Kolumne

: Zwei Jahre Krieg in Europa: Wie Kriege enden

von Nicole Deitelhoff
25.02.2024 | 05:51 Uhr
Der verheerende Krieg in der Ukraine, fordert immer mehr Zerstörung und Menschenleben. Aber wie und wann wird dieser Krieg enden?

Als ich meiner Tochter eine Runde Memory abschlug, weil ich noch etwas darüber schreiben wollte, wie Kriege enden, bot sie an, das zu übernehmen. Es sei ja kinderleicht: Ein Krieg würde immer schlimm enden, alles wäre kaputt, viele würden sterben und selbst die Seite, die stärker wäre, würde deshalb auch verlieren. Eins zu Null für Memory: Die Antwort stimmt, mehr muss man nicht wissen.

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Viele wollen aber mehr wissen, denn seit Russlands Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 tobt ein verheerender Krieg in Europa. Umso dringlicher stellt sich die Frage, wie und wann dieser Krieg enden könnte.

Wie Kriege enden

Kriege enden durch militärische Überlegenheit, durch Verhandlungen, durch Erschöpfung, wenn die Parteien keine Ressource mehr haben oder durch Einfrieren, wenn Kampfhandlungen auf dem Status quo beendet werden, obwohl der Konflikt noch schwelt.
Häufig gehen Kriege durch verschiedene Episoden, bevor es zu einem stabilen Ende kommt: Waffenstillstände werden gebrochen, Erschöpfung mündet in neue Kämpfe, weil die Parteien wieder Ressourcen mobilisieren konnten und militärische Siege münden nicht in Frieden, sondern die unterlegene Seite führt den Krieg nun als Partisanenkampf aus dem Hinterhalt.

Ob militärische Ausrüstung für die Ukraine sinnvoller sei, als sie für den Notfall zurückzuhalten, sei eine Frage, die man sich stellen müsse, so Konfliktforscherin Deitelhoff.

25.02.2024 | 05:36 min

Nicht immer ein formales Ende

Viele Kriege finden gar kein formales Ende, sie zeichnen sich nur durch die Beendigung von Kampfhandlungen oder Waffenstillstandsvereinbarungen aus. Beispiele sind Nord- und Südkorea. Auch eingefrorene Konflikte sind häufig, gerade unter Beteiligung Russlands, wie der Konflikt mit Georgien.
Die Mehrheit der Kriege sind innerstaatliche Konflikte, die durchschnittlich länger andauern als zwischenstaatliche. Nur circa 30 Prozent aller Kriege enden mit einer militärischen Entscheidung, während in zwischenstaatlichen Kriegen fast die Hälfte mit Verhandlungen endet. Für beide Konflikttypen zusammen gilt, dass ein Drittel ohne klares Ergebnis endet.

Wann enden Kriege?

Kommt es nicht zu einer militärischen Entscheidung in den ersten Wochen, dauern Kriege oft sehr lange. Dann werden Verhandlungen wahrscheinlicher. Das gilt insbesondere dann, wenn beide Seiten sich in einer militärischen Pattsituation wiederfinden, das heißt keine Chance sehen, den Krieg militärisch für sich entscheiden zu können und zugleich glauben, dass Verhandlungen eine realistische Option sind.
Das kann auch durch äußere Einflüsse erzeugt werden, wenn dritte Parteien eine Konfliktseite militärisch unterstützen. Diese "Reifung" ist typischer Ausgangspunkt von Verhandlungen.

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Eine Alternative sind Konflikte, in denen ein "Durchmarsch" für die überlegene Partei zu kostenintensiv und sie daher auf der Basis des Erreichten verhandlungsbereit ist. Scheitern Verhandlungen, muss das keinen Rückfall in Gewalt bedeuten, sondern kann, wenn die Pattsituation anhält, auch in Einfrieren resultieren.

Mögliche Kriegsenden in der Ukraine

Blickt man mit diesem Wissen auf die Ukraine, wird deutlich, dass ein nahes Kriegsende eher unwahrscheinlich ist. Beide Seiten hoffen, den Konflikt militärisch entscheiden zu können. Eine stabile Pattsituation liegt ebenso wenig vor wie ein Glaube, dass Verhandlungen mit der Gegenseite sinnvoll wären. Diese Gemengelage kann sich kurzfristig nur ändern, wenn die militärische Unterstützung der Ukraine wegfiele.

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Da das vermutlich bedeuten würde, dass Russland die Ukraine einnehmen und dann militärisch hochgerüstet weitere europäische Staaten bedrohen würde, ist das aktuell unwahrscheinlich.
Das gilt auch für die Option, einen Wendepunkt durch mehr Unterstützung herbeizuführen. Das ist angesichts der Lage in den USA gegenwärtig unwahrscheinlich.
Wahrscheinlicher ist ein langer Abnutzungskrieg oder ein Einfrieren entlang der Frontlinie. Letzteres wäre für die Ukraine und Europa höchst ungünstig, weil es auf Dauer die Ukraine zu destabilisieren droht.
Egal, wie dieser Krieg aber endet, hat meine Tochter Recht: Am Ende werden alle verloren haben.

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Nicole Deitelhoff ...

... ist Professorin für Internationale Beziehungen und Theorien Globaler Ordnungen an der Goethe-Universität Frankfurt und Direktorin des Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF). Sie lehrt und forscht zu innergesellschaftlichen Konflikten und wie politische Ordnungen versuchen, solche Konflikte einzuhegen.

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