: Kriegsverletzungen: Ukrainer lernen Reha

von Annette Pöschel, Halle
24.03.2024 | 11:58 Uhr
An fünf deutschen Unfallkliniken bilden sich ukrainische Therapeuten und Ärzte weiter. Aufgrund vieler Kriegsverletzungen gewinnt die medizinische Rehabilitation an Bedeutung.

Rehabilitation nach Kriegsverletzungen: Ukrainische Physiotherapeuten bilden sich im BG-Klinikum Bergmannstrost in Halle weiter, um in ihrer Heimat besser helfen zu können.

22.03.2024 | 04:02 min
Es sieht aus wie ein Astronauten-Training, was Marian Kos hier absolviert. Mit den Füßen festgeschnallt und am Becken gesichert dreht sich der junge Mann in einem aus mehreren Ringen bestehenden Kreisel in alle Himmelsrichtungen, je nachdem, wie er sein Gewicht verlagert.
"Das ist schon cool", findet er, wie man mit dem sogenannten Spacecurl alle Muskelgruppen trainieren kann. "Arme, Beine, der gesamte Rumpf", zählt er auf, obwohl der Patient vielleicht querschnittsgelähmt ist oder nur mit einem Bein laufen kann.

Ukrainer durchlaufen alle Fachbereiche der Klinik

Der 23-Jährige ist ausgebildeter Physiotherapeut aus der Ukraine. Zurzeit hospitiert er für vier Wochen im Bergmannstrost in Halle. Das ist ein spezielles Projekt der BG-Kliniken für Ärzte, Ergo- und Physiotherapeuten aus der Ukraine.
Sie durchlaufen alle Fachbereiche von Intensivmedizin über Brandverletzungen und Frührehabilitation bis zur Arbeitstherapie, erklärt die leitende Physiotherapeutin Anja Grünemund. Das Ziel sei es zu lernen, wie alle Bereiche zusammenarbeiten, ihre Therapien aufeinander abstimmen und verzahnen.

Zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffskrieges begegnete Katrin Eigendorf einer Drohneneinheit an der Front und freiwilligen Ärzten, die sich um verwundete Soldaten kümmern.

27.03.2024 | 37:07 min
Mit dabei auch Iryna Hrebenshchikova. Sie erzählt, dass das ukrainische Gesundheitssystem reformiert werden, dass die Rehabilitation einen größeren Stellenwert bekommen soll. Seit dem russischen Angriff auf ihre Heimat vor über zwei Jahren hat sie sich vor allem in der Behandlung von Kriegsverletzungen weitergebildet:
Wenn man dort Soldaten behandelt, hat man oft mit Polytraumata zu tun, nicht nur mit einer Verletzung: Amputationen oder Schädel- oder Rückenmarksverletzungen.
Iryna Hrebenshchikova, Projektteilnehmerin

Klinik hat Erfahrung mit Therapien schwerer Unfälle

Zwar werden hier in Halle eher selten Kriegsopfer behandelt, aber die Therapien schwerer Unfälle sind vergleichbar, erklärt Daniel Kuhn, Therapiedirektor am Bergmannstrost:
Krieg und kriegerische Auseinandersetzungen produzieren Verletzungsbilder, die sehr komplex sind.
Daniel Kuhn, Therapiedirektor am Bergmannstrost
"Und diese hohe Komplexität ist unser täglich Brot, das ist unser täglicher Arbeitsprozess, mit dem wir uns auskennen." Denn damit habe man auch bei großen Stürzen oder Autounfällen zu tun.

"Aurora"-Projekt: 72 Teilnehmer seit Oktober

Seit Oktober haben im Rahmen des "Aurora"-Projekts in den fünf teilnehmenden BG-Kliniken 72 ukrainische Ärzte und Therapeuten hospitiert. "Aurora" ist Teil eines größeren Klinikpartnerschaftsprogramms.
Damit, so heißt es aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), unterstützt Deutschland "die akute medizinische Versorgung in der Ukraine, stärkt das Gesundheitssystem, bereitet den Wiederaufbau vor und ebnet den Weg für die Integration in die EU im Gesundheitsbereich." Demnach konnten insgesamt bislang mehr als 4.500 ukrainische medizinische Fachkräfte von Fortbildungen profitieren, 200 davon seit 2022 in Deutschland.

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Zurück in der Ukraine ist Kreativität gefragt

Eine Herausforderung für Iryna Hrebenshchikova und Marian Kos ist es, das Gelernte dann auch in der Ukraine anzuwenden. Im Bergmannstrost arbeiten 120 Therapeuten, in ihren Heimatkliniken nur ein bis zwei kleine Teams. Hinzu kommt: Die technische Ausstattung ist nicht die gleiche. Da werden sie so manches Mal improvisieren müssen. "Therapie und Rehabilitation haben immer sehr viel mit Kreativität zu tun", sagt Daniel Kuhn.
Es ist wichtig, dass es nicht immer das hochteure, hochtechnische Gerät sein muss, sondern viel mehr das Erkennen der Zielsetzung.
Daniel Kuhn, Therapiedirektor am Bergmannstrost
In ein paar Tagen kehren die beiden Teilnehmer in die Ukraine zurück. Im Gepäck: Viele Ideen und vor allem neue freundschaftliche Kontakte zu den Hallenser Kollegen, denn der fachliche Austausch soll nicht mit der Hospitation enden.
Und was bleibt von ihnen in Halle? Respekt vor ihrer Leistung und auch ein Stückchen Demut, fasst Anja Grünemund zusammen.
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