Kolumne

: Die Feinde des Waldes

von Lea Merschformann und Jan Hüsing
29.10.2023 | 07:01 Uhr
Statt idyllischer Landschaft beim Waldspaziergang offenbaren kahle, tote Wälder die Fehler der Vergangenheit. Doch wer sind die wahren Feinde und wie kann man mit ihnen umgehen?

Ein Grund, weshalb gerade große Teile der Wälder sterben, ist der Borkenkäfer. Das kleine Insekt bohrt sich unter die Rinde von Bäumen, wo sich die Leitbahnen befinden - die Wasser- und Nährstoffadern der Bäume. Werden sie beschädigt und unterbrochen, stirbt der Baum. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Terra-X-Kolumne auf ZDFheute

In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

Den einen Borkenkäfer gibt es nicht

Fast jede Baumart hat dabei ihre eigenen Probleme. Bei der Fichte ist das zum Beispiel der Ips typographus, besser bekannt als Buchdrucker, eine Borkenkäferart. Zur Tanne gehört der Tannenborkenkäfer. Im Unterschied zum Buchdrucker sind die Tannenborkenkäfer wesentlich kleiner, sodass man den Befall mit bloßem Auge kaum entdeckt. Stattdessen verwendet man Drohnen, die aus der Luft die abgestorbenen Kronen der Tannen finden. 

Wenn es in Strömen regnet, dann veranstalten Bäume ein regelrechtes Saufgelage. Aber wie kommt das Wasser aus den Wurzeln hoch in die Blätter?

09.06.2017 | 04:29 min
Und bei der Kiefer, einem anderen Nadelbaum, dringt ein Pilz, der Diplodia pinea, über die Nadeln in das Gewebe der Kiefer ein. Nadeln und Holz verfärben sich und sterben ab.

Auch Laubbäume sind gefährdet

Also zum Herbstspaziergang lieber raus in den Laubwald? Es sei denn, dort finden wir vor allem Eschen. Denn das Eschentriebsterben, ebenfalls durch eine Pilzart verursacht, lässt die Bäume nach Befall innerhalb weniger Jahre absterben. Und schaut man auf die Buche, die wichtigste Laubbaumart in Deutschland, ist man wieder bei Borkenkäferarten.

In Deutschland gibt es mehr als 100 Borkenkäferarten und diese richten nicht nur Schaden an.

13.10.2021 | 04:27 min

Leichtes Spiel für Borkenkäfer und Pilze

Fatal ist, dass wir heute leider noch viele Wälder haben, in denen sich nur eine einzige Baumart befindet. Forstleute sprechen dabei von Reinbeständen. Sie sind eine Konsequenz aus Handlungen der letzten 80 Jahre: Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte man schnell aufforsten und hat sich deshalb vor allem für Baumarten entschieden, die schnell wachsen. Über die Wahl der Fichte freut sich heute der Buchdrucker. Im Reinbestand kann er sich ungestört von Baum zu Baum verbreiten und unterschreibt damit das Todesurteil für ganze Wälder.
Wenig überraschend erhält er dabei Unterstützung vom Klimawandel. Vor allem die damit einhergehenden Dürreperioden begünstigen die Verbreitung von Käfern, Pilzen und Viren, denn der Wassermangel schwächt die Abwehrreaktionen der Bäume.

Kahlschlag oder natürliche Dynamik?

Für bewirtschaftete Wälder gilt es, die Verbreitung möglichst schnell einzudämmen. Die Bäume mit Befall müssen gefällt und aus dem Wald transportiert werden. Dafür wird der Schaden durch schwere Maschinen und kahle Wälder in Kauf genommen. Durch Aufforstung werden Wälder geschaffen, die besser durchmischt sind. Risikostreuung durch verschiedene Baumarten ist also das Motto.

Bleibt totes Holz im Wald, verschafft es nachwachsenden Baumgenerationen ein Vorsprung, denn es speichert Wasser und schützt den Boden durch seinen Windschatten vor Erosion. So wird der Wald wieder zu einem Wasserspeicher.

19.08.2021 | 06:33 min
Einen ganz anderen Ansatz verfolgen Nationalparks. Bis auf gefährdete Randgebiete hält sich der Mensch komplett raus. Die toten Fichten bleiben stehen, sterben ab und der Natur wird selbst überlassen, wie sie den Wald der Zukunft gestaltet. Wenn neue Bäume sprießen, wird es zum Glücksspiel, ob die Natur einen klimastabilen Mischwald etabliert und die Fehler des Menschen damit kompensiert.
Dabei gilt in Nationalparks auch in Zukunft für uns Menschen: Finger weg! Wir werden unser Holz weiterhin aus anderen Wäldern nehmen müssen. Denn das ist ja die Idee eines Schutzgebietes.

Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt

Veränderungen im Wald zeigen sich langsam, es braucht Zeit, um Erkenntnisse und Erfahrungen zu sammeln. Daher ist es umso wichtiger, den Klimawandel direkt zu bekämpfen und nicht nur dessen Symptome im Wald zu lindern. 
Die gute Nachricht: Die Natur ist extrem stark und erobert sich entstandene Kahlflächen schnell zurück. Forstleute unterstützen sie dabei, pflegen sie und ergänzen andere Baumarten, sodass wir auch in Jahrzehnten noch die goldene Herbstzeit in (Misch-)Wäldern genießen können!

Wenn sich der Mensch weitgehend raushält, kommen einst vertriebene Waldbewohner zurück. Im Bayerischen Wald sind das Luchse, Wölfe, Fischotter und Auerhuhn.

02.10.2020 | 28:30 min

Jan Hüsing und Lea Merschformann

Forst erklärt ist ein Projekt von sieben Göttinger Studierenden, um das Wissen aus dem Wald ins Internet zu bringen. Jan Hüsing ist Fotograf und studiert Forstwirtschaft und Lea Merschformann leitet als Sozialwissenschaftlerin die Redaktion des Onlineblogs auf forsterklaert.de. Trotz leichter Uneinigkeiten, ob der Regen ausgerechnet während des Festivalwochenendes fallen muss, verbindet beide die Begeisterung für das Ökosystem Wald.

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