geringere Effizienz?

Das hat Konsequenzen, vor allem für die Windturbinen selbst. Sie werden wegen der schwächeren Winde weniger effizient, erzeugen also weniger Strom. Für die Energiewende wird ein Ausbau der Windenergie auf etwa 200 Gigawatt bis zum Jahr 2050 anvisiert. Selbst wenn man die Turbinen dabei über ganz Deutschland verteilt, würde das die Stromerzeugung um etwa 10 - 15 Prozent schwächen, weil dann der Wind weniger stark ist.
Auch bessere Technik wird diesen Reduktionseffekt nicht vermeiden können. Werden die Turbinen effizienter, zum Beispiel durch größere Rotorenblätter oder indem sie höher werden, dann nutzen sie den Wind effizienter. Das bedeutet aber auch, dass sich der Reduktionseffekt verstärkt - also weniger Wind weiterpustet.
Dennoch: Mit so viel Kapazität könnten die Windturbinen dann trotzdem noch ziemlich viel Strom erzeugen. Grob geschätzt etwa die Hälfte von dem, was gegenwärtig in Deutschland an Strom verbraucht wird.

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Die Atmosphäre spürt davon fast nichts

Die Winde nahe der Oberfläche wehen dann zwar schwächer, der Effekt auf die Atmosphäre ist aber insgesamt verhältnismäßig gering. Baut man die Kapazitäten der Windenergie auf 200 Gigawatt aus, dann ist der Effekt auf die Atmosphäre gering - der erzeugte Strom sind nur zwei bis drei Prozent der Energie, die der Wind über Deutschland natürlicherweise durch Reibung verliert. Es wird daher auch im Zuge der Energiewende dem Wind noch lange nicht die Puste ausgehen.

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Axel Kleidon

... ist studierter Physiker, leitet eine Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Biogeochemie und lehrt an der Friedrich-Schiller Universität Jena.  Meistens forscht er daran, wie die Erde Energie in verschiedenste Formen umwandelt und wo dabei die Grenzen liegen, mit einem Blick auf das ganze Erdsystem.  Dies wendet er an, um Klima, Klimawandel, und die Rolle des Lebens besser - und einfacher - zu verstehen und abzuschätzen.  Das hat auch ganz praktische Bedeutung, für die Folgen des Klimawandels und für die Grenzen von erneuerbare Energien.  Seine Arbeitsgruppe schreibt über die eigene Forschung auch auf dem Blog earthsystem.org.

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