: Druck auf syrische Flüchtlinge wächst

von Torge Bode
02.05.2024 | 08:35 Uhr
Zyperns Präsident Christodoulidis schlägt Alarm: Immer mehr syrische Flüchtlinge kommen aus dem Libanon in sein Land. Ein EU-Flüchtlingsabkommen mit Beirut soll die Zahl begrenzen.

Damit künftig weniger Migranten über das Mittelmeer nach Europa kommen, hat EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen bei einem Besuch in Beirut ein Flüchtlingsabkommen geschlossen.

02.05.2024 | 02:47 min
Ismaiel sitzt am Strand von Tripoli und schaut aufs Wasser. Fünf Mal hat er es schon probiert, fünf Versuche mit dem Schlauchboot, rund 160 Kilometer übers Mittelmeer. Das Ziel: Zypern.
2012 floh Ismaiel aus Syrien in den Libanon, als der Krieg in seiner Heimat wütete. Mehr als zehn Jahre lebt er schon hier im Libanon, anfangs wurden er und die anderen Flüchtlinge noch geduldet. Doch die Stimmung in der Bevölkerung ist längst gekippt. Anfeindungen auf der Straße bis hin zur körperlichen Gewalt - auch Ismaiel hat das erlebt.
Etwa 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien leben im Libanon - die Stimmung in der Bevölkerung kippt.Quelle: dpa

1,5 Millionen syrische Flüchtlinge im Libanon

1,5 Millionen syrische Flüchtlinge leben im Libanon - in einem Land, das halb so groß ist wie Hessen und in dem rund 5,5 Millionen Menschen leben. Der multikonfessionelle Libanon steckt in einer schweren wirtschaftlichen und politischen Krise. Seit Jahren verlieren die Zentralregierung und das Parlament immer mehr an Bedeutung, die islamistische Hisbollah spielt mittlerweile die mächtigste Rolle. Und aktuell verschlechtert der Konflikt mit dem Nachbarland Israel das gesellschaftliche Klima.

EU-Gelder zur Eindämmung von Flucht aus dem Libanon: Schwer zu sagen, wohin dieses Geld im Libanon fließt, befürchtet ZDF-Korrespondentin Golineh Atai.

02.05.2024 | 02:21 min
Der Frust in der Bevölkerung entlädt sich fast täglich in Form von Gewalt auf den Straßen von Tripoli und anderen Städten. Der Sündenbock für die meisten Probleme im Land: die syrischen Flüchtlinge.
Videos in den sozialen Medien sorgen für Unruhe: Sie sollen zeigen, wie Syrer von Einheimischen geschlagen und getreten werden. In einem dieser Videos beschimpfen Männer mit Megafonen Flüchtlinge auf der Straße, bedrohen sie öffentlich und fordern sie auf, nach Syrien auszureisen. Doch Rückkehrern droht dort Folter und Tod - Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch bestätigen das.

Nicht nur in Gaza toben Kämpfe, auch im Norden Israels verschärft sich Konflikt mit der Hisbollah-Miliz. Aus dem Süden des Libanon sind bereits mehr als 86.000 Menschen geflohen.

16.03.2024 | 01:42 min
In unserer jüngsten Untersuchung konnten wir zunehmende Repressionen gegen Syrer im Land feststellen, einschließlich der Abschiebung syrischer Oppositioneller und Deserteuren, durch den libanesischen Sicherheitsapparat und die libanesische Armee.
Ramsy Qais, Human Rights Watch im Libanon
Auch die Folterung eines Syrers durch den libanesischen Militärgeheimdienst hat Human Rights Watch nach eigenen Angaben dokumentiert.

Hamoudi floh aus Syrien nach Hamburg. Wie ihm über eine Hilfsorganisation der Einstieg ins Jobleben gelungen ist und warum er heute eine deutsche Oma hat.

18.04.2024 | 03:32 min

EU plant Flüchtlingsabkommen mit dem Libanon

In dieser Gemengelage will nun die EU ein Flüchtlingsabkommen mit dem Libanon verhandeln. Das Ziel: Flüchtlinge aus Syrien sollen im Libanon bleiben. Diesen Deal mitinitiiert hat ein Hilferuf aus Zypern. Präsident Nikos Christodoulidis sieht sein Land am Limit, was die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen angeht.
Gemessen an der Bevölkerung werden in Zypern die meisten Asylanträge in der EU gestellt, die Flüchtlingslager auf der Insel sind überfüllt. Täglich kommen neue Flüchtlinge auf der Insel an, die meisten sind Syrer, die mit kleinen Booten die Überfahrt vom Libanon aus gewagt haben. Seit Monaten steigt die Zahl der Migranten - nach Angaben der UN sind seit Jahresbeginn bis Anfang April mehr als 2.500 Flüchtlinge in Zypern angekommen.

Das EU-Parlament stimmt über eine Asylreform ab. Die Mitglieder wollen illegale Migration begrenzen und Asylbewerber besser unter den einzelnen Ländern aufteilen.

10.04.2024 | 00:22 min
Das EU-Abkommen sieht Finanzhilfen für den Libanon zur Versorgung syrischer Flüchtlinge vor. Aber auch eine Unterstützung der dortigen Streitkräfte, um die Sicherheit im Land zu stabilisieren. Wie diese Unterstützung allerdings aussehen soll, ist noch nicht bekannt.

Zweifel an Verbesserung der Lage im Libanon

Die Opposition im libanesischen Parlament bezweifelt, dass auch nur ein Euro, ein Dollar von der Regierung genutzt wird, um die Lage für die Syrer im Land zu verbessern.
Ich habe große Zweifel daran, dass unsere Regierung wirklich den Willen hat, das Problem zu lösen. Das Ganze ist eine große Kampagne, auf Kosten und zum Leid der Syrer.
Ismaiel
Es gehe nur darum, den "Preis hochzutreiben, um mehr Geld von der EU und den Amerikanern zu bekommen".
Ismaiel will nicht warten, ob sich die Lage im Libanon verbessert. Er wird wieder probieren, das Land zu verlassen. Mit einem Schlauchboot über das Mittelmeer. Zum sechsten Mal.

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