Interview

: Experte: Nicht auf Einsicht Putins hoffen

02.01.2024 | 22:28 Uhr
Die Ukraine ist erneut mit einer großen Angriffswelle überzogen worden. Diese Taktik hat Gründe - und auch der Zeitpunkt ist nicht zufällig, wie Militärexperte Nico Lange erklärt.

Bei der Unterstützung der Ukraine fehle dem Westen eine Strategie, sagt Militärexperte Nico Lange. Sehen Sie hier das Gespräch.

02.01.2024 | 25:53 min
Russland hat die Ukraine mit einer neuen Angriffswelle überzogen. In Kiew und anderen Regionen kam es zeitweise zu Stromausfällen, Hunderte Raketen soll die russische Armee abgefeuert haben. Militärexperte Nico Lange spricht bei ZDFheute live darüber, was hinter der neuen russischen Angriffswelle steckt und wie der Westen die Ukraine weiter unterstützen könnte.
Der Militärexperte Nico Lange darüber....

...warum Russland die Ukraine ausgerechnet jetzt auf diese Art angreift:

Das sei keine Überraschung, sagt Nico Lange. Russland versuche, ukrainische Infrastruktur zu zerstören, wie schon im vergangenen Winter - in diesem Jahr allerdings später als im vergangenen. Lange glaubt, dass man so möglichst viel Zerstörung vor den kältesten Tagen im Jahr anrichten wolle. Weil die ukrainische Luftverteidigung in diesem Jahr besser aufgestellt sei, brauche man deshalb auch mehr Geschosse, um "durchzukommen".
Leider muss man damit rechnen, dass Russland noch weitere solcher Wellen auf die Ukraine loslassen wird.
Nico Lange, Militärexperte

Auch im neuen Jahr sorgt Russland in der Ukraine für Tod und Zerstörung. Besonders hart hat es die Stadt Kiew getroffen. Knapp 100 Raketen ließ Putin auf die Ukraine abfeuern.

02.01.2024 | 02:28 min
Ziel der Angriffe auf zivile Infrastruktur sei es, die Situation der Menschen in der Ukraine zu verschlechtern und die Unterstützung für die Streitkräfte zum Bröckeln zu bringen. "Die Industrie zu treffen, also die Rüstungsbetriebe, die Munitionsfabriken, vielleicht auch die Instandsetzung für Fahrzeuge und für Militärtechnik", sei ein weiteres Ziel, so Lange. Außerdem wolle Putin durch die Angriffe auch im eigenen Land Stärke demonstrieren.

...wie lange die Russen solche Angriffe noch aufrechterhalten können:

Russland benötigt Bauteile zur Produktion von Marschflugkörpern und anderen Geschossen, die es eigentlich aufgrund der technologischen Sanktionen nicht unbedingt zur Verfügung habe, sagt Lange.
Aber in den letzten Monaten hat Russland daran gearbeitet, Sanktionen zu umgehen, Möglichkeiten zu finden, über Drittländer diese Dinge doch zu kaufen. Und dadurch ist die Produktion an Marschflugkörpern wieder gestiegen.
Nico Lange, Militärexperte
Man könne davon ausgehen, dass Russland im Monat etwa 100 bis 120 Marschflugkörper produzieren könne. Daher dauere es rund einen Monat, um die Raketen für eine solche Angriffswelle zusammenzubekommen. In den vergangenen Monaten haben die Russen Raketen aufgespart, glaubt Lange. Das Material könnte demnach noch für zwei oder drei weitere solcher Angriffe reichen - vermutlich in den kommenden Wochen, wenn es in der Ukraine sehr kalt ist.

Seit Freitag wird die Ukraine von einer neuen tödlichen russischen Angriffswelle überzogen, stundenlanger Luftalarm sorgt für schlaflose Nächte. Alica Jung ist vor Ort in Kiew.

02.01.2024 | 01:02 min

...wie er eine mögliche Lieferung der Marschflugkörper Taurus aus Deutschland einschätzt:

"Wir tun noch nicht alles, was wir tun könnten", sagt Lange. Außerdem verhalte der Westen sich "zu reaktiv": Man warte darauf, dass Putin etwas tue und überlege danach, wie man nun darauf reagiere.
Und beides muss sich aus meiner Sicht im Jahr 2024 ändern.
Nico Lange, Militärexperte
Deutschland müsse gemeinsam mit den europäischen Partnern alles tun, was möglich sei. Gerade im Hinblick auf die Entwicklung in den USA sei das notwendig. Lange geht es dabei um Industriekapazitäten, Munition und Wartung sowie Instandsetzung von gelieferten Panzern. Außerdem müsse man aktiv Überlegungen anstellen und sich nicht immer nur drängen lassen.

Kiew ist Ziel eines schweren russischen Raketen- und Drohnenangriffs geworden. Nach eigenen Angaben konnte die Ukraine mehr als 70 russische Raketen und Marschflugkörper abfangen. Auch Charkiw wurde angegriffen.

02.01.2024 | 01:52 min
"'Die Ukraine darf nicht verlieren und wir unterstützen, solange es notwendig ist', ist aus meiner Sicht zu wenig, weil dass das Rezept sein könnte für einen sehr langen Krieg", sagt Lange. Die Leidtragenden seien dann die Ukrainer.
Putin hat offenbar keinerlei Absicht, irgendwie nachzulassen oder aufzuhören, also muss man ihn dazu bringen, dass er aufhört und nicht darauf setzen, dass er irgendwann irgendetwas einsieht und mit diesem Krieg aufhört.
Nico Lange, Militärexperte
Dafür müsse man die Ukraine ausstatten - Langes Meinung nach auch mit Taurus-Marschflugkörpern. Seiner Meinung nach hätte man das bereits vorbereiten sollen. "Ich finde es misslich, dass über so Einzelsysteme immer wieder diskutiert werden muss", sagt Lange.

Deutschland dürfe nicht nachlassen, die Ukraine zu unterstützen, sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die FDP-Politikerin fordert die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an Kiew.

02.01.2024 | 00:49 min
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Quelle: ZDF

Themen

Aktuelle Nachrichten zur Ukraine