: Wie Großbritannien die Asylpolitik verschärft

von Luc Walpot, London
17.08.2023 | 11:20 Uhr
Zehntausende Flüchtlinge gelangen jährlich illegal nach Großbritannien. Premier Rishi Sunak will das verhindern. Seine wenig überzeugenden Maßnahmen stoßen auf Kritik.
Migranten gehen an Bord des Lastkahns "Bibby Stockholm" in Portland. (10.08.2023)Quelle: Imago
Der britische Premierminister Rishi Sunak gibt sich gerne als energischer Mann der Tat. Einer, der Probleme anpackt und löst. So die Hochglanzprojektion, die Werbestrategen der konservativen Partei gerne dem Wahlvolk präsentieren. Bei der hoch umstrittenen Asylpolitik Sunaks und seiner Regierung ist die Werbestrategie bislang nicht ganz so aufgegangen.
Zwar beschloss das Kabinett im letzten Monat nach langen, kontroversen Beratungen eine nie dagewesene Verschärfung des Asylrechts. Flüchtlingen, die auf sogenannten illegalen Routen ins Land gelangen, sollen künftig ohne Asylverfahren festgenommen und abgeschoben werden. Dazu zählen vor allem die Menschen, die in teils völlig seeuntüchtigen Schlauchbooten von Frankreich über den Ärmelkanal nach England gelangen. 46.000 im letzten Jahr.

Flüchtlinge, die illegal in Großbritannien ankommen, sollen festgenommen und sofort nach Ruanda geflogen werden. Die Regierung setzt auf Abschreckung.

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Aber was weiter mit diesen Flüchtlingen geschehen soll, dafür hat Sunaks Kabinett bislang keine überzeugenden Maßnahmen präsentiert. Im Gegenteil. Der von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisierte Plan, die Bootsflüchtlinge nach Ruanda abzuschieben, wo sie dann gegebenenfalls einen Asylantrag stellen könnten, wurde juristisch gestoppt. Ein Berufungsgericht befand, Ruanda sei kein sicheres Aufnahmeland. Eine Klärung durch den Obersten Gerichtshof steht noch aus.

Unterbringung der Flüchtlinge auf Lastenschiff vorerst gescheitert

Die letzte Woche mit großen Medienaufwand angekündigte Unterbringung von Flüchtlingen auf dem mit Wohncontainern bepackten Lastenschiff "Bibby Stockholm" vor der südenglischen Küste war wenig erfolgreich. Gleich nachdem die ersten Flüchtlinge eingetroffen waren, wurden sie vom Gesundheitsamt schon wieder vom Boot geholt. Auf dem Wohnschiff wurde ein Legionellenbefall in den Wasserleitungen festgestellt.

Die britische Regierung zahlte Ruanda bereits viel Geld für den Bau von Flüchtlingsunterkünften.

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Und, weitaus tragischer, am letzten Wochenende kamen mindestens sechs Menschen aus Afghanistan ums Leben, als sie in einem Boot versuchten, von Calais noch Dover zu gelangen. "Wir werden die Boote stoppen!", mit diesem Versprechen war Sunak als neuer Regierungschef angetreten. Kritiker sehen darin nur einen zynischen Versuch, Politik auf dem Rücken von Flüchtlingen zu machen, um von den hausgemachten Problemen, dem wirtschaftlichen Abschwung infolge des Brexits, abzulenken.

Kritik von Menschenrechtsorganisationen

Steve Valdez-Symonds von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft der Regierung vor, das Problem vorsätzlich zu verschärfen. "Wir haben eigentlich vergleichsweise moderate Flüchtlingszahlen."
Aber die Regierung weigert sich einfach, Asylverfahren einzuleiten und will diese Menschen stattdessen nur irgendwo auslagern.
Steve Valdez-Symonds, Amnesty International
So sieht Großbritanniens verschärftes Asylgesetz aus:

Das britische Unterhaus hat einem umstrittenen neuen Asylgesetz zugestimmt. Laut diesem können Menschen, die irregulär ins Land eingereist sind, nach Ruanda abgeschoben werden.

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Man wolle, sagt die Regierung, mit der Unterbringung auf dem Wohnschiff die hohen Kosten für angemietete Hotelzimmer verringern. Umgerechnet 5 Millionen Euro seien das - am Tag.

Unterfinanzierte Ämter bearbeiten wenige Asylanträge

Für die sozialdemokratische Labour-Opposition aber ist klar: die Flüchtlingspolitik der konservativen Regierung liegt in Trümmern. "Hotels würden gar nicht gebraucht", so der Labour-Abgeordnete Nick Symonds, "wenn die Regierung endlich ihrer Verantwortung nachkommen und Asylanträge bearbeiten würde. 173.000 Anträge sind offen."
Statt mit Hotels und Wohnschiffen auf Schlagzeilen zu schielen, sollte die Regierung diesen Rückstau umgehend abbauen.
Nick Symonds, Labour-Abgeordneter
Knapp 20.000 Asylanträge wurden von den chronisch unterfinanzierten britischen Ämtern im letzten Jahr bearbeitet. In Frankreich waren es 130.000, in Deutschland 240.000. London plant nach eigenen Angaben umgerechnet 4 Milliarden Euro für asylbezogene Aufwendungen im Haushalt ein. Im deutschen Bundeshaushalt waren es im letzten Jahr mehr als 22 Milliarden Euro.

Die britische Regierung will illegale Migration bekämpfen und Menschen mit drastischen Gesetzen abschrecken.

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Immer mehr Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern

Die Zuwanderung verringern: Das war eines der zentralen Versprechen der Brexit-Befürworter gewesen. Erfüllt wurde es nicht. Tatsächlich ging zwar die Zuwanderung aus EU-Staaten zurück, dafür wurden aber deutlich mehr Arbeitskräfte und Studenten aus nicht-EU-Ländern aufgenommen. Hinzu kommen etwa 300.000 legal eingereiste Flüchtlinge aus der Ukraine. Und die illegal einreisenden Bootsflüchtlinge, im ersten Halbjahr etwa 11.500. Zum Vergleich: Deutschland hat allein im letzten Jahr 1,1 Millionen Menschen aus der Ukraine aufgenommen.
"Wir machen Fortschritte bei unserer 'Stoppt-die-Boote!'-Politik", betonte Regierungschef Sunak am Dienstag beim Besuch eines Krankenhauses. Das sehen viele Bürgerinnen und Bürger anders. In Portland, wo die "Bibby Stockholm" ankert, reagieren die Anwohner eher pragmatisch und britisch gelassen.
"Wir wollten das Schiff nicht, wir haben Aktionen gegen die Pläne durchgeführt", sagt Heather, Mitglied einer lokalen Bürgerinitiative. "Aber jetzt ist das Schiff nun mal da. Und die Menschen in den Containern werden Teil unserer Stadt. Also wollen wir sie auch in unserer Mitte willkommen heißen."

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