: Darum setzt Afrika auf eigene mRNA-Impfstoffe

von Alexander Glodzinski
22.04.2023 | 07:35 Uhr
In der Corona-Pandemie wurden die Länder Afrikas als letztes mit Impfstoffen versorgt. Die Entwicklung der mRNA-Technologie auf eigenem Boden ist ein Meilenstein für den Kontinent.
Forschungsanlage mRNA-Impfstoffe Afrigen BiologicsQuelle: MPP Photo Hub
Professorin Petro Terblanche kann ihren Stolz kaum verbergen, dass sie es trotz all der Widerstände geschafft haben. Gegen die großen Pharma-Konzerne, die wiederholte Bitten um eine Weitergabe der Patente abgelehnt haben, und obwohl es auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie kaum möglich war Ausrüstung und Rohstoffe für die Forschung zu organisieren.
Die Direktorin von Afrigen Biologics hat ihr Labor im südafrikanischen Kapstadt. In den letzten 18 Monaten haben sie dort mit Partnern aus aller Welt eigenständig eine Technologie entwickelt, mit der Afrika besser für zukünftige Pandemien gewappnet werden soll.

Afrikas erstes Technologiezentrum für mRNA-Impfstoffe eröffnet

Gemeinsam mit Tedros Ghebreyesus, dem Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), hat sie an diesem Donnerstag offiziell den Startschuss für Afrikas erstes Technologiezentrum für mRNA-Impfstoffe verkündet.
Professorin Terblanche bei der Eröffnungsfeier des Technologiezentrums ForschungseinrichtungQuelle: MPP Photo Hub
Ziel des Impfstoffzentrums ist die Weitergabe der Technologie an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Darin liege die größte Bedeutung, sagt Terblanche im Gespräch mit dem ZDF:
Durch den Zugang zu der mRNA-Technologie können Entwicklungsländer schneller, agiler und in kleineren Einheiten reagieren und ihre eigenen Impfstoffe produzieren.
Petro Terblanche, Direktorin Afrigen Biologics

Finanzielle Unterstützung durch WHO und EU

Die Weltgesundheitsorganisation hat das Projekt maßgeblich unterstützt und die Finanzierung durch internationale Partner sichergestellt. Den Großteil des Budgets von bislang 107 Millionen Euro tragen die Europäische Kommission, Frankreich, Deutschland und Kanada.
Professorin Terblanche blickt bereits in die Zukunft. In der Corona-Pandemie sei das Schlimmste überstanden und eine ausreichende Menge an Impfstoffen auf dem Markt. Für Afrika sei jetzt der Fokus auf die Krankheiten wichtig, für die es noch keinen Impfstoff gebe.
Mit ihren Partnern habe sie bereits ein Tuberkulose-Forschungsprojekt begonnen. Viele der Krankheiten in Afrika, sagt Terblanche, hätten für die Industrieländer keine Priorität. "Die Profitspanne ist nicht attraktiv."

Welche Chancen bergen mRNA-basierte Impfstoffe bei Pandemien und schweren Erkrankungen?

14.12.2021 | 05:44 min

Transfer von mRNA-Technologie von Kapstadt in die Welt

Der Erfahrungsaustausch mit elf von insgesamt 15 Partnerländern des Technologiezentrums ist bereits in vollem Gange. Die restlichen vier Länder - Ukraine, Pakistan, Kenia und Nigeria - wollen in den nächsten zwei Monaten mit dem Informationstransfer beginnen.
Biotechnologie-Ingenieure, Pharmazeuten und Wissenschaftler sollen in Kapstadt lernen, eigenständig mRNA-Impfstoffe zu produzieren und das Wissen zurück in die Heimat tragen.
Ohne die Pandemie und ohne den Willen der Partner, zukünftige Pandemien zu verhindern, würde es heute noch keine Impfstoffproduktion in Entwicklungsländern geben.
Petro Terblanche, Direktorin Afrigen Biologics

Harte Lockdowns verschärfte Armut in afrikanischen Ländern

In Afrika schätzen Experten die offiziellen Corona-Fallzahlen Bis Ende 2022 auf etwa 12 Millionen. Eine WHO-Studie geht jedoch davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen um ein Vielfaches höher liegen und mehr als zwei Drittel der Menschen auf dem Kontinent infiziert waren.
Während weltweit rund 70 Prozent der Weltbevölkerung mindestens einmal gegen Covid-19 geimpft wurden, sind es in Afrika gerade einmal 24,9 Prozent der Bevölkerung.
Aufgrund von mangelnder Verfügbarkeit von Impfstoffen und der Angst vor einer ungebremsten Ausbreitung, haben viele afrikanische Länder mit harten Lockdowns und Grenzschließungen auf das Virus reagiert. Die Folgen für den Kontinent waren vor allem langfristig wirtschaftlich verheerend.

Mit eigenen Impfstoffen gegen Impfskepsis in Afrika

Die Afrikanische Entwicklungsbank schätzt, dass 55 Millionen Menschen in Afrika während der Pandemie unter die Armutsgrenze gerutscht sind. Die UN Economic Commission for Africa befürchtet, dass zwei Jahrzehnte Fortschritt in der Armutsbekämpfung zunichte gemacht wurden.
Professorin Petro Terblanche hofft sogar die Impfskepsis in Afrika mit eigenen Impfstoffen zu überwinden. Die Angst vor Nadeln sei weit verbreitet auf dem Kontinent, sagt sie. Deshalb würden sie in dem Technologie-Zentrum bereits Tests mit Pflastern durchführen. Afrika werde bald schon damit beginnen, Impfstoffe für die eigenen Bedürfnisse zu produzieren.

Thema

Mehr über Impfstoffforschung