: Shikma Bressler - Gesicht des Israel-Protests

von Stephanie Gargosch
10.08.2023 | 14:28 Uhr
Sie ist eine Kämpferin gegen Netanjahus Justizreform: Shikma Bressler vereint in Israel Zehntausende im Kampf für Demokratie. Was treibt sie an? Woher kommt ihr Mut? Ein Porträt.

Shikma Bressler ist das bekannteste Gesicht der Proteste gegen die Justizreform in Israel.

31.07.2023 | 03:00 min
Wie jeden Samstag in den vergangenen 31 Wochen ist Shikma Bressler Ende Juli auf dem Weg zur Kaplan Street im Zentrum von Tel Aviv. Menschen winken sie heran, Shikma Bressler geht zu ihnen, redet mit ihnen, immer und immer wieder. Geduldig, freundlich.
"Du bist unsere Hoffnung", sagt ein Mann und umarmt die 43-Jährige. Dann erklärt er, an uns gewandt:
Sie hat es geschafft, die unterschiedlichsten Gruppen im Protest zu vereinen und sie tut, was sie sagt, sie redet nicht nur.
Mann in Tel Aviv über Shikma Bressler

Bressler spricht bei Protest gegen Justizreform

Wenig später spricht Bressler vor den Zehntausenden, die wieder gekommen sind, aus Protest gegen die sogenannte Justizreform der rechts-religiösen Regierung von Benjamin Netanjahu.
Wie immer trägt Bressler ein schwarzes T-Shirt mit einer geballten Faust darauf und in der rechten Hand eine israelische Fahne. Sie ist eine schmale Frau, mit feinen Gesichtszügen. Ihre Worte sind klar und hart, nicht emotional, mehr analytisch.
Netanjahu wurde nicht gedrängt, er ist es, der die systematische Demontage des Justizsystems orchestriert.
Shikma Bressler
"Es wurde alles genaustens geplant und ausgeführt, so wie er es wollte, und er wird nicht aufhören, bis er in Israel eine Diktatur errichtet hat", sagt sie, hebt die Hand und ruft mit den Zehntausenden vor ihr "Demokratie, Demokratie, Demokratie" in den Nachthimmel.
Was steckt hinter der umstrittenen Justizreform und den Protesten? Ein Überblick:

Seit Monaten gibt es Proteste gegen die Pläne von Ministerpräsident Netanjahu.

24.07.2023 | 01:30 min

Bressler: Weibliches Gesicht der Proteste in Israel

Jahrelang widmete die Physikerin Shikma Bressler ihr Leben allein der Forschung, leitet eine Abteilung für Teilchen- und Astrophysik am bekannten Weizmann-Institut in Rehovot, südlich von Tel Aviv. Sie ist Mitglied eines internationalen Teams, das am Teilchenbeschleuniger im CERN bei Genf forscht. Nebenbei zieht sie fünf Kinder groß, ist zum zweiten Mal verheiratet.
Nun wurde sie zum weiblichen Gesicht der Proteste, die Israel seit Monaten beben lassen. Bressler wurde verhaftet, kurz, im März, als sie andere dabei unterstützte, eine Autobahn zu blockieren. Eine Verhaftung die der ehemalige Ministerpräsident Israels, Ehud Barak, der die Protestbewegung unterstützt, ein Beispiel für eine "Diktatur in Aktion" nannte.
Frauen warnen in ihrem "Marsch der Mägde" vor der Transformation des Staates Israel in eine Theokratie:

Eine Gruppe von Frauen bringt im Kampf für Israels liberale Demokratie Margaret Atwoods "Handmaid's Tale" im "Marsch der Mägde" auf die Straße.

27.03.2023 | 06:35 min

Protestmarsch zur Knesset nach Jerusalem angeführt

Ihren Status als Ikone der Protestbewegung, besiegelte Bressler, als sie im Juli einen Marsch von Tel Aviv nach Jerusalem, zum israelischen Parlament, die Knesset anführte. 70 Kilometer, bei Temperaturen über dreißig Grad.
Ein Meer aus weiß, blauen Fahnen schob sich da über die Autobahn die Berge hinauf. Der Marsch, so sagte Bressler später, "hatte eine beinah spirituelle Energie". Getragen von der Mehrheit der Israelis, die dagegen ist, dass die rechts-religiöse Regierung die Macht der Gerichte beschneidet.
Politologe Peter Lintl (SWP) mit einer Einschätzung zur Justizreform:

24.07.2023 | 04:18 min

Bressler: Für Demokratie kämpfen ist meine Pflicht

"Wir stehen vor historischen Entscheidungen", erklärt Bressler. "Wie könnten wir da nichts tun? Meine Großeltern haben dieses Land aufgebaut. Wir haben für dieses Land gekämpft, in diesem Kampf Freunde verloren, auch ich."
Ein schwaches Lächeln gleitet über ihr Gesicht:
Wir können nicht zurückweichen, wir können nur vorwärts gehen, damit unser Land nicht in dunkle Zeiten segelt. Wir müssen einen Weg finden, unsere Demokratie zu retten.
Shikma Bressler
Es läge in der Natur der Israelis, sagt Bressler, für ihre Demokratie zu kämpfen, es wäre ihre Pflicht.

Bressler wird von Netanjahus Anhängern angegriffen

Die ehemalige Baskettballspielerin verbrachte ihren obligatorischen Militärdienst bei einer Spezialeinheit für herausragende Athleten. 2006 verlor sie Schulkameraden im Krieg gegen die militante vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz.
Für ihren Aktivismus wird Bressler von Netanjahus Anhängern angegriffen. Diese bezeichnen sie und die Protestierenden als Anarchisten.
Shikma Bressler ist das bewusst, aber, so sagt sie uns am Ende noch: "Dieses Erstarken von Nationalisten und rechten Gruppen ist ein Virus, der viele Länder der westlichen Welt ergriffen hat. Daher müssen wir Demokraten uns gemeinsam erheben, nicht nur in Israel, überall.
Wir hier werden jedenfalls nicht aufgeben.
Shikma Bressler
Stephanie Gargosch ist Korrespondentin im ZDF-Studio Tel Aviv.

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