: Schulleiter-Mangel: Ein Posten ohne Prestige?

von Dorthe Ferber
09.03.2023 | 05:11 Uhr
In Deutschland herrscht Schulleitungsmangel. In Nordrhein-Westfalen fehlen derzeit gar an jeder zehnten Grundschule Rektor oder Rektorin. Woran liegt das? Und was schafft Abhilfe?
Schulleiter werden - nein, danke: Vielen Lehrkräften fehlen die Anreize.Quelle: dpa
Seit drei Jahren leitet Anne Köhler eine Grundschule in Ratingen in NRW - kommissarisch als Konrektorin, denn die Leitungsstelle ist unbesetzt. Auf die Stellenausschreibung gab es nur eine einzige Bewerbung, Köhlers eigene. Denn ein Rektorenposten an einer Grundschule ist für viele Lehrkräfte unattraktiv.
Die Gründe: viel Verantwortung, aber nur wenig zusätzliche Vergütung. Denn ein Rektor oder eine Rektorin bekommt netto nur wenige 100 Euro mehr als die anderen im Kollegium. Und die Schulleitung muss sich immer um den Mangel kümmern, schließlich fehlen überall Lehrerinnen und Lehrer - Vertretungspläne und Unterrichtsausfall sind Alltag.  

Der Lehrermangel sei auf ein "demographisches Problem" zurückzuführen, so die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz Astrid-Sabine Busse, die für mehr Ausbildung plädiert.

27.01.2023 | 05:17 min

Besetzungssituation kann sich weiter verschärfen

Mit mehr Geld wollte das nordrhein-westfälische Schulministerium mehr Lehrkräfte in Grundschulen bringen. Gerade hat es die Gehälter für Grundschullehrer angehoben, auf die Besoldungsgruppe A13. Nur sind die Gehälter für die Schulleitungen gleich geblieben und das hat unerwünschte Folgen.
Dadurch ist natürlich die Differenz noch geringer geworden und Leitung ist finanziell noch unattraktiver.
Anne Köhler, Konrektorin an einer Grundschule
Das sieht auch die Schulleitungsvereinigung Nordrhein-Westfalen so, die die Anhebung der Besoldung zwar für richtig hält, zugleich aber mit neuen Verwerfungen rechnet. "Es kann erwartet werden, dass sich die Besetzungssituation für offene Leitungsstellen weiter verschärfen wird", sagt der Vize-Vorsitzende Harald Willert. 

Schulleitung: Für viele kein Job mehr zum Weiterempfehlen

"Herausfordernd" und "anspruchsvoll" nennt das NRW-Schulministerium die Aufgaben einer Schulleitung. In den vergangenen Jahren kämpften Rektorinnen und Rektoren mit Pandemie und Bürokratie, dazu kommt die Integration vieler geflüchteter Kinder und die Digitalisierung des Unterrichts.
Schon 2021 sagten in einer Umfrage des Verbandes Erziehung und Bildung 46 Prozent der Befragten, dass sie ihren Schulleitungsjob eher nicht weiterempfehlen würden. Neben dem Umgang mit dem Lehrkräftemangel wurde die Arbeitsbelastung als wichtiger Grund genannt.  
ZDFheute Infografik
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Entlastungs- und Fortbildungsstunden sollen helfen

Das Düsseldorfer Schulministerium versucht einiges, um die Leitungsstellen attraktiver zu machen: Rektorinnen und Rektoren bekommen zusätzliche "Entlastungsstunden" und mehr Schulverwaltungsassistenzen. Zudem sollen angehende Schulleitungen mit mehr als 100 Fortbildungsstunden gut auf die Aufgabe vorbereitet werden.
Erst dann dürfen sie am "Eignungsfeststellungsverfahren" teilnehmen. Aber auch das kann unerwünschte Auswirkungen haben, sagt Konrektorin Köhler. Sie hat gerade beim Eignungsfeststellungsverfahren die Bestnote knapp verfehlt und darf sich erst wieder in einem Jahr bewerben:
Das bedeutet, dass sie mich dort verabschiedet haben mit den Worten: "Sie sind nicht geeignet, eine Schule zu leiten. Sie dürfen jetzt aber nach Hause fahren und weiterhin ein Jahr lang eine Schule leiten."
Anne Köhler, Konrektorin an einer Grundschule

Lehrermangel ist deutschlandweit akut und so gravierend wie seit 50 Jahren nicht, so der Lehrerverband. Rund 12.000 Stellen sind aktuell unbesetzt.

27.01.2023 | 01:48 min

Trotz Bemühungen keine Besserung in Sicht

Der Mangel an Schulleitungen ist seit Jahren bekannt, aber trotz aller Bemühungen hat sich die Lage nur wenig verbessert, gerade an den Grundschulen. Hier sind weit überwiegend Frauen beschäftigt, die wegen des "Nebenjobs Familie" oft noch stärker als Männer auf gute Arbeitsbedingungen angewiesen sind.
In Nordrhein-Westfalen führte auch der Versuch, Schulleitung in Teilzeit anzubieten, nicht zum gewünschten Erfolg. Denn es bleibt der Frust, als Schulleitung dauerhaft mit dem Mangel an Lehrkräften umgehen zu müssen. Und solange es an der Basis fehlt, dürfte es weiter auch an der Spitze dünn bleiben.
Dorthe Ferber ist Leiterin des ZDF-Studios Nordrhein-Westfalen.

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