: Wie kann Zuwanderung kontrolliert werden?

von Tonja Pölitz
29.10.2023 | 16:36 Uhr
Mehr Grenzkontrollen, eine Arbeitspflicht und Sachleistungen statt Bargeld für Geflüchtete: Vieles davon steht längst im Gesetz. Aber was begrenzt irreguläre Zuwanderung wirklich?

Laut ZDF-Politbarometer ist das Thema "Flucht und Asyl" derzeit das wichtigste Problem im Land. Auch Olaf Scholz will die Zahl der irregulär nach Deutschland Einreisenden begrenzen

24.10.2023 | 10:01 min
Es ist Ende September, als die Bundespolizei Forst in Brandenburg zum Einsatz ausrückt. Über Funk ist zu hören: weißer Kleinlaster, Fiat Ducato mit slowakischem Kennzeichen, vorne zwei männliche Personen. Das Muster passt. Eine der Flüchtlingsrouten verläuft über Polen.

Unerwünschte Migration mittels Abkommen zu begrenzen, ist eine schwere Angelegenheit für Europa - das zeigen Tunesien und Marokko. Wie kann die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern nach Maghrebstaaten gelingen?

30.10.2023 | 02:40 min
Als die Bundespolizei den Wagen auf der B 112 stoppt, finden sie auf der Ladefläche 30 Menschen zusammengepfercht. Männer, Frauen und Kinder. Fast alle aus Syrien. Stundenlang saßen sie im Kleinlaster. Nur einen der beiden Fahrer kann die Polizei schnappen.

Geforderte Maßnahme: "Mehr Grenzkontrollen!"

Die Bundespolizei hat im Grenzgebiet inzwischen ihre Präsenz erhöht. Auf Anordnung des Bundesinnenministeriums, die da lautet: mehr Grenzkontrollen! Die Botschaft: unerlaubte Zuwanderung bekämpfen und die Schleuserindustrie trockenlegen. Die Bundespolizei Forst hat allein im September 2.501 Migranten bei unerlaubter Einreise aufgegriffen, ein Plus von fast 50 Prozent zum Vormonat. Zudem konnte die Polizei auch 38 mutmaßlich kriminelle Schleuser feststellen.
Mehr Kontrollen bedeuten aber keineswegs automatisch weniger Geflüchtete in Deutschland, erklärt Frank Malack gegenüber ZDF Frontal, Erster Polizeihauptkommissar bei der Bundespolizei Forst:
Das Problem ist diese Erwartungshaltung, dass die Bundespolizei an der Grenze die Leute abfängt und zurückschickt. Das ist einfach rechtlich nicht drin.
Frank Malack, Polizeihauptkommissar
Auch personell sei eine 100-prozentige Kontrolldichte der Deutschen Grenze utopisch und nicht zu gewährleisten. Viele Aufgriffe erfolgen durch Anrufe von Bürgern, schildert Frank Malack: "Die meisten wissen hier, wer im Dorf wohnt. Und wenn sich dort eine fremde Person oder fremde Fahrzeuge bewegen, sind die Leute mittlerweile sehr sensibel und rufen uns an".

Die Bundespolizei ist an der deutschen Grenze mit Hubschraubern im Einsatz. Bei diesen sogenannten „Sprungfahndungen“ ist die Erfolgsquote höher.

24.10.2023 | 05:49 min
Migrationsforscher: Zuwanderung lässt sich nur an der Außengrenze begrenzen
Der Migrationsforscher Ruud Koopmans hält wenig von Grenzkontrollen, jedenfalls wenn man irregulärer Migration bekämpfen will: Politiker würden gerne vermitteln, dass sie die Kontrolle wiedererlangen, meint Koopmans. "In einer EU mit offenen Grenzen aber gibt es keine nationale Lösung für die Kontrolle der Zuwanderung." Das Problem könne man nur an den Außengrenzen lösen.
Wir haben viel zu viel kostbare Zeit seit 2015 verloren. Als die Zuwanderungszahlen wieder zurückgingen, hat sich die Politik zurückgelehnt. Die Zahlen für die AfD gingen auch wieder ein bisschen runter.
Ruud Koopmans, Migrationsforscher
Die Politik sei zur Tagesordnung übergegangen, statt nachzudenken, wie man vorbeugen könnte, wenn sich die Situation wiederholt.

Im Bundeskabinett wurde ein Gesetzespaket zu schnelleren Abschiebungen beschlossen. Das Paket, das noch durch den Bundestag muss, ist in der Ampel umstritten.

