: Wie gelingt Landwirtschaft in der Klimakrise?

von Katharina Schuster
11.09.2022 | 16:17 Uhr
Hitze, Hagelschlag, Dürre - Wetterextreme lassen Ernten schrumpfen. Die Landwirtschaft befindet sich im Wettlauf mit dem Klimawandel. Forscher*innen und ein Landwirt ziehen Bilanz.
Winzer beklagen Sonnenbrand an Weinstöcken in FreyburgQuelle: dpa
Bei dem Regenwetter vielerorts scheint der Dürre-Sommer womöglich schon vergessen. Der sonnigste und viertwärmste Sommer seit Messbeginn scheint zu Ende. Nicht so für Landwirt Sebastian Leitner. Zum einen, weil es bei ihm in Franken immer noch nicht ausreichend regnet. Und zum anderen, weil ihn die Dürre 2022 mit voller Wucht getroffen hat.
Am Montag haben wir zum Beispiel unsere Sojabohnen gedroschen. Wir hatten im Durchschnitt immer zwei Tonnen Ertrag pro Hektar. Wir waren dieses Jahr bei 400 Kilo. Das sind 20 Prozent von dem Ertrag, den wir sonst haben.
Sebastian Leithner, betreibt Ackerbau und Rindermast
"Alle Früchte, die im Frühjahr ausgesät wurden, haben unter der Dürre extrem gelitten", bilanziert Leithner. Das Wintergetreide, das im Herbst ausgesät wurde, habe die Trockenheit deutlich besser verkraftet. Einen Ausgleich für seine Verluste erhält der Landwirt nicht. Ein bis zwei Jahre könne man das überbrücken. "Aber wenn die Trockenheit in Zukunft häufiger wird, dann wird es schwierig."

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30.06.2023 | 01:38 min

Erntebilanz 2022 - ein Zeugnis der Klimakrise

Ende August veröffentlichte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ihren Erntebericht 2022. Die Bilanz zeigt: Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa gibt es große Ernteverluste - in einigen Regionen bis über 50 Prozent. In Einzelfällen gibt es auch Totalausfälle.
Dabei gebe es große regionale Unterschiede, so der Agrarökonom Christoph Gornott, der am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung die Arbeitsgruppe "Anpassung in Agrarsystemen leitet". An den Küstenstandorten gebe es sogar überdurchschnittliche Erträge. Ganz anders sehe das in Mitteldeutschland aus, in Sachsen-Anhalt oder Brandenburg, wo der Boden sehr sandig sei und wenig Wasser speichern könne.
Wir sehen aber in fast allen Regionen in Deutschland, dass die nutzbare Feldkapazität, also das, was an Wasser für die Pflanze zur Verfügung steht, deutlich geringer ist - teilweise bis zu 75 Prozent weniger als in den vergangenen Jahren.
Christoph Gornott, forscht am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
Wichtig sei zu differenzieren: "Zum einen spielen die Niederschläge eine Rolle, aber auch die Temperaturen, die zu einer höheren Verdunstung führen", so Gornott.
ZDFheute Infografik
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Wie man Landwirtschaft an die Klimakrise anpassen kann

Aktuell wird in Deutschland auf 2,3 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche bewässert, stellt Katrin Drastig gegenüber ZDFheute fest. Das sei wenig im internationalen Vergleich. "In Deutschland produzieren wir vor allem regenwasserbasiert", so Drastig, die am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam die Arbeitsgruppe "Wasserproduktivität in der Landwirtschaft" leitet.
Eine wichtige Maßnahme sei es daher, das Regenwasser noch effizienter zu nutzen, in dem man es sammelt. Das zahle sich für den Landwirt allein deshalb aus, da weniger Bewässerungswasser bereitgestellt und damit bezahlt werden müsse. Außerdem schlägt Drastig vor, regenwasserbasierte Landwirtschaft zu zertifizieren.

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Zwischenfrüchte, Bodenpflege, frühe Saat

In Deutschland sollten zudem sogenannte "Bewässerungs-Steuersysteme" stärker eingesetzt werden. Diese helfen dem Landwirt zu entscheiden, wann die Pflanzen Wasser benötigen und wieviel. Für die Steuerung gebe es gute Apps.
Um den Folgen der Klimakrise für die Landwirtschaft zu begegnen, brauche es ein Zusammenspiel weiterer Maßnahmen:
  • Bodenoberfläche aufrauen, damit Wasser besser eindringen kann
  • Krusten im Unterboden aufbrechen
  • Mulch- und Direktsaat verwenden, um unproduktive Verdunstung aus dem Boden zu vermindern
  • möglichst früh säen, um der Frühjahrstrockenheit zu begegnen
  • trockentolerante Sorten beim Anbau wählen
  • stresstolerante Pflanzen in die Fruchtfolge einbauen (also Zwischenfrüchte, die ermöglichen, dass tiefere Bodenschichten erschlossen werden können, z.B. Lupine)

Landwirt wünscht sich mehr Autonomie

Maßnahmen, die von Landwirten wie Sebastian Leithner zum Teil auch schon umgesetzt werden. Außerdem bereitet er seine Böden optimal für seinen tierischen Verbündeten vor - den Regenwurm. Dieser grabe seine Gänge bis an die Oberfläche. Wenn Regen falle, gelange das Wasser so in den Untergrund.
Doch die Idee, Regenwasser für die Bewässerung zu sammeln, sei für ihn logistisch nicht umsetzbar. Um einen Hektar Fläche ausreichend zu bewässern, brauche er etwa 30 Liter pro Quadratmeter, also 300.000 Liter pro Hektar. Bei seinen 90 Hektar Anbaufläche käme da eine Riesenmenge Wasser zusammen.
Bei der Auswahl der Ackerkulturen (Weizen, Gerste, Raps etc.), das ist dem Landwirt wichtig zu erwähnen, gelte es zwingend, Monokulturen zu vermeiden.
Je größer die Vielfalt auf den Feldern in einem Jahr ist, desto kleiner ist das Risiko, Totalausfälle zu bekommen.
Sebastian Leithner, Landwirt
Am Ende brauche es aber regionale Lösungen, resümiert Leithner. Dabei wünscht er sich mehr Autonomie in seinem Betrieb. "Wir müssen schauen, dass wir unsere Böden in Ordnung halten. Das ist das A und O. Und da muss uns die Agrarpolitik auch einfach mal machen lassen. Weil nur wir kennen unsere Böden richtig gut", stellt er fest.

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