FAQ

: Wird in Deutschland das Trinkwasser knapp?

von Katharina Schuster
09.07.2023 | 08:23 Uhr
Noch gibt es hierzulande genug Trinkwasser. Doch infolge der globalen Erderwärmung trocknet auch Deutschland langsam aus. Was Wasserknappheit begünstigt und was sich ändern muss.
Auch Deutschland verliert Grundwasser.Quelle: picture alliance / SvenSimon
Waldbrände in Kanada, Hitzetote in Spanien, Dürre in Frankreich: Beim Gedanken an Wasserknappheit - also dem akuten Mangel an trinkbarem Süßwasser - wird den wenigsten Deutschland in den Sinn kommen. Doch Fakt ist, die Bundesrepublik trocknet langsam aus. Um das Ausmaß zu erfassen, hilft ein Blick aus dem Weltraum:
Satellitendaten zeigen, dass Deutschland in 20 Jahren Wasser im Umfang des Bodensees verloren hat. Das ist unvorstellbar viel Wasser.
Jay Famiglietti, Global Institute for Water Security in Kanada
Die Daten der Grace-Satelliten vom Global Institute for Water Security in Kanada (GIWS), der National Aeronautics and Space Administration (Nasa) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zeigen: Deutschland verliert jährlich 2,5 Kubikkilometer Süßwasser.

Deutschland leidet unter der Trockenheit der letzten Wochen. In den Berchtesgadener Alpen sind Hüttenwirte wegen schwindender Wasservorräte besorgt.

15.07.2023 | 01:57 min

Klimawandel: Deutschland mit hohen Wasserverlusten

Damit gehöre Deutschland "zu den Regionen mit den höchsten Wasserverlusten", so Famiglietti. Selbst für den erfahrenen Forscher sei das "eine schockierende Überraschung" gewesen. Weltweit haben ihn die "klar definierten Muster" überrascht:
Die Regionen der hohen und niedrigen Breitengrade, also die feuchten Gebiete, werden immer feuchter und die mittleren Breiten, also die bereits trockenen Gebiete, werden immer trockener.
Jay Famiglietti, Global Institute for Water Security in Kanada

Wasserknappheit führt zu Ernteausfällen

Zu wenig Regen kann zu Ernteausfällen führen. Auch in Deutschland. Doch während hierzulande auf Alternativen zurückgegriffen werden kann, leiden Menschen in armen Ländern Hunger.

Quelle: dpa

Dürrejahre 2018 bis 2021 ließen Grundwasser sinken

Mehr als 70 Prozent des deutschen Trinkwassers wird aus Grundwasser gewonnen. Und das sinkt laut Recherchen von Correctiv dramatisch. Das Recherchezentrum hat erstmals Daten von rund 6.700 Grundwassermessstellen erhoben.
Die Befunde:
  • An knapp der Hälfte aller ausgewerteten Messstellen ist das Grundwasser in den Dürrejahren zwischen 2018 und 2021 auf den tiefsten Stand seit 1990 gefallen.
  • Insgesamt ist in den vergangenen 32 Jahren der Grundwasserstand mehr gesunken als gestiegen.
ZDFheute Infografik
Wie es um die Grundwasserspiegel an den Messstellen bundesweit steht - sehen Sie hier:
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Bundesweit gibt es bislang keinen flächendeckenden Wassermangel, jedoch deutliche regionale Defizite.

Hier wird laut Umweltbundesamt am meisten Wasser entnommen:
  • Energieversorgung (mehr als 44 Prozent)
  • verarbeitendes Gewerbe und öffentliche Wasserversorgung (jeweils knapp 27 Prozent)
  • Landwirtschaft (mehr als 2 Prozent)

Wie viel Trinkwasser verbrauchen wir in Deutschland?

Doch warum wird Süßwasser überhaupt knapp? Am privaten Verbrauch zu Hause liegt es nicht. Tatsächlich hat der Trinkwasserverbrauch in deutschen Haushalten in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) betrug der tägliche Verbrauch pro Haushalt im Jahr 1990 noch 147 Liter, heute liegt er bei 125 Litern.
ZDFheute Infografik
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Gründe dafür: sparsamere Haushaltsgeräte und ein bewussterer Umgang mit der Ressource Wasser.
Allerdings: Wer trinkt, kocht oder seine Kleidung wäscht, benötigt Wasser - das bezeichnen Expert*innen als "direkten Wasserverbrauch". Und der trägt nur zu einem geringen Teil zur Wasserknappheit bei.
Das eigentliche Problem: ist die "indirekte oder virtuelle Wassernutzung". Dahinter steckt die Wassermenge, die für die Herstellung eines Lebensmittels oder Produkts verwendet, verdunstet oder verschmutzt wird. Wir exportieren mit unserem Konsum quasi die Umweltprobleme in die Herstellungsländer der wasserintensiven Produkte wie Kaffee, Fleisch oder Technik.
Wie viel an Wasser eine Person nun tatsächlich - also direkt und indirekt - benötigt, erfassen Fachleute mit dem Indikator "Wasserfußabdruck". Der Befund für Deutschland: Laut einer Studie der Technischen Universität Berlin im Auftrag des Umweltbundesamts sind das pro Kopf 7.200 Liter täglich (Stand: 2022) - so viel wie 48 gefüllte Badewannen.

