: Koalition einigt sich auf Wahlrechtsreform

12.03.2023 | 21:32 Uhr
Die Spitzen der Ampel-Koalition haben sich laut ZDF-Informationen auf einen Entwurf geeinigt, wie der Bundestag kleiner werden kann. Die Fraktionen müssen noch zustimmen.
Ab der nächsten Legislaturperiode soll der Bundestag eine gesetzlich festgeschriebene Größe von 630 Abgeordneten umfassen - momentan sind es noch 736 Abgeordnete. Auf diesen Plan hat sich die Ampel-Koalition verständigt, wie das ZDF erfuhr. Die Reform soll am kommenden Donnerstag oder Freitag im Bundestag verabschiedet werden. Damit widerspricht der Entwurf einem früheren Papier von Anfang Januar, nach dem nur noch 598 Sitze vorgesehen waren.
Diese Zahl wird nun auf den letzten Metern noch einmal erhöht, um die Zahl "verwaister Wahlkreise" zu verringern, aus denen kein direkt gewählter Abgeordneter ins Parlament entsandt wird. Über den Änderungsantrag hatte zuerst das Nachrichtenportal "Pioneer" berichtet.
Die Zahl der Wahlkreise bleibt bei 299. Es werden aber 331 Mandate statt wie ursprünglich vorgesehen 299 über die Landeslisten vergeben. Damit soll die Zahl der Abgeordneten, die einen Wahlkreis über die Erststimmen gewinnen und trotzdem nicht in den Bundestag kommen, möglichst klein gehalten werden.

Nachteil für die Linke: Grundmandatsklausel soll wegfallen

Zusätzlich soll demnach die Grundmandatsklausel wegfallen, die es Parteien bisher ermöglicht hat, mit drei gewonnenen Direktmandaten eine Fraktion im Deutschen Bundestag zu stellen. Das würde vor allem die Linkspartei betreffen.
Die Parteien sind sich einig: Der Bundestag muss kleiner werden. Aber wie?

27.01.2023 | 01:54 min
Aktuell ist die Linkspartei wegen der Grundmandatsklausel und drei direkt gewonnenen Mandaten trotz ihres Wahlergebnisses von 4,9 Prozent bei der vergangenen Bundestagswahl in Fraktionsstärke im Parlament vertreten.

Warum soll das Wahlrecht reformiert werden?

Die Ampel-Fraktionen haben einen Gesetzentwurf für eine Wahlrechtsreform vorgelegt, der den Bundestag wieder auf seine Regelgröße von 598 Abgeordneten verkleinern würde. Das Parlament war zuletzt immer weiter gewachsen - auf zuletzt 736 Abgeordnete

Ursache sind Überhang- und Ausgleichsmandate, wenn eine Partei mehr Direktmandate erhält als ihr nach dem Anteil an den Zweitstimmen zustehen.  

Wie soll der Bundestag verkleinert werden?

Der Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP sieht vor, dass es künftig keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr geben soll. Dies kann zur Folge haben, dass in einem Wahlkreis direkt gewählte Abgeordnete keinen Sitz im Bundestag erhalten.

Das könnte besonders Parteien wie die CSU treffen, weil sie in Bayern in der Regel viele Wahlkreise direkt gewinnt, aber bei der Zweitstimme anders als früher nicht mehr so gute Ergebnisse erzielt.

"Zweitstimme" sollen künftig "Hauptstimme" heißen

Nach dem Gesetzentwurf bleibt es bei der bisherigen Einteilung in 299 Wahlkreise und bei zwei Stimmen, die jede Wählerin und jeder Wähler vergeben kann. Für die Sitzverteilung im Bundestag sollen künftig allein die Zweitstimmen ausschlaggebend sein. Sie werden im Entwurf "Hauptstimmen" genannt, die Erststimmen heißen "Wahlkreisstimmen".

Dafür ist die "Hauptstimme" wichtig

Über das Hauptstimmenergebnis wird berechnet, wie viele der 598 Mandate jeder Partei bundesweit zustehen und wie sich diese auf die einzelnen Landeslisten verteilen:

  • Gewinnt eine Partei weniger Wahlkreise direkt, als ihr Mandate zustehen, werden die restlichen Mandate über die Liste verteilt.
  • Gewinnt sie aber mehr Wahlkreise direkt, als Sitze nach dem Hauptstimmenergebnis auf sie entfallen, gehen die Kandidatinnen und Kandidaten mit dem schlechtesten Wahlkreisstimmenergebnis leer aus.

"Die erfolgreiche Kandidatur im Wahlkreis setzt also künftig neben der relativen Mehrheit eine Deckung durch Hauptstimmen voraus", heißt es dazu im Gesetzentwurf.

Wen die Reform trifft

Der Verzicht auf Überhang- und Ausgleichsmandate würde alle Parteien treffen. Bei der Bundestagswahl 2021 gab es davon 138. Davon entfielen auf die Union 41, auf die SPD 36, auf die Grünen 24, auf die FDP 16, auf die AfD 14 und auf die Linke 7.

CDU und vor allem CSU haben in den vergangenen beiden Legislaturperioden eine wirksame Wahlrechtsreform verhindert, weil sie von den geltenden Regelungen am meisten profitierten. 

Quelle: dpa

Vor allem CSU wehrt sich vehement

Über die Reform wird seit Jahren diskutiert, weil die Mitgliederzahl des Bundestags zuletzt immer weiter gewachsen ist. In den vergangenen Wochen hatten sich die Fraktionsspitzen der Ampel-Parteien intensiv bemüht, durch die Veränderung ein überparteiliches Konzept vorzulegen, das auch die CDU und die CSU zur Zustimmung bringen könnte.
Mit der Union konnten sich die Koalitionsfraktionen aber nicht einigen. Vor allem die CSU ist gegen die Pläne der Ampel. Sie profitierte bisher von den Überhangmandaten besonders. Der Reformvorschlag der Union sieht eine Reduzierung der Zahl der Wahlkreise von 299 auf 270 vor. Damit würde dann auch die Zahl der Überhang- und Ausgleichsmandate deutlich sinken.
Das neue Wahlrecht soll den Ampel-Plänen zufolge ab der kommenden Bundestagswahl gelten.

Bundestag: Kosten in Milliardenhöhe

Die Schrumpfkur wird in jedem Fall Steuergelder sparen, die für Abgeordnetendiäten, Mitarbeiter, Büros und Reisen anfallen. Im Haushalt 2023 werden für den Bundestag Kosten von insgesamt rund 1,14 Milliarden Euro veranschlagt. 2018 waren es 974 Millionen Euro, 2016 laut Bundesfinanzministerium noch rund 857 Millionen Euro.
Quelle: dpa, AFP, ZDF

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