Interview

: "Ein Aushängeschild für unsere Wissenschaft"

31.12.2022 | 07:45 Uhr
Der EnMAP-Satellit umkreist die Erde und sorgt mit seinen Aufnahmen für wichtige Infos über den Zustand unserer Umwelt. Dr. Walther Pelzer spricht über das Projekt und seine Ziele.
Der EnMAP-Satellit umkreist seit neun Monaten die Erde. Dabei macht er detailgetreue Aufnahmen von unserem Planeten, die bei Landwirtschaft und Umweltschutz helfen sollen.Quelle: EnMAP Commissioning Phase data 2022/DLR
Der Umweltsatellit EnMAP ist das Steckenpferd der deutschen Raumfahrt. Seit neun Monaten umkreist er die Erde und liefert wichtige Daten, die beim Schutz unserer Umwelt helfen sollen. Dr. Walther Pelzer von der deutschen Raumfahrt Agentur erklärt, was an dem Satelliten so besonders ist.
ZDFheute: Neun Monate ist EnMAP im All - welches Ziel hat die Mission ?
Walther Pelzer: Wir haben den Umweltsatelliten auf die Umlaufbahn unsere Erde gebracht, um wichtige Informationen über ihren Zustand zu erhalten. Mit den Daten, die der Hyperspektralsatellit aufnimmt, können wir erstmalig proaktiv auf Umweltveränderungen reagieren. Das Ziel der Mission ist einen Fingerabdruck von jeder Kachel der Erde zu nehmen und uns ein Bild über Zustand und Zukunft der Region zu machen.

EnMAP-Satellit auf der Erdumlaufbahn

Der EnMAP-Satellit umkreist seit neun Monaten die Erde. Dabei macht er detailgetreue Aufnahmen von unserem Planeten, die bei Landwirtschaft und Umweltschutz helfen sollen.

Quelle: EnMAP Commissioning Phase data 2022/DLR

ZDFheute: Viele optische Satelliten umkreisen die Erde - was kann EnMAP, was andere nicht können?
Pelzer: Das ist der erste Hyperspektralsatellit mit einer feinen Auflösung von 242 Kanälen, mit denen er das sichtbare und das ultraviolette Licht aufnimmt und von jedem Stoff einen Fingerabdruck nimmt, der auch etwas über die Beschaffenheit des Elements sagt. Es wird zum Beispiel deutlich: Geht es einer Pflanze gut, braucht sie Dünger, fehlt Wasser, wie wird es ihr morgen gehen?
ZDFheute: Welche Lücke wird mit diesem Satelliten geschlossen?
Pelzer: Europa hat mit Copernicus das beste zivile Erdbeobachtungsprogramm. Im Bereich der Hyperspektralanalyse schließt der Satellit eine technische Lücke. Diese Leistungsstärke hat es bislang nicht gegeben.

Dr. Walther Pelzer ist...

Quelle: DLR
... Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR mit Standort in Bonn. Pelzer studierte an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen Maschinenbau und promovierte anschließend am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie. Zusätzlich absolvierte er einen berufsbegleitenden MBA in Zürich, St. Gallen und Bonn. Zwischen 1999 und 2007 hatte er verschiedene Positionen in in- und ausländischen Unternehmen inne, darunter Führungsfunktionen bei der Degussa AG (später FERRO Corp.) und der Pankl Racing AG. Von 2007 bis 2015 war Walther Pelzer Gruppenleiter, später ständiger Vertreter der Abteilungsleitung der Abteilung Forschung und Technologie des NRW-Ministeriums für Innovation, Wissenschaft und Forschung.
ZDFheute: Welche Trends auf der Erde können mit EnMAP ausgelesen werden?
Pelzer: Was ist aus geologischer Sicht in der Erde. Wie sieht es mit dem Zustand des Bodens, des Wassers, der Vegetation aus. Wasserverschmutzung, Müll kann identifiziert und nachverfolgt werden. Das Algenwachstum in Häfen. Aber auch Methanaufnahmen wurden in Ölfeldern identifiziert und nachverfolgt - bereits in den ersten zwei Monaten.
ZDFheute: Was kann man aus dem Orbit besser sehen als vor Ort?
Pelzer: Die Umweltkrise ist ein globales Problem. Das heißt Einzelmaßnahmen, die wir an bestimmten Orten machen, wirken sich an anderen Orten aus. Natürlich hat der Landwirt für seine Parzelle einen besseren Blick, aber der globale Blick erlaubt mit einer Zeitreihe eine bessere Analyse. Man erkennt durch Zeitreihen, welche Nährstoffe in Zukunft fehlen werden, um in einer bestimmten Region dieses oder jenes Produkt anzubauen.
ZDFheute: Was sagt die Mission über die Leistungsfähigkeit der deutschen Raumfahrt?
Pelzer: Es ist ein absolutes Aushängeschild für unsere Wissenschaft, aber auch für die Leistungsfähigkeit der Industrie. Die Bauzeit des Satelliten betrug neun Jahre, da wir am Rande des technologisch Machbaren waren.
ZDFheute: Wer profitiert von den Aufnahmen, den Daten?
Pelzer: Deutschland betreibt Raumfahrt, um das Leben auf der Erde besser zu machen und mit diesem Satelliten liefern wir Daten der gesamten Menschheit - zur Sicherung der Ernährung der Weltbevölkerung. Wir bewegen uns auf zehn Milliarden Menschen zu. Die Daten werden helfen beim smart-farming, bei der Entwicklung von Regionen, da man zum Beispiel erkennen wird, wo kann man was anbauen auf welchem Boden.

Was ist EnMAP?

Der deutsche Umweltsatellit EnMAP (Environmental Mapping and Analysis Program) ist der erste in Deutschland entwickelte und gebaute Hyperspektralsatellit. Mit seinen beiden Spektrometern analysiert er die von der Erdoberfläche reflektierte Sonnenstrahlung vom sichtbaren Licht bis hin zum kurzwelligen Infrarot in einer bisher nicht verfügbaren spektralen Auflösung. Daraus lassen sich präzise Aussagen über Zustand und Veränderungen der Erdoberfläche ableiten. Dies ermöglicht die Beantwortung aktueller Fragen aus den Bereichen Umwelt und naturnahe Ökosysteme, Land- und Forstwirtschaft, Landnutzung, Wasserwirtschaft und Wassergüte sowie Mineralogie und Geologie in verschiedenen Maßstabsebenen.

Wer steckt hinter EnMAP?

Die Umweltmission EnMAP wird von der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geführt. Mit der Entwicklung und dem Bau des Satelliten sowie des Hyperspektralinstrumentes wurde die OHB-System AG beauftragt. Die Mission steht unter der wissenschaftlichen Leitung des GeoForschungszentrums Potsdam (GFZ).
EnMAP liefert Daten über Umweltveränderungen, zum Beispiel in Folge von Klimawandel, Umweltverschmutzung und Biodiversitäts-Verlust.
ZDFheute: Wie ist das Interesse an dem Projekt?
Pelzer: Wir haben seit zwei Monaten circa 2.000 Zugriffe auf die Archivdaten, die gemacht werden. Jeden Tag kommen viele Nutzer hinzu - weltweit. Spezielle Anfragen für Aufnahmen aus dem All gibt es circa 50.
Das Interview führte Sylvia Bleßmann. Sie ist Redakteurin im ZDF-Landesstudio Berlin.

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