: Lokführer mit 2,8 Promille unterwegs

16.12.2022 | 14:09 Uhr
Glimpflich ausgegangen ist eine Bahnfahrt in Stuttgart: Der Lokführer war schwer betrunken, verpasste Haltestellen und schimpfte per Lautsprecher auf seinen Arbeitgeber.
Einfahrende S-Bahn in StuttgartQuelle: imago
Mit satten 2,8 Promille intus ist ein S-Bahn-Fahrer von der Stuttgarter Bundespolizei aus dem Verkehr gezogen worden. Der sturzbetrunkene 43-Jährige habe zuvor an manchen Stationen nicht gehalten, Türen gar nicht oder erst mit Verspätung geöffnet. Bei Durchsagen soll der Mann über seinen Job und Arbeitgeber gelästert haben.
Bevor er ins Krankenhaus kam, gab er an, schon vor Dienstbeginn Alkohol getrunken zu haben, wie eine Sprecherin der Bundespolizei am Freitag sagte. Laut Deutscher Bahn (DB) wird der Mitarbeiter bis auf weiteres nicht mehr im Fahrbetrieb eingesetzt.

Schutzmechanismus trotz Trunkenheit betätigt

Das Ganze hätte deutlich schlimmer enden können: Seinen Dienst hatte der Mann laut Bundespolizei am Donnerstag um 13.38 Uhr angetreten, festgenommen wurde er erst am späten Abend. Ob er zu Beginn der Schicht deutlich betrunkener war oder zwischendurch noch Alkohol getrunken hat, war zunächst unklar. "Der Mann ist noch nicht vernehmungsfähig", sagte die Sprecherin am Vormittag. Bis dato hätten keine Reisenden gemeldet, dass es vorher schon Probleme gegeben habe.

Wann beginnt Alkohol-Abhängigkeit?

Das sind Kriterien für Alkohol-Abhängigkeit:

  • starkes Verlangen oder Drang, Alkohol zu trinken
  • Schwierigkeiten zu kontrollieren, wann und wie viel man trinkt
  • Entzugserscheinungen, wenn man weniger trinkt
  • Verlust an anderen Interessen neben Alkohol
  • Trinken trotz körperlicher, psychischer oder sozialer Schäden durch Alkohol 
  • immer mehr Alkohol nötig für die gleiche Wirkung (Toleranzentwicklung)  
Wer mindestens drei Punkte mit Ja beantwortet, gilt als abhängig.

Folgen des Alkohol-Konsums

Mit erhöhtem Alkohol-Konsum steigt das Risiko für ...

  • psychische Erkrankungen
  • Gehirnschäden: Gedächtnis, Konzentration, Urteilsvermögen und Intelligenz können dauerhaft beeinträchtigt werden
  • aufgedunsenes Gesicht
  • Krebserkrankungen in Mundhöhle, Rachen, Speiseröhre, Leber, Enddarm und weiblicher Brustdrüse
  • Bluthochdruck
  • Herzmuskel-Erkrankungen
  • Lebererkrankungen
  • Entzündungen der Bauchspeicheldrüse und Magenschleimhaut
  • Übergewicht und typischer Bierbauch
  • Impotenz und verminderte sexuelle Erlebnisfähigkeit
  • fetales Alkoholsyndrom
  • Schädigung der Nerven: Zittern, Kribbeln, Taubheit 

Offensichtlich schaffte er es die ganze Zeit, einen Schutzmechanismus zu betätigen: Lokführer müssen alle 30 Sekunden eine spezielle technische Vorrichtung, die sogenannte Sicherheitsfahrschaltung, bedienen. Wenn sie das nicht tun, bleibt der Zug stehen.

Zwölf Zwischenhalte bis zum Stopp

Aufgeflogen war die Promille-Fahrt, als die S6 gegen 22.30 Uhr an der Station Rutesheim vorbeirauschte. Eine dort wartende Frau, die ihre Tochter abholen wollte, alarmierte die Polizei. An der Endhaltestelle Weil der Stadt habe er nach bisherigen Erkenntnissen alle Passagiere aussteigen lassen, sagte die Sprecherin. Die Strecke vom Stuttgarter Hauptbahnhof bis dorthin dauert nach Angaben der Bahn planmäßig fast 40 Minuten. Zwölf Zwischenhalte liegen auf dem Weg.
Der 43-Jährige sei dann einfach weitergefahren, sagte die Sprecherin. Der Fahrer habe noch eine ungeplante Schleife gemacht, bis er von sich aus am Bahnhof Korntal-Münchingen stehen geblieben sei. Dort nahmen Beamte ihn fest. Er habe freiwillig einen Alkoholtest gemacht.

Sprecherin: Alkohol bei der DB tabu

Was der S-Bahn-Fahrer bei den Durchsagen konkret gesagt hat, blieb im Unklaren. Die Sprecherin der Bundespolizei sagte lediglich, der Mann habe sich "sichtlich negativ über seinen Arbeitgeber geäußert".
Gegen den Mann wird nun wegen des Verdachts auf gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr ermittelt. Eine DB-Sprecherin teilte mit, nach einem solchen Vorfall werde der Triebfahrzeugführerschein des Mitarbeiters sofort eingezogen und dem Eisenbahnbundesamt übergeben.
Alkoholmissbrauch im Führerstand ist kein Kavaliersdelikt.
Sprecherin der Deutschen Bahn
Generell sei Alkoholkonsum überall im Unternehmen tabu, sagte sie. An allen Arbeitsplätzen gelte eine Null-Promille-Regelung. Regelmäßig müssten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gesundheitschecks machen.

Ähnlicher Fall aus Niedersachsen

Nach Angaben der Bahn und der Bundespolizei ist ein solcher Fall eine Seltenheit. Die Sprecherin der Bundespolizei sprach von einem "herausragenden" Sachverhalt. "So haben wir das noch nie gehabt." Sie erinnerte sich nur an einen Vorfall, bei dem ein Betrunkener in einem Führerhaus gesessen hatte. Dieser habe die Bahn aber nicht gesteuert.
Im Januar hatte die Bundespolizei in Niedersachsen einen betrunkenen Lokführer aus dem Verkehr gezogen. Er war mit einer Lok von Oldenburg nach Wilhelmshaven gefahren, um einen Kesselwagen abzuholen. Ein Mitarbeiter bemerkte, dass der Mann Schwierigkeiten beim Rangieren hatte. Ein Atemalkoholtest ergab einen Wert von 2,17 Promille.
Quelle: dpa

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