Kolumne

: Warum Abstand von Wildtieren gesund ist

von Hannah Emde
07.04.2024 | 08:58 Uhr
Mehr als 700.000 unbekannte Viren in Wildtieren haben das Potential, auf den Menschen überzuspringen. So genannte Zoonosen. Der richtige Umgang mit der Wildnis kann das verhindern.

Egal, wo ich auf der Welt im Einsatz bin: An jedem Ort wird deutlich, wie in der Natur alles mit allem zusammenhängt. Unsere menschliche Gesundheit ist abhängig von wilden Tieren. Das klingt zwar erstmal abwegig, gerade wenn wir in Städten, fernab von Wildtieren, leben. Aber spätestens seit der Corona-Pandemie haben wir am eigenen Leib erfahren, welche enormen Auswirkungen Zoonosen, also Krankheiten, die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden, auf unsere Welt haben können.

Terra-X-Kolumne auf ZDFheute

In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Wildtiere spielen dabei eine zentrale Rolle, obwohl sie nur noch drei Prozent aller Säugetiere ausmachen. Denn sie besitzen ein großes Reservoir für unerforschte Krankheiten. Würden die Wildtiere weiterhin in ihren intakten Ökosystemen leben, ohne menschliche Einwirkungen, Kontaktpunkte oder Verlust von Lebensraum, wäre dies kein Grund zur Sorge. Das Problem liegt darin, wenn sich Mensch und Wildtier zu nahekommen.

Wildtier bleibt Wildtier

Bei meiner Arbeit als Wildtierärztin und auch bei meinen Drehs für "Terra X - Faszination Erde" komme ich Wildtieren selbst sehr nah: In Thailands Städten und Tempelanlagen sind uns ständig Makaken über den Weg gelaufen. Manche von ihnen sind richtig zutraulich, sie hoffen auf Futter. Aber: Langschwanz-Makaken können Krankheiten wie Tetanus, Tollwut oder Tuberkulose übertragen. Es sind sogar schon Fälle von Affenmalaria aus Thailand bekannt.

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Ich verstehe die Faszination für die Tiere nur zu gut. In Thailand werden die Affen sogar verehrt. Aber wir müssen uns immer bewusst machen: Wenn wir den Wildtieren zu nahekommen, sie füttern und an uns gewöhnen, dann werden Bisse und Krankheitsübertragung wahrscheinlicher. Wenn es meine Arbeit nicht erfordert, halte ich prinzipiell erstmal Abstand zu Wildtieren.

Wildtiermärkte: Hotspots der Krankheitsübertragungen

Wir Menschen breiten uns auf unserem Planeten immer weiter aus, dringen tiefer in die Lebensräume von Wildtieren ein und zerstören ihren Lebensraum. Neue Kontaktpunkte zwischen Wild- und Nutztieren und Menschen entstehen und ein Austausch von Krankheitserregern wird wahrscheinlicher.
Besonders gefährlich wird es auf Wildtiermärkten oder im Wildtierhandel, wie ich es auch in der Hauptstadt Gabuns erlebt habe: Wenn hier zwingend notwendige Hygienemaßnahmen oder Schutzvorkehrungen nicht eingehalten werden oder wenn viele unterschiedliche Tierarten auf engsten Raum unter Stress gehalten und verkauft werden, dann öffnen wir damit den Erregern das Tor zur großen weiten Welt.

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Ein leider häufig aufkommendes Beispiel sind Flughunde, die für ihr Fleisch verkauft werden. Fledertiere haben ein enorm gutes Immunsystem und tragen deshalb ein großes Reservoir für Infektionskrankheiten in sich, ohne selbst krank zu werden (wie zum Beispiel Nipahviren in Thailand oder das Ebolavirus in Guinea). Überlebt ein Virus in ihnen, kann es auch relativ leicht auf andere Säuger überspringen.
Begehrt sind ebenfalls Pangoline auf Wildtiermärkten. Sie werden global für ihre Schuppen in der traditionellen chinesischen Medizin gehandelt. Auch diese Säugetiere tragen viele gefährliche Krankheitserreger in sich.

Krankheiten gehen um die Welt

Die Entnahme und der weltweite Handel mit Wildtieren sind ein Teil des Problems. Aber auch der Biodiversitätsverlust, also der Zerstörung von Lebensraum und dem Verlust von Artenvielfalt, sowie die Klimaerwärmung spielen eine bedeutende Rolle bei der Verbreitung von Zoonosen. Denn in ihrem natürlichen Lebensraum sind die Krankheitserreger von Flughund, Pangolin und Co. unbedenklich.

Wie Tiere uns krank machen können: Viele Infektionskrankheiten können von Tieren auf den Menschen überspringen (und umgekehrt). Eine solche Krankheit nennt man Zoonose. Dabei gibt es unterschiedliche Wege.

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Erst wenn sie dieses intakte System verlassen müssen oder die Menschen in ihren Lebensraum eindringen, können sie als Zoonose auf uns Menschen überspringen und gefährliche Infektionskrankheiten wie Ebola oder Aids auslösen. Spätestens Covid-19 hat uns deutlich gezeigt, wie eng die Gesundheit von Menschen, Tier und Umwelt zusammenhängen. Wir müssen diese in Abhängigkeit voneinander betrachten als eine Gesundheit - One Health.

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Gesunde Umwelt, gesunde Tiere, gesunde Menschen

Der Schutz von Wildtieren ist also enorm wichtig für die globale Gesundheitsvorsorge und eine effektive Pandemieprävention. Wenn wir Wildtieren nicht ihren Raum geben, sie nicht wild sein lassen, spüren wir am eigenen Leibe, wie gefährlich es für uns selbst wird. Es ist also ein Win-Win, wenn wir Ökosysteme geschlossen halten, wenn wir Arten und Lebensräume schützen, wenn wir die Wildnis wieder Wildnis sein lassen, um diesen Planeten und auch uns gesund zu halten.

Hannah Emde ...

... ist Moderatorin der Terra X Reihe "Faszination Erde". Die Wildtierärztin und Artenschützerin hat weltweit auf Forschungsstationen und in Schutzprojekten gearbeitet: Sabah/Malaysia mit Bindenwarane, Zibetkatzen und Nebelpardern, in Guatemala mit Großpapageien, auf Madagaskar mit Lemuren, in Costa Rica mit Bullenhaien und Meeresschildkröten. Sie hat hautnah erlebt, wie wichtig Natur- und Artenschutz ist und den Verein "Nepada Wildlife e.V." mitbegründet. Außerdem hat sie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit zum Thema "One Health" beraten.

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