: Modi-Formel: Allein Indiens Interessen zählen

von Normen Odenthal, Neu-Delhi
08.09.2023 | 21:54 Uhr
Modi wohin man sieht, im ganzen Land. Wer seine Augen nicht verschließt, kann die gewünschte Botschaft nicht übersehen: Modi ist der Chef im Ring - national und international.
Indien ist mit Plakaten des Regierungschefs übersät.Quelle: AFP
Dieser Botschaft will der indische Premierminister Taten folgen lassen. Wenn die Mächtigen der Welt zum G20-Gipfel nach Delhi kommen, will sich Narenda Modi als einer der ihren präsentieren. Oder lieber noch als einer, der den anderen voraus ist. Modi setzt sich mit seinem Land gleich. Seine Lesart: ein starker Anführer steht für ein starkes Land. Indien erhebt Ansprüche, platzt vor Selbstbewusstsein. Und das nicht ohne Grund.
Indiens schiere Größe ist ein Faktor, gerade hat es China als bevölkerungsreichstes Land der Erde abgelöst. Indien ist ein gigantischer Markt und beeindruckt mit Wirtschaftskraft und Wachstum. Nichts in diesem Land jedoch ist eindimensional: Da ist eben nicht nur der High-Tech-Standort, die Atommacht. Da ist auch enorme Armut, mangelnde Bildung, marode Infrastruktur.
Interessanterweise lässt sich beides mit der Botschaft eines starken Landes adressieren: Viele sonnen sich schon im Erfolg, bei anderen wächst die Hoffnung, dass auch für sie der Aufstieg möglich wird. Modis Indien ist ein großes Versprechen.

Die Staats- und Regierungschefs der G20 treffen sich zum Gipfel in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi. So harmonisch, wie der Slogan "Eine Erde, eine Familie, eine Zukunft", dürfte es aber nicht ablaufen.

08.09.2023 | 02:11 min

Globaler Süden kein einheitliches Gebilde

Oder ein Griff nach den Sternen. Der Mond jedenfalls ist erreichbar. Als "Siegesschrei eines neuen Indiens" feierte Modi die gerade geglückte Landung einer indischen Sonde auf dem Erdtrabanten. Indien steht in der Raumfahrt damit auf Augenhöhe zu den USA, China und der früheren Sowjetunion. So soll es sein - mindestens.
Auf dem Boden der Tatsachen, bei der irdischen Machtarithmetik, will Modi nun nachziehen. Dafür wäre der G20-Gipfel die Gelegenheit. Modi sieht sich als Anführer des globalen Südens, der aufstrebenden Nationen, die sich nicht mehr so einfach in ein West-oder-Ost-Schema einordnen lassen.
Aber der globale Süden ist kein einheitliches Gebilde, es werden viele Suppen gekocht unter dieser pauschalen Bezeichnung. Um den vorherrschenden Einfluss rangelt sich Indien vor allem mit China. Bisweilen scheint ein Konflikt zwischen den beiden Riesen wahrscheinlicher als eine Zusammenarbeit. Es geht um Grenzstreitigkeiten, Geld und Macht.

Krieg in der Ukraine, der Aufstieg Chinas, und das Ende der amerikanischen Hegemonie: Eine Weltordnung im Umbruch? Der G20-Gipfel in Indien gibt einen Einblick in die Machtspiele.

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Xi sagte Teilnahme ab

Schon im Vorfeld des G20-Treffens - so raunen Eingeweihte - werfe Peking eine Menge Stöckchen ins Gipfelgetriebe. Dass sich Indien im Glanz diplomatischer Erfolge sonnt, ist für China offenbar ein Szenario, das es zu torpedieren gilt. Als Brüskierung empfinden Beobachter den Entschluss des Präsidenten Xi seine Teilnahme abzusagen und nur seinen Ministerpräsidenten zu schicken. Das sind keine Signale, die auf aussichtsreiche Gipfelbeschlüsse deuten.
Zumal ein weiterer hochrangiger Gast fehlt. Wenn auch weniger überraschend. Russlands Präsident Putin bleibt zuhause. Dabei hätte er wohl keine Sorge haben müssen, dass auf indischem Boden der internationale Haftbefehl gegen ihn vollstreckt worden wäre. Indien ist kein Vertragsstaat des Internationalen Strafgerichtshofs.

Modi ist kein leichter Partner

Die Ukraine-Frage ist die dominierende Herausforderung für diesen Gipfel. Sie ist auch das beste Beispiel für die wichtige Rolle des Gastgebers. Von allen Seiten umschmeichelt, vermeidet Modi bislang eine eindeutige Positionierung seines Landes. Denn daraus lässt sich Kapital schlagen. Indien macht gute Geschäfte mit russischem Öl und kauft auch weiter fleißig russische Waffen. Wenn der Westen das ändern möchte, ist Modi zu Gesprächen bereit und wartet auf lukrative Rüstungsdeals. Die Signale sind immer da: Bietet mir was Besseres, dann sehen wir weiter.
Wer Modi umwirbt, muss wissen: Er ist kein leichter Partner. Von religiösem Hinduismus und Nationalismus geprägt nimmt er wenig Rücksicht auf die Befindlichkeiten anderer. Das spüren innenpolitisch viele Minderheiten, Christen und vor allem Muslime. Und das kann auch außenpolitisch drohen, in einer mit Pakistan und China feindlichen Nachbarschaft. Die Modi-Formel jedenfalls ist klar in allen Fragen: Es sind allein Indiens Interessen, die zählen.

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