: Söder: CSU als "Anwalt der Fleißigen"

von Alexander Poel
22.11.2022 | 05:00 Uhr
CSU-Chef Söder will im Bürgergeld-Streit mit der Ampel Verteidiger der Fleißigen sein und fordert mehr Gerechtigkeit. Damit hat die CSU vor allem das bürgerliche Lager im Blick.
CSU-Chef Markus Söder lehnt die Ampel-Pläne zum Bürgergeld weiter ab, die aus seiner Sicht "gegen das Gerechtigkeitsempfinden großer Teile der Bevölkerung" verstoßen.Quelle: Sven Hoppe/dpa
"Wer arbeitet, muss mehr haben, als der, der nicht arbeitet." Das ist eigentlich ein klassischer Satz der FDP. Tatsächlich kommen einem diverse FDP-Vorsitzende in den Sinn, wenn man ihn ein paar Mal vor sich hin sagt.
Nun gehört der Satz der Union. Sie hat es innerhalb weniger Wochen geschafft, potentiellen Wählern - etwa bei der kommenden Landtagswahl in Bayern - den Eindruck zu vermitteln, das neue Bürgergeld stelle deren Empfänger besser als jene, die jeden Tag zur Arbeit gingen, aber nur einen geringen Lohn erhielten.

Söder: CSU fühlt sich als "Anwalt der Fleißigen"

Damit sägen CDU und CSU am Fundament der Liberalen - machen eine klassische FDP-Position zu ihrer eigenen. Markus Söder formuliert es nach der CSU-Vorstandssitzung am Montag so:
Wir fühlen uns immer als Anwalt der Fleißigen und haben deswegen grundlegenden Einspruch erhoben.
Markus Söder, CSU-Chef
"Das ist dummes Zeug", konstatiert Johannes Steffen, Arbeitsmarkt-Experte und Betreiber der Online-Plattform "Portal-Sozialpolitik". Er macht der Union den Vorwurf, mit falschen Zahlen zu operieren. Steffen argumentiert unter anderem mit dem steuerlichen Freibetrag für Erwerbstätige.
Allein damit ist es völlig ausgeschlossen, dass der, der arbeitet, weniger hat als der, der nicht arbeitet.
Johannes Steffen, Online-Plattform "Portal-Sozialpolitik"

Umfrage: Mehrheit der Befragten sieht Bürgergeld kritisch

Voraussetzung sei allerdings, dass etwa ein Geringverdienender seine staatlichen Zuschüsse voll in Anspruch nehme. Zum gleichen Schluss kommt ein Faktencheck von ZDFheute. Danach werden in den Rechenbeispielen von CDU und CSU Leistungen für Niedriglohnempfänger wie Wohngeld oder Kinderzuschläge häufig verschwiegen.
In aktuellen Umfragen - etwa der Forschungsgruppe Wahlen - finden 58 Prozent der Befragten das geplante Bürgergeld "eher schlecht", die Kritik (u.a. der Union) daran, finden 68 Prozent "eher gut".

CSU-Chef: Bürgergeld-Veto keine Blockade-Haltung

Markus Söder nimmt diesen Stimmungstest gerne auf. "Der Bürgergeld-Entwurf der Ampel verstößt gegen das Gerechtigkeitsempfinden großer Teile der Bevölkerung", so der CSU-Chef, der die Haltung der Union ausdrücklich nicht als Blockade verstanden wissen will.
Die Frage, ob seine Partei diese Stimmung mit fehlerhaften Rechenbeispielen selbst angeheizt habe, empfindet Söder als ungebührlich. "Sie stellen jetzt wirklich die Frage, ob wir daran Schuld sind, dass die Regierung einen Entwurf vorlegt, den die Menschen als ungerecht empfinden?" Söder verweist auf die Haltung der Wirtschaft, die diesen Entwurf ebenfalls als problematisch einstufe und wiederholt:
Die Bevölkerung empfindet das Wegfallen von Sanktionen als eine völlige Ungerechtigkeit.
Markus Söder, CSU-Chef

Tweet von Söder über Tafel-Engagement erzürnt Wohlfahrtsverband

Es gibt allerdings auch jene, die das Verhalten des bayerischen Ministerpräsidenten als ungerecht, ja zynisch betrachten. Dies belegen die Reaktionen auf einen Twitter-Post Söders, der ihn beim Besuch der Münchner Tafel zeigt. Auf den Fotos ist Markus Söder zu sehen, wie er Lebensmittel an Bedürftige verteilt. "Die Tafeln leisten Überragendes!" heißt es dazu im Tweet.
Kurz zuvor hatte die Union die Verabschiedung des Bürgergelds im Bundesrat blockiert - und damit auch eine Erhöhung des Regelsatzes um 50 Euro. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, antwortet auf Söders Tweet:
Die Tafel leistet tatsächlich Überragendes. Aber warum? Weil sie muss. Weil der Staat die Armen im Regen stehen lässt.
Ulrich Schneider, Paritätischer Wohlfahrtsverband
Ulrich Schneider antwortet auf Markus Söders Tafel-Tweet
"Machen Sie endlich den Regelsatz armutsfest. Dann können Sie immer noch Ihre Almosen zelebrieren!", so Ulrich Schneider weiter.
Zelebrieren wird die Union in jedem Fall. Egal, ob es bis Freitag zu einer Einigung kommt, oder nicht. CDU und CSU werden sich auf die Fahnen schreiben, stets die Interessen der hart arbeitenden Bevölkerung im Blick gehabt zu haben. Und der Satz: "Wer arbeitet, muss mehr haben, als der, der nicht arbeitet", wird sich wohl auf dem ein oder anderen Wahlplakat wiederfinden.
Alexander Poel ist Reporter im ZDF-Landesstudio Bayern.

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