: Schuster für neuen Straftatbestand

von Dominik Rzepka
08.05.2024 | 12:05 Uhr
Sachsens Innenminister Armin Schuster fordert einen neuen Straftatbestand gegen Angriffe auf Politiker. Doch Vertreter der Ampel widersprechen. Das sei nur Symptombekämpfung.

"Wir müssen eingreifen", fordert Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU). Immer häufiger werden Amtsträger bedroht. Schuster plädiert für eine Änderung des Straftatbestandes.

07.05.2024 | 06:07 min
Es sind Bedrohungen und Einschüchterungen. Gerade kommunalen Politikerinnen und Politikern werde psychisch gedroht, sagt Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) im heute journal. Oft seien es Sprüche. Man wisse, wo jemand wohne.
Da wird Angst verbreitet und da wird auf diese Menschen Einfluss genommen.
Armin Schuster, CDU
Solchen Bedrohungen konnte man "bisher nicht habhaft werden mit irgendeinem Straftatbestand", so Schuster. "Das wollen wir ändern."
Die Innenminister von Bund und Ländern wollen jetzt das Strafrecht verschärfen. Dabei geht es vor allem um die Straftatbestände Körperverletzung und Nötigung. Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist die Zahl der Angriffe auf Mandatsträger im Jahr 2023 um 53 Prozent gestiegen - im Vergleich zu 2022.

Nach dem Angriff auf den SPD-Politiker Ecke beraten die Innenminister von Bund und Ländern über mehr Polizeischutz von politisch Engagierten. Im Gespräch sind Strafverschärfungen.

07.05.2024 | 02:59 min

SPD-Politikerin Franziska Giffey angegriffen

Auslöser der Diskussion sind die jüngsten Angriffe auf Politikerinnen und Politiker. Erst am Dienstag wurde die Berliner SPD-Politikerin Franziska Giffey von einem Mann angegriffen und leicht verletzt. Laut Staatsanwaltschaft wurde am Mittwoch ein Verdächtiger identifiziert.

Was ist derzeit strafbar?

Mit Blick auf die körperlichen Angriffe auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke gilt, dass diese vom Strafrecht in der derzeitigen Form erfasst werden - nämlich als Körperverletzung (§ 223 Strafgesetzbuch). Sofern die Körperverletzung durch mehrere Beteiligte begangen wird, steht auch eine gefährliche Körperverletzung und damit ein erhöhter Strafrahmen im Raum (§ 224 Strafgesetzbuch).

Weiterhin stellt das Strafrecht auch die Nötigung (§ 240 Strafgesetzbuch) und das Bedrohen (§ 241 Strafgesetzbuch) unter Strafe. Die Nötigung zeichnet sich dadurch aus, dass Täter ihre Opfer mit Gewalt oder einer Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen. Ein Bedrohen liegt demgegenüber vor, wenn der Täter dem Opfer bestimmte Straftaten androht.

Schließlich enthält das Strafgesetzbuch auch bereits einen Tatbestand, der das Stalking unter Strafe stellt (§ 238 Strafgesetzbuch). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass dem Täter ein wiederholtes Nachstellen seines Opfers nachgewiesen werden kann - ein Einzelfall genügt daher noch nicht.

Braucht es einen neuen Straftatbestand?

Aber reicht das aktuelle Strafrecht aus, um Politiker effektiv vor Angriffen zu schützen? Es gibt die Forderung nach einem neuen Straftatbestand der "Beeinflussung staatlicher Entscheidungsträger". Dabei soll es um subtilere Formen der Einflussnahme gehen, beispielsweise Kundgebungen vor Privatwohnungen oder das Abladen von Misthaufen in der Einfahrt. Die Verantwortlichen bewegen sich häufig knapp unterhalb der Schwelle einer Nötigung, einer Bedrohung oder des "klassischen" Stalkings, weil es an körperlicher Gewalt, expliziten Drohungen oder des wiederholten Nachstellens fehlt.

Der Effekt solcher Aktionen ist aber oft derselbe wie bei den genannten Straftaten: Gerade Menschen, die kommunalpolitisch aktiv sind und keine besonderen staatlichen Sicherheitsmaßnahmen erhalten, können auf diese Weise eingeschüchtert und in letzter Konsequenz sogar von ihrem politischen Engagement abgebracht werden. Gleichzeitig ist auch harter Protest ein elementarer Bestandteil des demokratischen Meinungskampfes und das Strafrecht immer nur das letzte Mittel des Rechtsstaates.

Ein etwaiger neuer Straftatbestand stünde also vor der Herausforderung, diese gegenläufigen Interessen jeweils angemessen zu berücksichtigen und vor allem trennscharf zu formulieren, was noch erlaubt ist - und was eventuell in Zukunft die Strafjustiz beschäftigt.

Quelle: Sebastian Langer und Daniel Heymann, ZDF-Fachredaktion Recht & Justiz

Am Wochenende wurde der SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Matthias Ecke, von vier jungen Männern schwer verletzt und musste operiert werden.
Die Forderung nach einem neuen Straftatbestand seien allerdings keine Reaktion auf den Angriff, betont Schuster. Die Initiative der Innenminister sei bereits im vergangenen Jahr gestartet worden. Man habe die Situation rund um die anstehenden Wahlen bereits seit sechs, sieben Monaten im Blick.

Der Innenminister von NRW Herbert Reul sieht bei den Angriffen eher ein grundsätzliches Problem. Man müsse die Fragen angehen, die dahinter liegen, so Reul im Morgenmagazin.

07.05.2024 | 00:31 min

Ampel-Politiker kritisieren Innenminister

Kritik an den Plänen kommt unter anderem aus der FDP. "Härtere Strafen sind schnell gefordert - vor allem kurz nachdem öffentlichkeitswirksame Straftaten erfolgt sind", sagt der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle.
Polizeibeamte vor Ort und eine gut ausgestattete, zügig arbeitende Justiz seien aber viel wirkungsvoller.
Strafrecht und Strafjustiz können nicht der Reparaturbetrieb für eine allgemeine gesellschaftliche Verrohung sein.
Konstantin Kuhle, FDP
Grünen-Innenpolitikerin Misbah Khan nannte die Pläne der Innenminister "wie von vorgestern". Es handele sich um Symptombekämpfung. Stattdessen müsse das Vollstreckungsdefizit bei Haftbefehlen angegangen werden. Khan forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, Gewalt gegen Politiker und Ehrenamtliche bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen.
Mit Material von dpa

Nach dem Angriff auf den SPD-Europapolitiker Matthias Ecke sind vier Verdächtige ermittelt worden. Einer von ihnen soll der rechten Szene entstammen.

06.05.2024 | 01:39 min

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