: Was der Digitalpakt Schule gebracht hat

von Kevin Schubert
16.05.2024 | 06:12 Uhr
Der Digitalpakt Schule läuft aus. Was hat er gebracht? Während Bund und Länder noch um einen Nachfolger ringen, zieht Lehrerpräsident Stefan Düll bei ZDFheute Bilanz.
"Vom Grundsatz her" ein Erfolg, aber Baustellen bleiben: der Digitalpakt Schule.Quelle: dpa
Die Ergebnisse der Pisa-Studie sind für Deutschland oft ein Schock. Ende September 2020 fällt er besonders hart aus. Eine Sonderauswertung der Pisa-Studie 2018 legt schonungslos offen, wie es ums digitale Lernen im Land steht:
  • Verfügbarkeit von digitalen Lernplattformen: Platz 66 von 78 der OECD-Länder.
  • Digitale Aus- und Fortbildung von Lehrkräften: Platz 76 von 78 der OECD-Länder.
Deutschland, die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, wirkt mitten in der Corona-Pandemie wie ein digitales Entwicklungsland. Dass es das heute - zumindest in Teilen - nicht mehr ist, liegt auch am Digitalpakt Schule.

In Brennpunktschulen benötigen viele Schüler zusätzliche Förderung, um zum Beispiel Deutsch zu lernen. Entstehende Kosten sollen mit dem Startchancen-Programm gedeckt werden.

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Digitalpakt Schule: Das Milliarden-Programm

Den Digitalpakt hat die Bundesregierung bereits 2019 ins Leben gerufen. Mit zunächst fünf Milliarden Euro sollte die digitale Infrastruktur der Schulen verbessert werden, etwa durch schuleigenes WLAN und interaktive Tafeln. Während der Pandemie stockte der Bund den Pakt auf insgesamt 6,5 Milliarden Euro auf, damit die Schulen auch in Tablets und Administratoren investieren konnten (Details in der Infobox).

Der Digitalpakt in Zahlen

Der Digitalpakt Schule besteht aus mehreren Teilen.

  1. Der Basis-Digitalpakt: Er wurde 2019 auf den Weg gebracht, um die digitale Infrastruktur in den Schulen auf den Weg zu bringen. Der Bund stellte dafür fünf Milliarden Euro zur Verfügung.
  2. Zusatzvereinbarung "Sofortprogramm": Wurde ebenso wie die anderen Zusatzvereinbarungen in der Corona-Pandemie vereinbart. Mit 500 Millionen Euro konnten Schulen mobile Leihgeräte für Schülerinnen und Schüler anschaffen, die über keine eigenen Geräte verfügen.
  3. Zusatzvereinbarung "Administration": Weitere 500 Millionen Euro standen für Administratoren zur Verfügung, die sich in den Schulen um die digitale Technik kümmern sollen.
  4. Zusatzvereinbarung "Leihgeräte für Lehrkräfte": Ebenfalls 500 Millionen Euro standen für Leihgeräte für Lehrkräfte zur Verfügung.

Bis Dezember 2023 sind insgesamt drei Milliarden Euro aus dem Digitalpakt Schule abgeflossen, teilt das Bundesministerium für Bildung und Forschung ZDFheute mit. Insgesamt fünf Milliarden Euro seien fest für Projekte verplant gewesen.

Die Gelder für die Zusatzvereinbarungen "Sofortprogramm" und "Administration" waren demnach bereits im August 2022 fast vollständig ausgegeben. Im Zusatzprogramm "Administration" sind bis Juni 2023 lediglich 92 Millionen Euro abgeflossen und insgesamt 231 Millionen Euro verplant.

Nach Angaben von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) haben etwa 29.000 der mehr als 32.000 Schulen in Deutschland vom Digitalpakt profitiert, der nun zum 16. Mai ausläuft.

War der Digitalpakt Schule erfolgreich?

Fragt man das Stefan Düll, sagt der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes: "Vom Grundsatz her schon." Er listet die Fortschritte auf: "Die meisten Schulen sind jetzt bis zur Straßenkante mit einer guten Internetverbindung versehen", auch wenn die Schulstraßen mancherorts noch nicht ans schnelle Internet angeschlossen seien. "Da kommt es jetzt darauf an, dass die Provider liefern", sagt Düll, "aber die Schulen haben den ersten Schritt getan."

Große Pläne werden auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung in Jena diskutiert. Die Schulen kämpfen derweil mit großen Problemen bei der Digitalisierung. Es fehlt an W-Lan, Hardware und Fachpersonal.

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Auch bei Lernplattformen, Fortbildungskampagnen und Endgeräten wie Tablets sieht Düll große Fortschritte. "Der Unterricht kann heute an sehr vielen Orten auch die digitalen Möglichkeiten nutzen", sagt der Schulleiter.
Als Präsident des Lehrerverbandes sagt Düll aber auch: "Ein Digitalpakt kann nicht alles leisten." Denn die Liste der Herausforderungen, die bleiben, sei lang.

Baustelle 1: Wer bezahlt den digitalen Fortschritt?

Aktuell, sagt Düll, sei die Situation nicht schlecht. Die Hardware sei vielerorts neu, die Erstlizenzen für Software bezahlt. "Aber Infrastruktur muss irgendwann erneuert werden, Geräte gehen kaputt", sagt Düll. Manche Programme, manche Apps müssten jedes Jahr aufs Neue lizenziert werden. "Und da fehlt Geld."

