: Bundestag schafft Blutspendeverbot ab

von Dominik Rzepka
16.03.2023 | 16:36 Uhr
Der Bundestag hat das Blutspendeverbot für homosexuelle Männer ganz abgeschafft. Die Deutsche Aidshilfe spricht von einem großen Fortschritt, CDU und AfD kritisieren den Beschluss.
Der Bundestag hat das Transfusionsgesetz geändert. Künftig dürfen Männer, die Sex mit Männern haben, Blut spenden.Quelle: dpa
Jahrzehntelang durften Männer, die Sex mit Männern haben, kein Blut spenden. Zwar bröckelte das strikte Verbot zuletzt. Doch immer noch dürfen schwule Männer nur dann Blut spenden, wenn sie zuvor vier Monate enthaltsam gelebt haben. "Das ist diskriminierend und medizinisch unnötig", sagt der queerpolitische Sprecher der FDP, Jürgen Lenders.
Jetzt hat der Bundestag das Blutspendeverbot für schwule Männer ganz abgeschafft. In einer entsprechenden Gesetzesänderung heißt es nun:
Die sexuelle Orientierung darf bei der Bewertung des Risikos, das zu einem Ausschluss von der Blutspende führt, nicht berücksichtigt werden.
Neue Fassung des Transfusionsgesetzes

Nur noch persönliches Verhalten zählt bei Blutspende

Das bedeutet: Künftig ist nur noch das individuelle Verhalten eines Spenders oder einer Spenderin relevant. Das Gesetz verpflichtet die Bundesärztekammer, neue Richtlinien für die Blutspende zu erlassen. Ein pauschaler Ausschluss von der Blutspende ist dann auch für bisexuelle und trans Personen unzulässig.
Auch Altersgrenzen für die Blutspende werden abgeschafft. Künftig dürfen auch über 60-Jährige Blut spenden, wenn ihr Gesundheitszustand das zulässt.
Die Neuregelung der Blutspende ist Teil des Koalitionsvertrags von SPD, Grünen und FDP. Die Ampel passe sich nun der Lebenswirklichkeit an, sagt Jürgen Lenders ZDFheute. Wer Blut spende, übernehme Verantwortung. Das gelte auch für ihn persönlich:
Ich freue mich darauf, dass ich als schwuler Mann nun bald Blut spenden darf.
Jürgen Lenders, queerpolitischer Sprecher der FDP

CDU sieht Neuregelung skeptisch

Kritik an der Neuregelung kommt von der AfD, sie spricht von einer ideologischen Entscheidung. Auch die CDU äußert sich zurückhaltend. Zwar dürften Homosexuelle bei der Blutspende nicht unter Generalverdacht gestellt werden, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Tino Sorge. Der Schutz der Empfänger von Blutspenden bleibe aber von größter Bedeutung.
Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern, die Nähe zu gefährdeten Milieus und andere Risikofaktoren müssen auch zukünftig verlässlich ausgeschlossen werden.
Tino Sorge, CDU
Das Gesetz der Ampel sehe aber auch die Bundesärztekammer skeptisch. Deswegen favorisiere die CDU den österreichischen Weg. Hier gilt die drei-mal-drei-Regel: Wer innerhalb der vergangenen drei Monate mit drei verschiedenen Partnern Sex gehabt hat, wird für drei Monate von der Blutspende ausgenommen. Egal ob schwul oder hetero.

Was gilt im Moment noch?

Seit 2021 können Männer, die Sex mit Männern haben leichter Blut spenden in Deutschlannd. Sie müssen vor einer Blutspende vier Monate lang monogam gewesen sein, also Sex nur mit dem eigenen Partner gehabt haben. Für Kritiker ist das eine lebensfremde Regelung, die faktisch einem Ausschluss gleichkommt.

Wer darüber hinaus auch noch Sex mit einem weiteren Partner hatte, wird gesperrt. Auch Männer, die Sex mit wechselnden Partnern haben, sind von der Blutspende ausgenommen - auch dann, wenn der Sex geschützt war, also zum Beispiel Kondome verwendet wurden.

Wie soll das überprüft werden?

Durch Selbstauskunft. Wer Blut spenden will, muss vorher einen Fragebogen ausfüllen. Dabei ist eine Frage, ob man in den letzten vier Monaten Sex mit einem neuen Partner hatte. Frauen werden gefragt, ob sie Sex mit einem bisexuellen Mann gehabt haben.

Welche Kritik gibt es an den Regeln?

Der Lesben- und Schwulenverband kritisiert, dass gleichgeschlechtlicher Sex unter Männern per se als riskanter dargestellt werde als heterosexueller Sex. Das sei diskriminierend.

Außerdem kritisiert der Verband, dass Trans-Personen extra erwähnt werden. Sie würden bereits als heterosexuelle Menschen oder Männer, die Sex mit Männern haben adressiert. Sie extra zu nennen sei unnötig und damit stigmatisierend.

Werden Blutspenden auf HIV getestet?

Ja. Die Deutsche Aidshilfe teilt mit, dass Blutspenden vor der Verwendung auf HIV und andere Infektionen untersucht werden. Allerdings können dabei Infektionen übersehen werden, weil zum Beispiel Antikörper auf HIV immer erst nach einer gewissen Zeit nachweisbar sind.

Laut Aidshilfe sind Männer, die Sex mit Männern haben, nach wie vor die am stärksten von HIV betroffene Gruppe in Deutschland. Trotzdem sei das individuelle Risiko verschieden. Ein pauschaler Ausschluss aller Männer, die Sex mit Männern haben, sei diskriminierend.

Deutsche Aidshilfe begrüßt die Neuregelung

Die Deutsche Aidshilfe begrüßt auf ZDFheute-Anfrage den Vorstoß der Bundesregierung, die Diskriminierung schwuler und bisexueller Männer bei der Blutspende per Gesetz zu beenden:
Das ist ein großer Fortschritt.
Holger Wicht, Deutsche Aidshilfe
Allerdings komme es nun auf die konkrete Umsetzung an. Der zuständigen Bundesärztekammer fehle es an Wissen gegenüber den Lebensweisen schwuler Männer und trans Menschen sowie an sprachlicher Sensibilität. Wicht sagt: "Ob die neue Regelung Diskriminierung wirklich verhindert und zugleich die Sicherheit von Blutprodukten gewährleistet, lässt sich noch nicht beurteilen."

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