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: Vogelgrippe bei Menschen - was heißt das?

04.07.2024 | 10:50 Uhr
Das Vogelgrippe-Virus breitet sich unter Rindern in den USA aus. In Milchviehbetrieben haben sich bislang auch vier Menschen infiziert. Fragen und Antworten.

In den USA sind Kühe an H5N1 erkrankt. Das Friedrich-Loeffler-Institut fand heraus: Auch das deutsche Virusisolat kann Kühe infizieren.

03.07.2024 | 02:25 min
Zum vierten Mal innerhalb weniger Monate ist in den USA ein Mensch an Vogelgrippe erkrankt, nachdem er Kontakt mit infizierten Milchkühen hatte - diesmal im Bundesstaat Colorado. Wie bei den bisherigen Fällen habe die Frau in einem Milchviehbetrieb mit Kühen gearbeitet, bei denen das H5N1-Virus nachgewiesen worden sei, teilte die Gesundheitsbehörde mit. Die Patientin habe lediglich leichte Symptome an den Augen gezeigt und ein antivirales Medikament erhalten. Seitdem habe sie sich erholt.
Das Virus H5N1 kursiert seit Jahrzehnten verstärkt unter Vögeln, inzwischen nahezu weltweit. In den vergangenen Monaten greift es zunehmend auf Säugetiere über, unter anderem auf Milchvieh in den USA. Forscher sind überrascht und zunehmend besorgt. Fragen und Antworten.

Werden wir es schaffen, die Vogelgrippe aus unserer Milchviehwirtschaft rauszuhalten? Besteht Gefahr für uns Menschen? Wie ist die Prognose? Wir sprechen mit Martin Beer.

03.07.2024 | 05:21 min

Um was für ein Virus geht es?

H5N1 ist ein Influenza-A-Virus wie die beim Menschen kursierenden Erreger der saisonalen Grippe. Seit 1997 werden verstärkt auf H5N1 zurückgehende Ausbrüche erfasst, erklärt Martin Beer, Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI). Seit 2016 breite sich fast weltweit eine Untervariante des Erregers aus, die sogenannte Klade 2.3.4.4b. Folge waren verheerende Ausbrüche bei Wildvögeln, auch Geflügel. Seltener waren Säugetiere wie Meeressäuger, Nerze, Füchse und Bären betroffen.

Ein Virus bereitet Fachleuten derzeit Sorgen: H5N1. Der Erreger der Vogelgrippe erobert neue Gebiete und neue Wirte, jetzt sogar Milchkühe in den USA. Was könnte auf uns zukommen? Arzt- und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht im Gespräch.

03.07.2024 | 07:09 min

Wie passierte der Sprung zum Rind?

Nach derzeitigem Stand gehe der Ausbruch bei Rindern in den USA womöglich auf einen einzelnen Eintrag zurück, erklärt FLI-Experte Beer. Wie diese Übertragung vom Wildvogel auf eine Kuh ablief, sei unklar. Doch eines wissen Forscher inzwischen: "Gelangt das Virus ins Euter, vermehrt es sich dort sehr stark", sagt Beer. Das liege auch an den Rezeptoren im Euter: Sie seien perfekte Andockstellen für die H5N1-Variante - ähnlich wie die Rezeptoren bei Vögeln.
Das Euter ist für das Virus quasi ein Huhn.
Martin Beer, Vizepräsident Friedrich-Loeffler-Institut
Über verunreinigtes Melkgeschirr gelange der Erreger zu anderen Milchkühen, durch Transporte in immer neue Betriebe und Regionen. Noch lasse sich nicht absehen, ob die Gegenmaßnahmen in den USA greifen, so Beer. "Es kann sein, dass der Spuk in einiger Zeit vorbei ist. Wenn das Virus inzwischen nicht schon lernt, effizient über die Nase von Rind zu Rind weitergegeben zu werden."

Was bedeutet der Sprung auf Rinder?

Weltweit werden nach Angaben Beers 1,5 Milliarden Rinder gehalten. Entstünde aus H5N1 eine neue, global auftretende Rindergrippe, stiege auch das Risiko für andere Nutztiere - etwa, wenn verunreinigte Rohmilch an Schweine verfüttert wird. Hinzu kommt: Ein Säugetier ist dem Menschen biologisch näher als ein Vogel. Das Zoonose-Risiko - also das für einen Übergang vom Tier auf den Menschen - kann abhängig von den erfolgten Anpassungen größer sein.

Der Vogelgrippe-Erreger wurde auf dem antarktischen Festland nachgewiesen. Vor allem Pinguine sind gefährdet. Forschende arbeiten an einem Impfstoff.

07.03.2024 | 04:27 min

Wie stecken sich Menschen bei Rindern an?

Bei Menschen wurden in den USA bislang vier Fälle im Zusammenhang mit dem Ausbruch in der Milchviehhaltung erfasst. Jedes Mal sei eine Bindehautentzündung eines der Symptome gewesen, erklärt Beer.
Der Mensch hat die Vogelgrippe-Rezeptoren im Auge.
Martin Beer, Vizepräsident Friedrich-Loeffler-Institut
Fasst sich ein Arbeiter zum Beispiel beim Melken ans Auge, kann der Erreger andocken. Pasteurisierte Milch gilt als unbedenklich, wie gerade eine im "Journal of Virology" vorgestellte Studie bestätigte.

Vogelgrippe in der Antarktis: Tiermediziner Timm Harder erklärt die Auswirkungen.

07.03.2024 | 04:55 min

Wie verläuft eine Infektion bei Menschen?

So viel Tierleid mit der Untervariante 2.3.4.4b verbunden ist - für Menschen ist sie zunächst harmloser als zuvor kursierende H5N1-Formen. Der Erreger sei stark an Vögel angepasst, erklärt Beer. Seit 2016 habe es durch Viren dieser Klade weniger als 20 erfasste und meist milde Infektionen bei Menschen gegeben - bei anderen Varianten zuvor seien es hunderte gewesen.
Das Virus an sich ist also harmloser für Menschen - und doch auch nicht, weil es schon wegen der schieren Masse an Infektionen in Vogelpopulationen öfter den Weg zu Säugetieren findet. Die können eine Art "Mischbatterie" sein, wie Beer erklärt: Sei etwa ein Nerz oder ein Schwein mit verschiedenen Influenza-A-Formen infiziert, könne ein neuer, für Menschen gefährlicherer Erreger entstehen.
Es ist schon sehr wichtig, dass man H5N1 auf dem Schirm hat.
Martin Beer, Vizepräsident Friedrich-Loeffler-Institut
Auf den Risikolisten für eine Vogelgrippe-Zoonose liege der Erreger aber "nur" im Mittelfeld.

Wäre es wie bei der Corona-Pandemie?

Der Chef-Virologe der Berliner Charité, Christian Drosten, bezeichnete H5N1 mit Blick auf die Ausbreitung in den USA als möglichen Pandemie-Kandidaten. Beer erläutert: "Die Situation ist eine ganz andere als bei Sars-CoV-2", erläutert Beer. Influenza-Stämme werden schon lange überwacht. Vorbeugend würden regelmäßig Kandidaten-Impfstoffe für eine schützende Impfung gegen potenziell eine Pandemie verursachende Varianten festgelegt. Ein solcher Impfstoff sei kürzlich von 15 EU-Ländern geordert worden. Vorsorglich geimpft werden damit bereits Mitarbeiter finnischer Pelztierfarmen.

Corona-Aufarbeitung bei "illner" - unter anderem mit dem Virologen Christian Drosten.

28.06.2024 | 61:09 min
Quelle: dpa, AFP

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