Analyse

: Ukrainischer Schlag aus großer Distanz

von Christian Mölling und András Rácz
04.04.2024 | 01:42 Uhr
Die Ukraine hat zwei wertvolle Ziele in Russland angegriffen. Wahrscheinlich wurde dazu ein Leichtflugzeug in eine Drohne umgewandelt, die mehr als tausend Kilometer flog.
Die ukrainischen Angriffe werfen Fragen hinsichtlich der Effizienz der russischen Luftverteidigung auf.Quelle: dpa
Am 2. April führte die Ukraine die bisher weitreichendsten Drohnenangriffe in diesem Krieg durch und traf zwei Ziele in der russischen Region Tatarstan.

Erneut Ölraffinerie als Ziel

In Nishnekamsk wurde eine Ölraffinerie der Ölgesellschaft Tatneft angegriffen. Die Anlage wurde nur geringfügig beschädigt, lediglich eine Rohöl-Destillationsanlage wurde getroffen. Der anschließende Brand konnte schnell gelöscht werden, und es wurde niemand verletzt. Russischen Quellen zufolge wurde die Produktion nicht eingestellt.

Die USA unterstützen die Ukraine am meisten, mit Waffen im Wert von mehr als 42 Milliarden Euro. Danach folgt Deutschland mit 17,7 Milliarden, auf Platz 16 rangiert Frankreich.

03.04.2024 | 00:54 min

Russische Drohnen-Produktionsstätte getroffen

Einen weiteren Treffer erlitt eine Industrieanlage in Alabuga, in der Russland seine eigenen Versionen der iranischen Schahhed-Drohnen namens Geran herstellt. Die russischen Versionen haben bessere Triebwerke, eine größere Reichweite und machen weniger Lärm. Aufgrund ihres Verbundwerkstoff-Flugkörpers sind sie von älteren Radarsystemen schwerer zu erfassen. Die Anlage in Alabuga ist die einzige, in der Russland die Geran-Drohnen herstellen kann.

Dr. Christian Mölling ...

Quelle: DGAP
... ist Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin und leitet dort das Programm Sicherheit, Verteidigung und Rüstung. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.

Dr. András Rácz ...

Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Der ukrainische Schlag traf nicht die Drohnenfabrik selbst, sondern ein Wohnheim, in dem Fabrikarbeiter leben. Viele von ihnen sind Ausländer, darunter auch einige ausländische Studenten, die gezwungen sind, in der Produktionsstätte zu arbeiten. Mindestens 13 Menschen wurden bei dem Angriff verletzt, einige von ihnen schwer.
Die Produktionsanlage selbst blieb unbeschädigt, und die Drohnenproduktion wird fortgesetzt. Aber die Unruhe unter den Arbeitern und ihren Familien ist groß.

Drohnen spähen aus, zerstören und töten. Das Video zeigt die Modelle, Aufgaben und Schwächen.

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Umgebautes Ultraleichtflugzeug

Ausgehend von den verfügbaren Videoaufnahmen war mindestens eines der unbemannten Flugzeuge wahrscheinlich eine modifizierte Aeroprakt A-22, ein ukrainisches Ultraleichtflugzeug. Diese Flugzeuge haben eine Standardreichweite von 1.100 Kilometern. Wenn sie modifiziert werden, können sie problemlos noch größere Entfernungen fliegen und eine beträchtliche Menge an Sprengstoff transportieren.
Es ist nicht bekannt, wie viele Aeroprakt A-22 die Ukraine zur Verfügung hat und wie viele davon zu Kampfdrohnen umgebaut wurden.

Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine kommen immer wieder Drohnen zum Einsatz. Systeme, um diese abzuwehren, werden auch von einheimischen Firmen entwickelt und getestet.

10.03.2024 | 01:31 min

Keine russische Luftverteidigung?

Die Angriffe werfen erhebliche Fragen hinsichtlich der allgemeinen Effizienz der russischen Luftverteidigung auf. Denn es gelang zwei ziemlich großen Flugobjekten, mehr als tausend Kilometer im russischen Luftraum zurückzulegen, ohne bemerkt, geschweige denn abgewehrt zu werden.

Unruhe in der Region

Die beiden Angriffe führten zu einer weit verbreiteten Angst in der lokalen Bevölkerung. Tatarstan ist bisher von Angriffen verschont geblieben und nur sehr wenige Soldaten wurden aus dieser Region in den Krieg gezogen.
Daher war der Bezirk bisher mehr oder weniger ein "sicherer Hafen", auch wegen der Entfernung von mehr als 1.000 Kilometern von der Front in der Ukraine. Dieses Gefühl der relativen Sicherheit wurde nun jäh erschüttert.
Die lokalen Behörden arbeiten aktiv an der Beruhigung der Bevölkerung. Sogar der Präsident der Region, Rustem Minnichanow, wandte sich an die Bevölkerung, darunter auch an die Arbeiter der Alabuga-Fabrik, um auf ihre Sorgen einzugehen.

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Ukraine fokussiert auf Hochwertziele

Höchstwahrscheinlich haben die Einheimischen gute Gründe, sich Sorgen zu machen. Die Drohnenfabrik Alabuga ist eine einzigartige Einrichtung für Russland, und die hier hergestellten Drohnen fügen der Ukraine erheblichen Schaden zu. Dies ist umso mehr der Fall, als die Ukraine unter einem Mangel an Luftabwehrraketen leidet.
Folglich ist der Versuch, die Drohnenfabrik zu beschädigen, ein absolut logischer Schritt der Ukraine, um die Bedrohung durch die hier hergestellten Drohnen zu verringern.
Die Erdölraffinerie Tatneft ist ein weiteres wertvolles Ziel, da diese Anlage allein für etwa 6,2 Prozent der russischen Raffineriekapazität verantwortlich ist. Es ist daher keineswegs auszuschließen, dass beide Anlagen erneut angegriffen werden.

Was aktuell die USA übernehmen, soll künftig die NATO leisten: die Koordination von Waffenlieferungen für die Ukraine – Vorbereitung für den Fall, dass das US-Engagement nachlässt.

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Wenn Kiew über mehr dieser Drohnen mit einer Reichweite von mehr als 1.100 Kilometern verfügt, könnte die Ukraine durchaus in der Lage sein, eine erheblich größere Anzahl russischer Ziele anzugreifen.
Dies wird Moskau wahrscheinlich dazu zwingen, mehr hochwertige Luftverteidigungsanlagen von der Frontlinie ins Hinterland zu verlegen, um wertvolle militärische Produktionsanlagen und Ölraffinerien, einschließlich derer in Tatarstan, zu schützen.
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