25.10.2023 | 02:00 min

Geforderte Maßnahme: Mehr Sachleistungen, weniger Bargeld

233.000 Asylanträge wurden im laufenden Jahr bereits in Deutschland gestellt. Dabei ist Wohnraum vielerorts kaum noch verfügbar. Die Forderung vieler Landräte lautet deshalb: weniger Anreize und runter mit den Sozialleistungen! Sie wollen deshalb mehr Sachleistungen statt Bargeld an Geflüchtete auszahlen. Damit kein Geld mehr in deren Heimat abfließt.
Das erlaubt das Gesetz zwar längst, umgesetzt wird es aber kaum. Der Verwaltungsaufwand war vielen bisher zu groß. Ausgerechnet der CDU-Landrat Günther-Martin Pauli, dessen Partei unter Bundeskanzlerin Merkel die Flüchtlingspolitik jahrelang verantwortet hat, fleht beinahe: "Wir müssen damit jetzt anfangen. Denn die Gesellschaft macht das nicht länger mit."

Sozialrechtsexpertin: "Menschenwürdige Existenz sichern"

Über einen Teil des Geldes müsse frei verfügen werden können, deswegen ließe es sich auch nicht einfach streichen, sagt Constanze Janda. Das habe das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Menschenwürde entschieden. Die Sozialrechtlerin sieht schon den Ansatz kritisch, Probleme, die man mit dem Ausländerrecht nicht lösen kann, einfach über das Sozialrecht lösen zu wollen:
Wir dürfen es Menschen hier nicht einfach nur deshalb unbequem machen, damit sie freiwillig wieder ausreisen.
Prof. Constanze Janda, Sozialrechtsexpertin
Dafür sei das Sozialrecht nicht da. "Es soll die menschenwürdige Existenz sichern. Wenn man die absenken wollte, dann muss es für alle im Land ungefähr gleich sein."

Die Politik streitet, ob Sachleistungen oder Gutscheine für Geflüchtete sinnvoller sind als Bargeldzahlungen. So soll ein möglicher Anreiz, nach Deutschland zu kommen, wegfallen.

30.09.2023 | 02:25 min

Geforderte Maßnahme: Pflicht zur gemeinnützigen Arbeit und Arbeitssuche

Ein weiterer Vorschlag ist, eine Pflicht zu gemeinnütziger Arbeit einzuführen. Dabei sieht Paragraf 5 des Asylbewerberleistungsgesetzes gemeinnützige Arbeit bereits vor, mit einem symbolischen Lohn von 80 Cent pro Stunde. Und es wird in Flüchtlingsersteinrichtungen telweise auch genutzt.
Deutschland hätte sich bewusst dagegen entschieden, Asylsuchenden gleich den Arbeitsmarktzugang zu eröffnen, sagt Sozialrechtlerin Janda. Man wollte so verhindern, dass Menschen über das Asylverfahren den Weg in die Erwerbstätigkeit finden.
Ex-Bundespräsident Joachim Gauck empfiehlt, in dieser Frage nach Dänemark zu schauen. Dort konnte man die Asylanträge halbieren. Die Höhe der Sozialleistungen ist an die Arbeitssuche geknüpft. Die Arbeitspflicht in Dänemark gilt aber nicht nur für Asylbewerber, sie gilt auch für alle Dänen.

In Dänemark herrscht ein verschärftes Migrationsrecht, trotz einer sozialdemokratischen Regierung: Asylbewerber müssen meist in Sammellagern leben, bekommen weniger Geld und der Familiennachzug ist erschwert.

19.10.2023 | 02:15 min

Migrationsforscher: Asylverfahren im Heimatland durchlaufen

Es sei allerdings nicht so, dass Geflüchtete Dänemark wegen der Arbeitspflicht meiden würden, sagt Migrationsforscher Koopmans: "Die Dänen haben angekündigt, dass Menschen, die nach Dänemark kommen, ihr Asylverfahren in Ruanda durchlaufen müssen. Allein die Ankündigung hat schon Wirkung gezeigt. Deutschland müsste sich überlegen, ob es sich den dänischen Plänen anschließt."
Das, was hier national an Maßnahmen auf dem Tisch liegt, das wird an der Zuwanderung nichts ändern.
Ruud Koopmans, Migrationsforscher
Sozialrechtlerin Janda mahnt auf diesem Weg vor Stimmungsmache und taktischer Politik: "Man kann die sozialen Standards in Deutschland nicht beliebig absenken. Und es führt am Ende nur zu Frustrationen, wenn man große Maßnahmen ankündigt und später feststellt, es lässt sich rechtlich nicht umsetzen oder die Idee wird vom Bundesverfassungsgericht kassiert."

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