: KI-Einsatz: Kein großes Vertrauen in Behörden

von Jan-Frederik Fischer
15.09.2024 | 16:00 Uhr
Immer öfter setzt die Polizei bei der Verbrechensbekämpfung auch auf Künstliche Intelligenz. Doch wie kommt das bei 25- bis 34-Jährigen an? Eine ZDF-Umfrage gibt Antworten.

Nach dem islamistischen Terroranschlag in Solingen steht fest: Geht es nach der Ampel, sollen Strafverfolgungsbehörden mehr KI einsetzen dürfen. Wie ändert sich die Polizeiarbeit?

14.09.2024 | 09:29 min
Wenn Polizisten einen Tatort untersuchen, sammeln sie schon längst nicht mehr nur DNA-Spuren oder Blutreste, sondern suchen auf Laptops oder Smartphones auch nach digitalen Spuren. Das Problem: Oft sind die sichergestellten Datenmengen so groß, dass sie kaum mehr manuell ausgewertet werden können. In diesen Fällen setzen die Beamten immer öfter auf Künstliche Intelligenz als digitalen Helfer.

ZDF-Umfrage bei jungen Erwachsenen zum Einsatz von KI

Doch wie groß ist das Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden, dass sie beim Einsatz von KI nach Recht und Gesetz handeln? Nicht besonders groß. Das ergibt eine repräsentative Umfrage unter 25- bis 34-Jährigen, die das ZDF zu dem Schwerpunkt "KI - die neue Realität?" veröffentlicht hat.
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Demnach stimmen knapp vier von zehn Befragten der Aussage "Ich habe großes Vertrauen darauf, dass die Strafverfolgungsbehörden in Deutschland KI nach den gültigen Gesetzen und Datenschutzbestimmungen einsetzt" gar nicht, nicht zu oder eher nicht zu (39,7 Prozent).
Für den Rechtswissenschaftler und IT-Experten Dennis Kipker von der Universität Bremen ist das ein fatales Ergebnis:
In einem Rechtsstaat sollte hier das Vertrauen normalerweise deutlich höher ausgeprägt sein.
Dennis-Kenji Kipker, Professor für IT-Sicherheitsrecht

Vertrauen in staatliche Strukturen schwindet

Kipker verweist jedoch auf weitere Umfrageergebnisse, die nahe legten: "Dass es weniger um das fehlende Vertrauen in die Technologie KI an sich geht, sondern stärker um das fehlende Vertrauen in diejenigen Institutionen, die KI einsetzen."
Dies könnte zum einen mit dem Ausbau der Überwachungsgesetzgebung - wie etwa Chatkontrolle, Onlinedurchsuchungen und Vorratsdatenspeicherung - als auch mit einem erodierenden Vertrauen in staatliche Strukturen zusammenhängen.
In jedem Falle ist dieser Wert alarmierend und hier sollte dringend gegengesteuert werden, da er nicht nur KI betreffen dürfte.
Dennis-Kenji Kipker, Professor für IT-Sicherheitsrecht

Die Bundesregierung möchte mit zwei KI-Zentren das Entwicklungstempo und die Sicherheit für Künstliche Intelligenz aus Deutschland erhöhen.

19.07.2024 | 01:28 min

Künstliche Intelligenz bei der Polizei?

Trotz der Bedenken: Schon jetzt ist absehbar, dass Künstliche Intelligenz die Verbrechensbekämpfung verändern könnte. So hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor etwa einem Monat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der Beamten künftig die Möglichkeit geben solle, automatisierte Gesichtserkennung im Internet einsetzen zu dürfen.
Der Vorschlag galt auch als Reaktion auf die Festnahme der ehemaligen RAF-Terroristin Daniela Klette, die mit Gesichtserkennungsoftware von einem Journalisten gefunden wurde.
Jetzt - nach dem islamistischen Terroranschlag in Solingen - hat die Bundesregierung ein umfangreiches Sicherheitspaket auf den Weg gebracht. Eine der geplanten Maßnahmen: Um Tatverdächtige identifizieren zu können, soll die Polizei öffentlich zugängliche Bilder, etwa in sozialen Medien, mit biometrischen Daten abgleichen können.
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Gesichtserkennung gegen Verbrechen wird befürwortet