Wer sind die größten Verursacher von Wasserknappheit?

Im Gespräch mit ZDFheute ermahnt Forscher Famiglietti die Industrie. Sie sei der weltweit größte Wasserverbraucher. Über 80 Prozent aller Wasserentnahmen entfallen auf sie, insbesondere auf die Lebensmittelindustrie. Ein weiteres großes Problem sei, dass Wasserquellen zunehmend privatisiert werden.
Um die Wassersicherheit in Deutschland und weltweit zu verbessern, sind ein starkes Engagement der Industrie und ein neues Maß an Wasserverantwortung der Unternehmen unerlässlich.
Jay Famiglietti, Global Institute for Water Security in Kanada
ZDFheute Infografik
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Zeitgleich verstärkt die Klimakrise mit ihren Folgen die Wasserknappheit:
  • Trockene Regionen werden noch trockener.
  • Steigende Temperaturen führen zu einem erhöhten Wasserbedarf in der Landwirtschaft.
  • Wetterextreme machen die Niederschläge unberechenbarer.
  • Naturkatastrophen beschädigen die Wasserinfrastruktur.
  • Überflutungen verseuchen Wasservorräte.
Aber auch die wachsende Weltbevölkerung ist ein Grund. Mit ihr steigt selbstverständlich der Bedarf an sauberem Trinkwasser und Lebensmitteln, die bewässert werden müssen.

Wann könnte Trinkwasser in Deutschland knapp werden?

Das "Wann" festzulegen, sei schwierig, stellen Famiglietti und die deutsche Umweltwissenschaftlerin Claudia Pahl-Wostl übereinstimmend gegenüber ZDFheute fest.
Der Zeitpunkt sei von einer Reihe von Faktoren abhängig:
  • genaue Ausprägungen des Klimawandels in den nächsten Jahren
  • welche Maßnahmen die Politik ergreift, um die Wasserversorgung zu sichern
  • Maßnahmen zur Erhöhung der Wasser-Speicherung in der Landschaft
  • Maßnahmen zur Reduktion des Wasserverbrauchs
  • wie mit regionalen Wasser-Nutzungskonflikten umgegangen wird
Laut Claudia Pahl-Wostl "wird es sehr wahrscheinlich", dass in den nächsten Jahren "Nutzungskonflikte zwischen der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung, Bewässerung in der Landwirtschaft sowie gewerblicher und industrieller Wassernutzung" weiter zunehmen werden. "Ich gehe einmal davon aus, dass dabei der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung Priorität eingeräumt wird."
Ebenso sei eine regional und zeitlich beschränkte Wasserknappheit "im Sommer in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich" und entsprechend werden auch zeitlich begrenzte Einschränkungen von Wassernutzungen (z.B. Bewässerung der Gärten) weiter zunehmen. 
Aber eine breite und andauernde Rationierung von Trinkwasser, wie das in Kapstadt der Fall war, halte ich für sehr unwahrscheinlich.
Claudia Pahl-Wostl, Umweltwissenschaftlerin

Zahlen und Fakten zu Süßwasser

  • Die Erde ist mit circa 71 Prozent hauptsächlich von Wasser bedeckt.
  • Doch davon sind 97,5 Prozent salziges Meerwasser und nicht trinkbar.
  • Nur 2,5 Prozent sind trinkbares Süßwasser.
  • Von den 2,5 Prozent trinkbarem Süßwasser sind nur etwa 0,3 Prozent durch Flüsse, Bäche und Seen direkt zugänglich.
  • 68,9 Prozent des Trinkwassers sind vereist, 30,8 Prozent sind im Grundwasser.
  • Mehr als 70 Prozent des deutschen Trinkwassers wird aus Grundwasser gewonnen.
  • Etwa 2,2 Milliarden Menschen weltweit haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Was gilt es jetzt zu tun, um die Probleme der Zukunft abzuschwächen?

Aktuell ist in Deutschland ausreichend Wasser vorhanden. Damit das "auch in 30 Jahren noch so ist", hat das Bundesumweltministerium 2021 eine Nationale Wasserstrategie entwickelt. Der Koalitionsvertrag der Ampel-Bundesregierung sieht vor, rund 80 Maßnahmen bis zum Jahr 2030 zu ergreifen.
Unser klares Ziel: Sauberes Wasser muss immer und überall in Deutschland ausreichend verfügbar sein.
Steffi Lemke, Bundesumweltministerin

Bernd Heinz vom Wasserwerk Hengsen erklärt die Arbeitsschritte, wie aus dem Flusswasser der Ruhr Trinkwasser gewonnen wird. Dieser Prozess dauert drei bis vier Tage.

28.09.2020 | 02:22 min
Die Unesco fordert in ihrem Weltwasserbericht weltweit ein umweltschonendes Wassermanagement.

Um Wasserknappheit vorzubeugen, helfe ganz konkret:
  • Wälder aufforsten
  • Feuchtgebiete wie Moore wiederherstellen
  • bessere Reinigung von Abwässern
  • Felder nachhaltig bewässern
  • nachhaltige Wasserprojekte fördern
  • mehr Grünflächen in den Städten, damit Regenwasser nicht direkt verdunstet
  • Begrünung von Dächern in den Städten
Dieser Artikel wurde erstmals am 26.05.2022 veröffentlicht.

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