: Kenia: "Zeichen nicht gerade auf Versöhnung"

26.06.2024 | 09:38 Uhr
Tote, Trümmer, Tränengas: In Kenia sind Proteste gegen das neue Steuergesetz wohl nicht beendet. Die Lage sei angespannt, so ein ZDF-Reporter. Berlin ruft Reisende zu Vorsicht auf.

"Insgesamt gab es in dem Land in mehr als 30 Städten Proteste. Es ist nicht klar absehbar, dass es sich schnell beruhigen könnte", so ZDF-Reporter Alexander Glodzinski.

26.06.2024 | 03:07 min
Am Morgen nach den gewaltsamen Ausschreitungen herrsche "eine Art Verschnaftpause", berichtet ZDF-Reporter Alexander Glodzinski aus Kenias Hauptstadt Nairobi. Es sei allerdings nicht absehbar, dass sich das bald beruhigen werde.

Parlamentsgebäude gestürmt

Bei Protesten gegen ein neues Steuergesetz hatten Demonstranten in der Nacht zuvor das Parlamentsgelände gestürmt. Die Polizei des ostafrikanischen Landes setzte gegen die Demonstranten Tränengas, Wasserwerfer und auch scharfe Munition ein.
Mehrere Menschen wurden nach Berichten der "Daily Nation" getötet. Sanitäter zählten mindestens zehn Tote, ein Reuters-Mitarbeiter mindestens fünf. Amnesty Kenia kritisierte das Vorgehen der Polizei. Die Polizei äußerte sich dazu auf Nachfrage der Nachrichtenagentur Reuters nicht.

Glodzinski: Geruch von Tränengas in der Luft

Vor dem Parlamentsgebäude lägen noch kaputte Schilder auf der Straße, der Geruch von Tränengas hänge in der Luft, schildert Glodzinski am Morgen die Lage. Und die sei immer noch sehr angespannt. Noch in der Nacht habe Präsident William Ruto eine Rede gehalten und "die Proteste als Verrat an Kenia bezeichnet und alle Demonstrierenden als Verbrecher".
Die Zeichen stehen also nicht gerade auf Versöhnung.
Alexander Glodzinski, ZDF-Reporter in Nairobi
Manche Demonstranten hätten "sogar Möbel mit rausgenommen und wie Trophäen durch die Straßen getragen", schildert Glodzinski. Insgesamt habe es in mehr als 30 Städten Proteste gegeben. Und es sei nicht klar absehbar, ob sich das noch beruhigen könne.

Auswärtiges Amt ruft Reisende zu Vorsicht auf

Das Auswärtige Amt rief über seine Krisenvorsorgeliste deutsche Besucher und in dem ostafrikanischen Land lebende Deutsche zu erhöhter Vorsicht auf. In den kommenden Tagen müsse mit weiteren gewaltsamen Protesten gerechnet werden, hieß es in einer am Dienstagabend versandten E-Mail.
"Vermeiden Sie in Städten, in denen es zu gewaltsamen Protesten kommt, nicht notwendige Fahrten. Verbleiben Sie an einem sicheren Ort", so die Empfehlung. Auch außerhalb der Hauptstadt Nairobi solle man sich von Regierungsgebäuden fernhalten. Kenia ist ein beliebtes Urlaubsziel bei Strand- und Safari-Urlaubern.

Glodzinski: "Jüngere Generation fühlt sich verraten und verkauft"

"Kenia ist massiv verschuldet", erläutert Glodzinski die Ursachen der Proteste. "Auf der einen Seite muss die Regierung Wege finden, wie sie wieder Geld in die Kassen bekommt. Auf der anderen Seite steht sie massiv in der Kritik, weil es bereits mehrere Steuererhörhungen gegeben hat".
Gerade die jüngere Generation fühle sich "verraten und verkauft", sei doch Präsident William Ruto "angetreten mit dem großen Wahlversprechen, die Wirtschaft anzukurbeln, Jobs zu schaffen".

"Es geht um die Absetzung der Regierung"

Das Besondere an diesen Protesten sei, so der Reporter weiter, dass "die Jugend es schafft, hier themenbezogen die Menschen auf die Straße zu bekommen und nicht - wie früher an Stammesgrenzen entlang - die Menschen zu bewegen". Man dürfe gespannt sein, wie es am morgigen Donnerstag weitergehe, wenn der Präsident das Gesetz unterzeichnet habe.
Es geht längst nicht um ein Steuergesetz, es geht um die Absetzung einer Regierung und die wird sich zu wehren wissen.
Alexander Glodzinski, ZDF-Reporter in Nairobi
Im Parlament hatte zum Zeitpunkt der Unruhen die dritte Lesung des umstrittenen Gesetzes stattgefunden. Es sieht neue Steuern vor, um die Staatskassen aufzubessern, die durch hohe Kredite unter Druck stehen. Bestehende Steuern sollen zudem erhöht werden. Viele Menschen befürchten, dass durch das Gesetz die Lebenshaltungskosten weiter steigen.
Erste Änderungen des Vorschlags hat es bereits gegeben. Dazu gehört das Streichen von Steuern auf Speiseöl und mobile Gelddienstleistungen. Angeführt werden die Demonstrationen von jungen Leuten zwischen 20 und 30 Jahren sowie Teenagern.
Quelle: ZDF, AFP, dpa, Reuters

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