: Atomkraft? Ab morgen Geschichte - mit Folgen

von Oliver Deuker
15.04.2023 | 06:40 Uhr
Die letzten drei Atomkraftwerke gehen in Deutschland vom Netz. Damit endet ein 62-jähriges Kapitel, in dem viel Energie, aber auch massenhaft hochstrahlender Müll produziert wurde.
Ist die Stromversorgung in Deutschland in Gefahr, wenn die Meiler Neckarwestheim 2, Isar 2 und Emsland vom Netz gehen? Experten sind unterschiedlicher Meinung. Sönke Tangermann, Vorstand des Energieunternehmens Green Planet Energy, hat keine Bedenken. Rund sechs Prozent betrug zuletzt ihr Anteil an der Stromversorgung in Deutschland:
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"Das ist für die Gesamterzeugung in Deutschland nicht wichtig", sagt Tangermann.
Die Stromversorgung ist weiterhin gesichert. Es ist lediglich eine zusätzliche Kapazität gewesen, die wir gehabt haben, um die schlimmsten Auswirkungen der Energiemarktkrise abzumildern.
Sönke Tangermann, Vorstand von Green Planet Energy

Deutschland exportierte Strom nach Frankreich

Tatsächlich exportierte Deutschland im vergangenen Jahr Strom ins Ausland. Vor allem nach Frankreich, wo diverse AKW aufgrund von Reparaturarbeiten - oder wegen Trockenheit und damit mangelnder Kühlungsmöglichkeiten - nicht liefen.
Und trotzdem gab es Stromüberkapazitäten in Deutschland. Zeitweise wurden deshalb immer wieder Windräder abgeschaltet, deren Betrieb, wenn sie erst einmal stehen, nahezu CO2- und kostenneutral sind. Stattdessen blieben Atom- oder Kohlekraftwerke in Betrieb, weil es viel komplizierter ist, sie runter- und dann wieder anzufahren.
Doch es gibt auch andere Stimmen, die vor dem Atomausstieg warnen. "Die AKW in Deutschland haben eine wichtige Rolle bei der Stromversorgung, vor allem bei der Stromversorgungssicherheit", sagt Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI).
Wenn wir die AKW abschalten, muss der Strom anderweitig und in sicherer Art und Weise produziert werden. Das klappt mit erneuerbaren Energien nicht so gut.
Manuel Frondel, Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung
Als Ersatz brauche Deutschland grundlastfähige Kohlekraftwerke oder müsse mehr Strom importieren, sagt Frondel. Das könnte Kohlestrom aus Polen, Atomstrom aus Frankreich oder Finnland sein.

Der Atomausstieg ist überfällig. Sind wir vorbereitet? Wie können wir Wärme und Energie in Zukunft sichern?

11.04.2023 | 27:47 min
Tangermann vom grünen Energieversorger Green Planet Energy hält die Diskussion über die Grundlast für überflüssig. Seiner Ansicht könne die Versorgungssicherheit ein Gesamtsystem aus erneuerbaren Energien, Photovoltaik, Windenergie und Speicherbeständen sein.

Gesucht: Verlässliche Stromversorgung trotz Atomausstieg

Georg Stamatelopoulos, Vorstandsmitglied beim Energieversorger EnBW, betont: "Energiewirtschaftlich liegt es in unserer Hand, wie wir den Atom- und längerfristig auch den Kohlestrom ersetzen."
Wir brauchen den massiven Ausbau der Erneuerbaren, eine Flankierung von schnell verfügbarer Leistung durch Gaskraftwerke, die wasserstofffähig sind.
Georg Stamatelopoulos, Vorstandsmitglied von EnBW
Laut Stamatelopoulos könne so eine langfristige Dunkelflaute, wenn weder Sonnen- noch Windenergie zur Verfügung stehen, ausgeglichen werden. Eine verlässliche Stromversorgung trotz Atomausstieg - eine lösbare Aufgabe.

Wohin mit dem radioaktiven Müll?

Ungelöst bisher ist folgende: Was ist mit den radioaktiven Hinterlassenschaften, dem hochstrahlenden, hochgefährlichen Atommüll? Nach Auskunft der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) wird es ein Endlager frühestens 2080 geben. Bis dahin sind die Genehmigungen für alle 16 Zwischenlager mit rund 1.900 Atommüllbehältern längst ausgelaufen. Eine einfache Verlängerung soll es nicht geben.
In einem neuen Verfahren mit internationaler, wissenschaftlicher Begleitung will die zuständige Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) den sicheren Umgang gewährleisten. Kaum mehr als zwei Generationen dauerte das Kapitel zivile Nutzung der Atomkraft in Deutschland. Die Folgen werden mehr als 33.000 Generationen tragen müssen. Etwa eine Million Jahre strahlt hochradioaktiver Atommüll.

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