FAQ

: Warum Übung keine Provokation gegen Putin ist

von Nils Metzger
12.06.2023 | 12:03 Uhr
Ein fiktives Militärbündnis besetzt Deutschland: Das ist das Szenario des Riesen-Manövers "Air Defender 23". Hunderte Flugzeuge sind im Einsatz. So trainieren die Nato-Staaten.

Koordiniert von der Bundeswehr läuft die größte Verlege-Übung der Luftwaffe seit NATO-Beginn an. Diese aber betont: Die Übung diene lediglich der eigenen Verteidigung.

12.06.2023 | 02:49 min
Für die kommenden zwei Wochen herrscht im Himmel über Deutschland militärischer Großbetrieb. Beim Manöver "Air Defender 23" trainieren 25 Nato-Staaten den Ernstfall: Sollte die Nato angegriffen werden, kann sich das Bündnis dann effektiv im Luftraum verteidigen? Darum geht es beim größten Luftmanöver seit Gründung der Nato.

Was wird bei "Air Defender" genau trainiert?

Bei "Air Defender 23" stehen die Luftstreitkräfte im Fokus. Tritt der Nato-Bündnisfall ein, müssten innerhalb von kürzester Zeit große Mengen an Militärgerät von den USA nach Europa verlegt werden. Transport- wie Kampfflugzeuge unterschiedlichster Nationen müssen gemeinsam funktionieren.
Deutschland ist die logistische Drehscheibe bei sämtlichen Operationen, die im Rahmen von Landes- und Bündnisverteidigung erfolgen werden. Und die wird natürlich auch getestet. Wie gut läuft diese Verlegung? Wie gut läuft das hier in der Bundesrepublik Deutschland ab? Und daraus kann man dann Lehren für den Ernstfall ziehen.
Carlo Masala, Universität der Bundeswehr
Militärstandorte in ganz Deutschland müssen jetzt unter Beweis stellen, dass sie Kapazitäten haben, um diese zusätzlichen Flugzeuge und Personal aufzunehmen und zu versorgen. Beim Manöver geht es also gleichermaßen um Logistik wie um Kampfstärke.
ZDF-Korrespondent Florian Neuhann über das Luftverteidigungsmanöver:

Die Truppenübung sende u.a. eindeutige „Signale Richtung Russland“, so ZDF-Korrespondent Florian Neuhann. Zudem liefere es den Beleg für die militärische Abhängigkeit von den USA.

12.06.2023 | 02:14 min

Diese Flugzeuge nehmen an den Übungen teil

Eine große Bandbreite an Szenarien soll bei "Air Defender" trainiert werden. Von der Abwehr feindlicher Jets und Drohnen über Begleitschutz fliegen bis hin zum Unterstützen von Bodentruppen im Gefecht ist alles dabei. Allein am Montag sind laut Bundeswehr 146 Starts geplant.
Am Bundeswehr-Fliegerhorst in Wunstorf, Niedersachsen, sind für die Dauer der Übung etwa US-Transportmaschinen vom Typ C-130 und C-17 stationiert. Auch rumänische C-27 kommen dazu. Das Spezialpionierregiment 164 hat dafür extra ein mobiles Tanklager für 2,4 Millionen Liter Kerosin in Wunstorf errichtet.
F-15, F-16, F-18, F-35, Gripen, Eurofighter - ein Großteil der aktuell in der Nato genutzten Kampfjet-Typen sind derzeit zu Gast in Deutschland. Die US-Luftwaffe stationiert vorübergehend sogar ihre berühmten Kampfflugzeuge vom Typ A-10 in Lechfeld in Bayern und Hohn in Schleswig-Holstein. Sie sind dafür gemacht, im Tiefflug Bodenziele wie Panzer und Fahrzeuge anzugreifen.
Extra aus den USA eingeflogen: Eine A-10 Thunderbolt II auf dem Militärflugplatz Lechfeld in Bayern.Quelle: epa

Szenario der Übung: "Occasus-Allianz" greift Deutschland an

Die Übung soll möglichst realistisch ablaufen und hat darum ein greifbares Szenario: Das fiktive Militärbündnis "Occasus" greift die Nato an und hält rund ein Viertel Deutschlands mit Bodentruppen besetzt. Nun versucht sie nach Norden vorzustoßen und den Rostocker Hafen einzunehmen.
Bei "Air Defender" sind darum alle Fähigkeiten der Luftstreitkräfte gefordert: feindliche Positionen aufklären, Luftüberlegenheit im Kampf gegen feindliche Flugzeuge herstellen, Radarstellungen und andere Bodenziele ausschalten. Auch das Nachtanken in der Luft soll geübt werden.
In diesen Regionen finden die Übungen von "Air Defender 23" statt.Quelle: ZDF

Ist das Manöver eine Provokation gegen Russland?

Teils wird in den sozialen Medien die Sorge geäußert, die Übung könne ein Vorwand sein, um Russland anzugreifen, oder durch eine Provokation einen Krieg herbeizuführen. Für diese Sorgen gibt es keine Grundlage.
An "Air Defender 23" nehmen primär Luftstreitkräfte teil. Die für einen wie auch immer gearteten Angriff nötigen Bodentruppen sind nicht einsatzbereit vorhanden - anders als bei den Manövern, die Russland vor seiner Invasion der Ukraine als Vorwand abhielt. Um das Risiko von Zwischenfällen zu reduzieren, informieren die beteiligten Streitkräfte umfangreich über den Verlauf der Übungen.
Die Übung ist ein Signal an uns vor allen Dingen, ein Signal an die Nato-Nationen, aber auch an unsere Bevölkerungen. Dass wir in der Lage sind, sehr schnell zu reagieren. (...) Dass wir in der Lage wären, das Bündnis zu verteidigen im Falle eines Angriffes.
Generalleutnant Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe
Seit 2018 laufen die Vorbereitungen für eine große Luftübung unter deutscher Leitung; seit 2021 stand der konkrete Rahmen von "Air Defender 23" fest. Russlands Krieg in der Ukraine verdeutlicht zwar die Notwendigkeit, ist aber nicht der Auslöser. 2021 gab es bereits eine ähnlich angelegte Großübung für Landstreitkräfte, das Manöver "Defender Europe 21".
Seit Ende des Kalten Krieges sind Übungen dieser Größe selten geworden. Je mehr sich die Nato aber wieder von Anti-Terror-Einsätzen wie in Afghanistan hin auf ihre Aufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung konzentriert, desto regelmäßiger könnten sie in Zukunft wieder stattfinden. Und angesichts der seit Jahren andauernden Meldungen über schlechte Einsatzbereitschaft in vielen Nato-Staaten, sind solche Übungen auch ein Belastungstest, der offenlegt, wo Probleme behoben werden müssen.

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