: Wie das Deutschlandticket ankommt

von Sarah Gräf
08.08.2023 | 11:09 Uhr
Seit 100 Tagen ist das Deutschlandticket für 49 Euro auf dem Markt und verkauft sich millionenfach. Ist der Nachfolger des 9-Euro-Tickets aus dem vergangenen Jahr also ein Erfolg?
Die U3 mit ihrem schönen Blick auf den Hamburger Hafen ist proppenvoll. Ebenso viele andere Bahnen, Busse und Fähren - und das auch außerhalb des Berufsverkehrs und trotz Sommerferien. In Hamburg ist das Deutschlandticket im wahrsten Sinne des Wortes ein voller Erfolg.

250.000 Neukunden in Hamburg durch Deutschlandticket

In den vergangenen drei Monaten hat der Verkehrsverbund HVV mehr als 250.000 Neukund*innen dazu gewonnen. Damit zählt der HVV insgesamt 960.000 Abonnements. Das sind 22 Prozent mehr als 2019 vor der Corona-Pandemie.
Wir haben auch eine deutliche Verlagerung vom motorisierten Individualverkehr zum ÖPNV und das freut uns besonders.
Rainer Vohl, Pressesprecher des HVV
Ausschlaggebend sei der günstige Preis, verbunden mit der Einfachheit: ein Ticket für das ganze Land. Das kommt gut an - aber auch im ganzen Land?

Erste Zahlen sprechen für Wandel bei der Mobilität

Laut Bundesverkehrsministerium wurden deutschlandweit bislang mehr als elf Millionen der 49 Euro teuren Tickets verkauft. Auf den ersten Blick sprechen die Zahlen für einen Wandel in Sachen Mobilität in Deutschland.
In der Gemeinde Bevern in Schleswig-Holstein nutzen allerdings nur wenige das Deutschlandticket. Bürgermeister Rolf Tewes weiß, warum:
An den öffentlichen Nahverkehr sind wir eigentlich gar nicht angeschlossen.
Rolf Tewes, Bürgermeister in Bevern
"Das Einzige, was wir haben, ist ein Schulbus", erläutert Tewes. "Aber der fährt nicht in den Ferientagen und am Wochenende fährt er auch nicht."

Auf dem Land ÖPNV oft keine praktikable Option

Für viele hier in der Umgebung sind die Öffentlichen keine Option, meint auch Marcel Gierth, der täglich zur Arbeit pendelt: "Ich fahre mit dem Auto ungefähr zwanzig Minuten und mit der Bahn und öffentlichen Verkehrsmitteln brauche ich eine Stunde und 40 Minuten. Das rentiert sich nicht."
Er glaubt, das Deutschlandticket ergebe nicht wirklich Sinn für Menschen, die auf dem Land leben und arbeiten. Profitieren davon also vor allem Menschen in Großstädten und Ballungsräumen?

ÖPNV muss gerade fürs Land ausgebaut werden

Oliver Krischer (Grüne), Verkehrsminister in NRW und derzeit Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz, sieht im Deutschlandticket Vorteile für alle - egal ob Stadt oder Land.
Gerade auch im ländlichen Raum ist das vorhandene ÖPNV-Angebot durch das Deutschlandticket besser frequentiert.
Oliver Krischer, Verkehrsminister in NRW
Dennoch sei es richtig, dass gerade dort noch viel mehr ausgebaut werden muss, sagt Krischer. "Das ist eine gemeinsame staatliche Aufgabe von Bund und Ländern, dass wir den Ausbau auch finanziert bekommen."

Warnung vor unklarer Finanzierung des Deutschlandtickets

Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin sieht die Subvention von Ticketpreisen indes kritisch: "Es verringert anderweitige Investitionen in die Schiene und könnte so einem Ausbau des Schienennetzes im Wege stehen."
Auch die Finanzierung des Deutschlandtickets selbst sei noch unklar. "Ich gehe davon aus, dass wir im Herbst eine Nacht der langen Messer haben werden mit den Ministerpräsidenten und dem Bundeskanzler, wo dann gefragt wird: Wo soll eigentlich das Geld herkommen? Und man wird feststellen, dass das 49-Euro-Ticket gar nicht seriös finanziert ist."
Finanzierungsfragen hin oder her: Viele Menschen in Hamburg kümmert das jetzt erst einmal wenig. Schließlich hat das Deutschlandticket noch einen entscheidenden Vorteil: alle Verkehrsmittel sind inbegriffen - auch die Fährlinien auf der Elbe. Und die werden inzwischen gerne für eine kostenlose Hafenrundfahrt genutzt.

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