: Nützliche Ureinwohner unserer Bäche
von Julia Disselmeyer
06.05.2023 | 13:09 UhrDie Flussperlmuschel ist in Deutschland fast ausgestorben. Noch vor wenigen Jahrzehnten fanden sich Millionen in deutschen Bächen und Flüssen.
11.05.2023 | 29:45 minWo sind sie nur, die Flussperlmuscheln? Wolfgang Degelmann vom Bund Naturschutz und Rebecca Höß von der TU München stehen in einem Bach im fränkischen Regnitzlosau in der Nähe von Hof und suchen den Boden ab.
Sie sind zwei von mehreren Naturschützer*innen in Deutschland, die die Tiere retten wollen.
Die Flussperlmuschel hat mit 230 Millionen Jahren Geschichte einiges auf diesem Planeten erlebt. Sie gehört mit zu den ältesten noch existierenden Tieren, die wir überhaupt auf diesem Planeten haben.
"Sie hat den Dinosaurier kommen und gehen sehen, und jetzt sind wir Menschen vielleicht diejenigen, die ihr final das Licht ausknipsen."
Sendehinweis plan b
Die Doku "Im Glanz der Krone" können Sie am Samstag, den 6. Mai 2023 um 17.35 Uhr im TV und jederzeit in der ZDF-Mediathek sehen.
Perlen - wertvolles Innenleben
Noch knapp 30.000 Exemplare leben im Dreiländereck in Bayern. Früher waren es viele Millionen Tiere, die Bäche schwarz vor lauter Muscheln. Wegen ihrer Perlen waren sie heiß begehrt. Aber nur in einer von zweitausend Muscheln findet sich überhaupt so ein Schatz. Um ein Schmuckstück herzustellen, mussten die Muscheln daher in Massen geerntet werden. Die seltenen, wertvollen Perlen zierten Kronen von Königen und Kaiserinnen.
Heute ist die Perlmuschel fast ausgestorben und steht unter Naturschutz. Es geht es nicht mehr um ihre Perlen - die Muschel selbst ist der Schatz. Denn pro Tag filtert sie 40 Liter Wasser und trägt so zur Wasserqualität bei. Doch intensive Land- und Forstwirtschaft setzt ihr gehörig zu.
Flussperlmuscheln fehlt der Nachwuchs
Die Umweltschützer*innen fanden heraus: Die "jüngsten" Muscheln in ihrer Region sind mindestens 50 Jahre alt, viele noch älter. "Wir können es vergleichen mit einem Hospiz", sagt Degelmann. "Wir haben hier einen völlig überalterten Bestand, die Jugend fehlt komplett".
Der Grund: Babymuscheln vergraben sich für sechs Jahre im Bachbett, um dort heranzuwachsen. Dafür brauchen sie Kiesboden, der jedoch zunehmend verschlammt. Denn rund um die Bäche gibt es immer weniger Wiesen und immer mehr Äcker. Es fehlen Pflanzen, die den Boden zurückhalten, wenn es regnet oder windig ist. Zu viel Erde gelangt ins Wasser und verstopft das Kiesbett. Die Jungmuscheln ersticken.
Keine Muscheln ohne Bachforelle
Nur mit einem großangelegten Zuchtprogramm lässt sich das Muschelsterben noch aufhalten. Die Aufzuchtstation Huschermühle in Regnitzlosau ist eine von mehreren in Europa. Der Aufwand ist enorm, denn das Fortpflanzungssystem der Flussperlmuschel ist nicht nur faszinierend, sondern auch kompliziert - denn ohne Fische keine Muscheln.
Die Larven der Flussperlmuschel brauchen ein Wirtstier - die Bachforelle. Sie krallen sich in den Fischkiemen fest und wachsen dort heran. Gut geschützt kommen die Larven so durch den Winter. Für die Fische sind sie lästig, aber nicht tödlich. Sind die Larven groß genug, lassen sie sich als Jungmuscheln fallen und vergraben sich im Kiesbett.
Erster Muschel-Jahrgang kommt in die Freiheit
Diesen Prozess imitieren die Naturschützer*innen in der Aufzuchtstation. Wenn sich die Babymuscheln aus den Kiemen der Bachforelle fallen lassen, werden sie aufgefangen, gefüttert und in sogenannte Lochplatten gesetzt. Gut geschützt kommen sie darin zurück in den Bach, wo sie wöchentlich gereinigt und kontrolliert werden. Nach sechs Jahren werden die Tiere ausgewildert und sich selbst überlassen.
Diesen Sommer ist es zum ersten Mal so weit. Die Muscheln aus dem allerersten Nachzuchtzyklus dürfen zurück in die Freiheit. "Das ist ein Riesenerfolg", sagt Degelmann. "Es funktioniert. Die Arbeit, die wir uns gemacht haben, trägt Früchte." Die Umweltschützer*innen hoffen, den Bestand so auf lange Sicht zu sichern.