: USA: Wann endet Polizeigewalt gegen Schwarze?

von Ramon Mebrahtu, Washington D.C.
02.02.2023 | 08:02 Uhr
Der durch Polizeigewalt getötete Tyre Nichols ist in Memphis beigesetzt worden. Auch nach der Beerdigung fragt man sich in den USA: Wie kann rassistische Gewalt gestoppt werden?
"Es sollte kein weiteres Kind mehr geben, das so leidet wie mein Sohn und alle Eltern hier, die ihre Kinder verloren haben", sagt RowVaughn Wells mit zittriger Stimme. Die in schwarz gekleidete Mutter von Tyre Nichols spricht schluchzend auf der Beerdigung ihres Sohnes.
Tyre Nichols wurde am 7. Januar 2023 bei einer Verkehrskontrolle in Memphis von fünf schwarzen Polizisten angehalten. Er sei "rücksichtslos gefahren", nannten die Polizeibeamten als Grund. "Ich habe nichts getan", sagte der Schwarze Nichols und rannte weg.

Fünf Polizisten attackierten unbewaffneten Nichols

Nachdem die fünf Polizisten ihn verfolgt hatten, verprügelten die Beamten den 29-Jährigen mit einem Knüppel, traten ihn und schossen mit einer Elektroschockpistole auf den unbewaffneten Mann.
Dabei verletzten sie den am Boden liegenden Nichols so schwer, dass er drei Tage später im Krankenhaus starb. Die dreiminütige Eskalation wurde von den Bodycams der Polizisten und von Umgebungskameras aufgezeichnet.
Das mit Bodycams der Polizeibeamten festgehaltene tödliche Vorgehen wurde veröffentlicht:

28.01.2023 | 01:16 min

Polizeichefin: Vorgehen der Beamten "abscheulich"

"Das war nicht nur ein professionelles Versagen, sondern auch ein menschliches Versagen einer anderen Person gegenüber. Dieser Vorfall war abscheulich, rücksichtslos und unmenschlich", sagte die Polizeichefin in Memphis, Cerelyn "CJ” Davis, in einem auf YouTube veröffentlichten Statement.
Nichols wurde gestern beigesetzt. Durch die Trauerveranstaltung führte der Pastor und Bürgerrechtsaktivist Al Sharpton. An die fünf schwarzen Ex-Polizisten gerichtet, sagte er:
Dass ihr euch wie die Menschen verhaltet, gegen die wir für unsere Rechte kämpfen, um Türen zu öffnen, ist beleidigend.
Al Sharpton, Pastor und Bürgerrechtsaktivist

Angehörige von George Floyd bei Beisetzung

Auch die Familien von anderen durch Polizeigewalt getöteten Schwarzen nahmen an der Veranstaltung teil. Darunter die Angehörigen von George Floyd, Botham Jean, Eric Garner und Breonna Taylor. Die Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten, Kamala Harris, hielt eine Rede.
Tweet von Kamala Harris
In Memphis wurden die fünf Beamten rund zwei Wochen nach der Eskalation mit Tyre Nichols vom Dienst suspendiert. Sie hätten übermäßige Gewalt angewendet, seien nicht eingeschritten und hätten keine erste Hilfe geleistet, so die Polizei Memphis.

Warum auch schwarze Polizisten rassistisch handeln

Die Ex-Polizisten wurden außerdem angeklagt wegen Mordes zweiten Grades, schwerer Körperverletzung und Kidnapping. Das teilte der Bezirksstaatsanwalt Steve Mulroy bei einer Pressekonferenz mit.
Immer mehr Beispiele für Polizeigewalt in den USA ergeben ein erschreckendes Bild:
Breonna Taylor, Eric Garner oder George Floyd. Sie alle wurden bei einem Polizeieinsatz von weißen Polizisten getötet. Es folgten in den USA jeweils große Proteste gegen Polizeigewalt und systemischen Rassismus - bei George Floyd sogar weltweit.
Auch wenn Tyre Nichols von schwarzen Polizisten getötet wurde, Rassismus sei es trotzdem, kommentiert der Autor und Anwalt Van Jones in einem CNN-Beitrag.
Schwarze Menschen sind nicht immun gegen anti-schwarzen Rassismus.
Van Jones, Anwalt und Autor

Jones: Polizisten sehen Gegenden als "Kriegsgebiet"

"Die Botschaft der Gesellschaft, dass schwarze Menschen unterlegen, unwürdig und gefährlich seien, kann nicht nur die Gedanken weißer Menschen infiltrieren, sondern auch die Gedanken schwarzer Menschen", erklärt Jones. "Selbsthass ist echt".
Für Jones gibt es einen weiteren Grund für die Gewalt: "Schwarze Polizisten werden oft in Polizeidienststellen sozialisiert, die bestimmte Gegenden als Kriegsgebiet betrachten. In diesen Gegenden leben vor allem Schwarze, Braune und Menschen mit niedrigem Einkommen."

Mutter RowVaughn fordert Polizeireform

Ben Crump, der Anwalt der Familie Nichols, sagte auf der Beerdigung über die fünf Polizisten:
Warum haben sie in Tyre keinen Menschen gesehen? Wir müssen dafür sorgen, dass sie uns als Menschen wahrnehmen, die Respekt und Gerechtigkeit verdienen.
Ben Crump, Anwalt Nichols-Familie
Crump weiter: "Wir wollen für Tyre Nichols nicht irgendeine Gerechtigkeit, sondern gleichberechtigte Gerechtigkeit."
Damit sowas nie wieder passiert, wünscht sich Tyre Nichols Mutter RowVaughn Wells außerdem, dass der "George Floyd Justice in Policing Act” verabschiedet wird.
Amerika auf dem Prüfstand:: Der Tod von George Floyd hat die USA verändert

Kommt der "George Floyd Justice in Policing Act"?

Dieses Gesetz soll Minderheiten vor ungerechter Behandlung durch Strafverfolgungsbehörden schützen. Polizeibeamte, die gegen Gesetze verstoßen, könnten dadurch einfacher angezeigt werden. Das Gesetz verbietet auch den Würgegriff.
Anlass war der Tod des Schwarzen George Floyd, der im Mai 2020 von einem weißen Polizisten in Minneapolis ermordet wurde.
Die Republikaner blockierten den Gesetzesentwurf im Jahr 2021. Das Gesetz würde die Polizei schwächen, so die Begründung. US-Präsident Joe Biden will sich demnächst mit Mitgliedern des "Congressional Black Caucus" treffen und über eine "echte Polizeireform" sprechen, teilte seine Sprecherin mit.

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