Doch unterstützen dies auch junge Erwachsene? Auf die Frage "Sollte man zum Zwecke der Verbrechensbekämpfung Deiner Meinung nach KI einsetzen (z.B. Videoüberwachung), auch wenn es zu Lasten des Datenschutzes geht?" antworten 21,7 Prozent mit ja. Knapp die Hälfte (46,9 Prozent) sagt eher ja.
Gleichzeitig befürworten mehr als 50 Prozent "überall" die Aufstellung von Kameras mit Gesichtserkennung, um Kriminalität und Verbrechen schneller und effizienter aufzudecken.
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Für den Rechtswissenschaftler Kipker ist das nicht überraschend:
Verbrechen ist 'Unrecht' und deshalb scheint es für viele nur naheliegend, jede Technologie einzusetzen, die vorhanden ist, um dieses Unrecht zu beenden.
Dennis-Kenji Kipker, Professor für IT-Sicherheitsrecht
Vor allem das Vertrauen in KI zur Gesichtserkennung sei außerordentlich groß. Würde man es räumlich eingrenzen, könnte es laut Kipker sogar noch gesteigert werden.

Die Umfrage zum Thema "KI und Verbrechensbekämpfung" ...

… ist im Rahmen des ZDF-Schwerpunkts "KI - die neue Realität?" entstanden. 1.000 Personen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren nahmen an der Befragung teil. Die Zahlen sind repräsentativ für diese Altersgruppe in Deutschland. Die Befragung fand vom 22. bis 28. Juli 2024 statt.

ZDF-Schwerpunkt: KI - Die neue Realität?

Künstliche Intelligenz hält immer mehr Einzug in unseren Alltag. Die neue Dramaserie "Concordia - Tödliche Utopie" greift das Thema fiktional auf. Doch wie sieht es in der Realität aus?

Wie stark beeinflusst KI unseren Alltag - und welche Chancen und Risiken sind mit ihr verbunden? Redaktionen von ZDF und 3sat haben sich intensiv mit diesen Fragen auseinandergesetzt und rund um die Ausstrahlung von "Concordia - Tödliche Utopie" ein umfangreiches Begleitprogramm mit neuen Dokumentationen und Beiträgen zusammengestellt. Es geht unter anderem um den Einsatz von KI in der Landwirtschaft, in der Kulturbranche, bei der Trauerarbeit und im Krieg. Mehr Informationen finden Sie hier: KI - die neue Realität?.

Die Manipulation durch künstliche Intelligenz erreicht eine neue Dimension: Menschen sagen oder tun scheinbar Dinge, die sie nie gesagt oder getan haben. Wie groß ist die Gefahr?

13.04.2021 | 30:33 min

Terrorismus, Menschenhandel, Fake-News: Wo KI einsetzen?

Bei der Verbrechensbekämpfung müssen sich die Behörden neu aufstellen, um mit Kriminellen mithalten zu können. Doch welchen Verbrechen räumen die Befragten eine Priorität ein? Die Antwort: Terrorismus. Mit 40,6 Prozent nannten die Befragten die Antwort am häufigsten, gefolgt von Missbrauchsfällen (32,2 Prozent) und Menschenhandel (31,1 Prozent).
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Für Kipker zeigen die Zahlen, dass eher abstrakte Delikte - wie Steuerbetrug oder Finanzbetrug - gegenüber medienwirksamen Kapitalverbrechen in den Hintergrund treten würden.
Hier wird stark mit dem psychischen Element des 'persönlichen Unrechtsbewusstseins' gearbeitet.
Dennis-Kenji Kipker, Professor für IT-Sicherheitsrecht
Auffällig sei jedoch, dass für Frauen Missbrauchsfälle eine deutlich höher Relevanz hätten als für Männer. Für sie ist es sogar die zweithäufigste Antwort. Bei Männern sind hingegen auch IT-bezogene Vorfälle wie Fake-News oder Cybercrime im Vergleich zu Frauen von größerer Bedeutung.
Dies kann auch darauf zurückzuführen sein, dass für diese Personengruppe vorrangig über das Internet initiierte Kriminalität eine höhere Relevanz besitzt.
Dennis-Kenji Kipker, Professor für IT-Sicherheitsrecht

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