: Potzel: Botschaften in Kabul wieder öffnen

25.12.2022 | 01:08 Uhr
Der frühere deutsche Botschafter Markus Potzel plädiert dafür, dass Deutschland und andere westliche Nationen ihre Botschaften in Kabul wieder öffnen.
Als die Taliban in Afghanistan vorrückten, zogen etliche Staaten ihre Diplomaten aus Kabul ab. Quelle: ap
Der stellvertretende Afghanistan-Beauftragte der Vereinten Nationen, Markus Potzel, hat sich für eine Wiedereröffnung der Botschaften Deutschlands und weiterer westlicher Staaten in Kabul ausgesprochen.
Der frühere deutsche Botschafter in Afghanistan sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Sonntag):
Mein Appell wäre, dass wieder mehr westliche Staaten hier vertreten sind.
Markus Potzel, früherer deutscher Botschafter in Afghanistan
Man könne die Lage besser einschätzen, wenn man im Land sei. Deutschland und andere westliche Staaten hätten Interessen in Afghanistan, das dürfe man nicht vergessen, sagte er.

2021: Taliban übernehmen die Macht, westliche Botschaften schließen

Im August 2021 übernahmen die militant-islamistischen Taliban wieder die Macht in Afghanistan, nachdem Präsident Aschraf Ghani nach einer Offensive der Islamisten aus dem Land geflohen war.
Westliche Staaten schlossen ihre diplomatischen Vertretungen und evakuierten ihr Personal. Die Taliban hatten zunächst versprochen, gemäßigter zu regieren als zur Zeit ihrer Schreckensherrschaft von 1996 bis 2001.

Seit 20 Jahren wütet Krieg in Afghanistan und hat Hunderttausende Menschen das Leben gekostet.

28.06.2021 | 87:34 min

Frauen und Mädchen werden aus dem öffentlichen Leben verdrängt

Zuletzt aber wurden mehrmals Menschen öffentlich ausgepeitscht und ein Mann öffentlich hingerichtet. Frauen werden zunehmend aus dem öffentlichen Leben gedrängt.
Erst diese Woche verhängten die Taliban ein Verbot für Frauen, Universitäten zu besuchen. Bislang hat nicht ein Land der Welt die Regierung der Taliban anerkannt.

Seit die Taliban in Afghanistan die Macht haben, hat sich das Leben vieler Frauen und Mädchen stark verschlechtert.

20.07.2023

Nur wenige Botschaften in Afghanistan aktiv

Potzel sagte weiter, "Botschaften zu eröffnen muss nicht einhergehen mit einer Anerkennung des Taliban-Regimes". Dem Westen sei an einem stabilen Afghanistan gelegen, in dem sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nicht weiter ausbreite und keine Drogen angebaut würden.
Der Westen habe auch ein Interesse daran, dass den Menschen im Land Perspektiven geboten würden, "damit sich eine Flüchtlingswelle, wie wir sie 2015 gesehen haben, nicht wiederholt", sagte Potzel.
Das alles seien Interessen, für die es lohne, sich einzusetzen und vor Ort präsent zu sein. Aktuell sind einzelne Botschaften in Kabul aktiv, etwa die Vertretungen Chinas, Russlands, von Katar oder jene der Nachbarländer Usbekistan, Iran und Pakistan.

Humanitäre Lage in Afghanistan "prekär"

Die humanitäre Lage im Land beschrieb Potzel als "prekär". Er beklagte eine Zwickmühle: Einerseits wolle man das Regime nicht unterstützen, andererseits wolle man die Menschen im Land nicht im Stich lassen.

Armut

Quelle: epa
Im gesamten Land ist die Wirtschaft zusammengebrochen. Das bedeutet, dass immer weniger Menschen in Afghanistan noch arbeiten und Geld verdienen können. Außerdem funktioniert das System der Banken in Afghanistan nicht mehr richtig; deshalb kommt dort im Moment niemand so leicht an Geld.

Hunger

Quelle: ap
Weil es in Afghanistan gerade so schwierig ist, arbeiten zu gehen, werden die Menschen immer ärmer. Viele müssen hungern, einige haben nicht mal genug sauberes Wasser zum Trinken und Waschen. Das ist besonders für Kinder extrem gefährlich. Sie können dadurch schnell krank werden.

Das war schon vor der Herrschaft der Taliban so, wird aber jetzt immer schlimmer, auch durch den sehr kalten Winter. Experten vom Welternährungsprogramm der UNO sagen, dass im Moment mehr als die Hälfte aller Einwohner und Einwohnerinnnen des Landes hungern.

Schlechte medizinische Versorgung

Hilfsorganisationen waren in den vergangenen Jahren in Afghanistan, um den Menschen zu helfen. Viele haben ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber nun aus dem Land geholt. Sie fürchten nämlich, dass sie dort wegen der Taliban nicht mehr in Sicherheit arbeiten können. Diejenigen, die geblieben sind, haben nicht genügend Medikamente und technische Geräte, um die zahlreichen Kranken zu versorgen. Und auch in den Krankenhäusern kann vielen Menschen nicht mehr ausreichend geholfen werden.
Während die Not zunehme, gebe es international eine sinkende Bereitschaft, Afghanistan zu helfen. "Und mit ihren drakonischen Maßnahmen, wie wir sie zuletzt gesehen haben, machen es die Taliban den Geberländern auch nicht einfach."
Quelle: dpa

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