Nach den schlechten Ergebnissen der jüngsten Pisa-Studie wächst die Kritik am Bildungssystem.

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Das Problem aus Dülls Sicht: Der Bund habe mit dem Digitalpakt zwar bei der Anschaffung geholfen, überlasse die Folgekosten nun aber Ländern, Kommunen und Schulträgern. Was, wenn klamme Kommunen sich das nicht leisten können? Für Wartung, Erneuerung und Fortbildung seien hohe Summen notwendig. "Der Bund kann sich da meines Erachtens nicht aus der Verantwortung stehlen", sagt Düll.

Lehrer oft allein gelassen mit Technik-Problemen

Auch wenn der Digitalpakt den Schulen ermöglichen soll, Administratoren für die Wartung der Technik anzustellen: Im Arbeitsalltag seien die meisten Lehrer auf sich allein gestellt, kritisiert Lehrerpräsident Stefan Düll. "Es kommt immer wieder zu Momenten, in denen etwas nicht funktioniert - und eine digital geplante Stunde dann manchmal gelaufen ist", sagt Düll, "und diese 45 Minuten sind dann einfach weg."

Viele Systeme seien mittlerweile zwar stabiler, Ausfälle würden seltener. Hake es aber doch, "haben viele niemanden, der schnell mal reinkommt, um das wieder in Ordnung zu bringen".

Baustelle 2: Wer verschafft den Lehrern Zeit für Fortbildungen?

"Im Digitalbereich tut sich wahnsinnig viel und das ständig aufs Neue", sagt der Lehrerpräsident. Neue Programme, neue Möglichkeiten: Um das Maximum für den Unterricht herauszuholen, "brauchen wir Lehrer auch die Zeit für Fortbildungen". "Und wir wollen uns ja auch in Fragen der Inklusion, der Gewaltprävention und der Demokratie-Erziehung fortbilden."

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Auch ohne Weiterbildungen seien Lehrerinnen und Lehrer extrem ausgelastet, warnt Düll. Dass Lehrer dank Wochenenden, Feiertagen und Schulferien doch viel freie Zeit hätten, nennt er eine "Unterstellung".
Ich kenne keinen Kollegen, der jetzt an Christi Himmelfahrt nicht gearbeitet hat, der nicht in die Ferien reinarbeitet.
Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands
In der Realität arbeiteten die meisten Lehrkräfte mehr als 40 Stunden pro Woche. "Die Fortbildung muss in der Normalzeit stattfinden", sagt Düll. Dafür müssten Lehrkräfte aber weniger Unterricht geben - trotz Lehrermangels.

Über den Lehrkräftemangel an deutschen Schulen.

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Baustelle 3: Wie kommt KI an die Schulen?

Künstliche Intelligenz und Schule - da fällt in Deutschland vor allem die Debatte ein, ob Schüler Chat-GPT für Hausaufgaben missbrauchen. Stefan Düll ist anderes wichtiger. "KI hat wahnsinnig viel Potenzial, wahnsinnig viele Chancen für unser Land als Ganzes, für den Wirtschaftsstandort Deutschland", sagt der Lehrerpräsident, "und noch hat Deutschland die Chance, ganz vorne mit dabei zu sein."
Dafür brauche es neben engagierten Lehrerinnen und Lehrern aber "eine saubere, datenschutzkonforme KI-Lizenz", sagt Düll. "Die gibt es auch, kostet aber sehr viel Geld."

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Die derzeitigen Überlegungen zur Weiterentwicklung des Digitalpakts "erwähnen KI nur am Rande". Also müssten die Schulträger zahlen. "Die sagen aber: 'Moment mal - das ist eine neue Aufgabe, ein Zusatz, dafür brauche ich auch erstmal Geld von oben.'" Ein Digitalpakt 2.0 müsse hier ansetzen, sagt Düll.

Digitalpakt 2.0: Wie geht es jetzt weiter?

Der Digitalpakt Schule 2.0 soll kommen. Aber noch ist unklar, wie er aussehen soll - und wann er kommt. ZDFheute gegenüber verweist das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf vertrauliche Verhandlungen. Nach dpa-Informationen fordern die Länder erneut 6,5 Milliarden Euro vom Bund. Sie wollen den Digitalpakt 2.0 demnach bei der nächsten Kultusministerkonferenz im Juni abschließen.

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Doch die Verhandlungen sind nach dpa-Angaben zäh. Laut ZDF-Informationen pocht der Bund auf eine Kostenteilung mit den Ländern. Die Länder wiederum wollen ihren Eigenanteil auf zehn Prozent begrenzen, berichtet die dpa. Das Argument der Länder: Sie hätten weitere Ausgaben für digitale Bildung, die berücksichtigt werden müssten.
Lehrerpräsident Stefan Düll fordert dagegen, grundsätzlich über die Verteilung der Finanzmittel nachzudenken. "Momentan bräuchte es zwar einen Digitalpakt 2.0, aber eigentlich müssten wir das Ungleichgewicht in der Belastung angehen." Die Kommunen seien nicht nur im Bildungsbereich, sondern auch bei der Integration stark gefordert.
Wenn der Bund es schafft, die Kommunen grundsätzlich mit mehr Geld auszustatten als bislang, dann braucht es auch keine Diskussion über einen Digitalpakt 2.0.
Quelle: mit Material von dpa

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