: Der Lieferverkehr steht still

von Thomas Dudek
18.11.2023 | 12:06 Uhr
An der polnisch-ukrainischen Grenze stauen sich derzeit die Lkw. Für die tagelangen Wartezeiten sind polnische Grenzkontrollen und ein Streik polnischer Lkw-Fahrer verantwortlich.
Auch der Protest der polnischen Lkw-Fahrer verschärft die Lage an der ukrainisch-polnischen Grenze.Quelle: epa
Egal, ob es um Hilfe für ukrainische Flüchtlinge ging oder Waffenlieferungen: Lange schien es so, als ob die Solidarität Polens mit der Ukraine unendlich wäre. Dass die polnische Solidarität jedoch auch Grenzen hat, zeigte der seit Frühjahr andauernde Streit um ukrainische Getreideexporte, der im September während des Wahlkampfs in Polen sogar eskalierte.
Polen ist neben Ungarn das einzige EU-Land, das zum Schutz der eigenen Landwirtschaft keinen Import von Getreide und anderen Lebensmitteln aus der Ukraine zulässt. Als Kompromiss lässt Polen lediglich den Transit in Drittstaaten zu.

Lange Wartezeiten an ukrainisch-polnischer Grenze

Welche Auswirkungen die praktische Umsetzung dieses Kompromisses hat, kann man an der polnisch-ukrainischen Grenze beobachten. Seit Oktober sind die Wartezeiten für die Lkw an den Grenzübergängen von bis zu fünf Tagen auf teilweise zwölf Tage angestiegen. Grund dafür sind die strengen polnischen Grenzkontrollen, die garantieren sollen, dass kein ukrainisches Getreide auf dem polnischen Markt landet.
Von den langen Wartezeiten für die Einreise nach Polen und somit die EU sind jedoch nicht nur Lebensmitteltransporte betroffen. In den langen Warteschlangen bleiben auch Lieferungen hängen, die in der deutschen und europäischen Automobilindustrie dringend benötigt werden.
Dies ist der Tatsache geschuldet, dass in der Ukraine einige große Autozulieferer ihre Fabriken haben. Und dies machte sich schon mit der russischen Großinvasion in die Ukraine im Februar vergangenen Jahres bemerkbar. Bei vielen Autoherstellern verzögerte sich damals die Auslieferung von Neuwagen, weil in der Ukraine hergestellte Kabelbäume, Kabelstränge und Kabeläste nicht produziert werden konnten.

"So sehr die Gesellschaft Pro-Ukraine ist, hat doch die Welle der Hilfsbereitschaft ein wenig abgenommen", so ZDF-Korrespondentin Natalie Steger zum Stopp polnischer Waffenlieferungen an die Ukraine.

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Unternehmen halten noch an Standort Ukraine fest

Nichtsdestotrotz hielten viele Unternehmen an ihren Standorten in der Ukraine fest und setzten dort die Produktion fort. Doch mit dem Streit um ukrainische Getreideeinfuhren kamen neue Herausforderungen hinzu.
"Im Moment sehen wir uns, wie viele andere Unternehmen, mit logistischen Herausforderungen an der Grenze zu Polen konfrontiert, die unsere Just-in-time-Lieferung gefährden. Dies ist nach unserem Eindruck eine Frage des auf polnischer Seite verzögerten Prozesses für die Ausfuhranmeldung", heißt es in einer Stellungnahme des international tätigen Autozulieferers Leoni, der auch zwei Werke in der Westukraine betreibt, gegenüber ZDFheute.
Es laufen bereits Gespräche auf politischer Ebene, und wir konnten die Wartezeit zuletzt wieder auf ein akzeptables Maß reduzieren. Deshalb hat diese Verfahrensverzögerung aktuell keine Auswirkungen auf unsere Produktionskapazitäten in der Ukraine.
Stellungnahme des Autozulieferers Leonie
Was jedoch nicht bedeutet, dass man bei Leoni entspannt ist. "Trotz der jüngsten leichten Entspannung werden wir die Situation an der ukrainisch-polnischen Grenze weiter eng verfolgen. Da wir Teil der Automobilindustrie mit einem straffen Just-in-time-Liefermodell sind, sind für uns möglichst reibungslose Abläufe in der Logistik ein wichtiger Faktor“, heißt es zum Ende der Stellungnahme.

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Weniger zurückhaltend äußerte sich ein Vertreter eines anderen in der Ukraine tätigen deutschen Autozulieferers gegenüber Tagesschau.de. "Jetzt sind die Jobs in der Ukraine bedroht - aber nicht durch den Krieg, sondern durch die Wartezeiten für Fracht-Lkw an der EU-Grenze, die mittlerweile zwölf Tage oder länger betragen", so Markus Kollau, kaufmännischer Leiter bei Kromberg und Schubert.

Streik der polnischen Lkw-Fahrer

Zu einer weiteren Verschärfung an der Grenze führte ein Streik polnischer Lkw-Fahrer. Aus Protest gegen die Öffnung des EU-Marktes für ukrainische Spediteure, blockieren diese seit fast zwei Wochen die Grenzübergänge. An manchen stauen sich die Lkw schon bis 40 Kilometer weit.
Eine Situation, die auch die Europäische Kommission beunruhigt. Laut polnischer Medien droht diese mit der Eröffnung eines Strafverfahrens gegen Polen, falls sich die Lage an der Grenze nicht beruhigen sollte.
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