: Wegen Taurus: Morddrohungen an SPD-Politiker

von Ines Trams
12.08.2023 | 16:30 Uhr
SPD-Politiker Andreas Schwarz ist für die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper an Kiew. Die Resonanz im Netz: Hassbotschaften, sogar Morddrohungen. Auch Parteianhänger teilen aus.
Will sich nicht einschüchtern lassen: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz.Quelle: Imago
Andreas Schwarz ist kein Politiker der ersten Reihe, keiner der lauten Bundestagsabgeordneten, die regelmäßig in Talkshows auftreten und bei jeder denkbaren Möglichkeit ihre Meinung kundtun.
Für die SPD-Fraktion sitzt Schwarz sowohl im Verteidigungs- als auch im Haushaltsausschuss. In dieser Funktion hat er immer wieder die Themen Ausrüstung der Bundeswehr und Waffenlieferungen an die Ukraine auf dem Tisch. Und da hat Schwarz gelegentlich auch eine andere Meinung als der Mainstream der SPD.

Schwarz sprach sich früh für Taurus-Lieferung aus

Als die Ampel-Koalition beispielsweise Anfang des Jahres noch um die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine stritt, als gerade die Sozialdemokraten noch mit sich rangen, da war Schwarz einer der ersten, der Druck machte, Leopard zu liefern.
Die Debatte um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern nimmt Fahrt auf:

Soll Deutschland Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern?

11.08.2023 | 01:32 min
In der aktuellen Diskussion um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern war er der erste der SPD-Fraktion, der sich deutlich dafür aussprach. Im "Spiegel" warnte er davor, Zeit zu verlieren.
Ich sehe ein Déjà-vu auf uns zukommen. Wie schon in der Panzerfrage lehnen wir jetzt die Abgabe von wichtigem Gerät ab, das am Ende wohl doch geliefert werden wird.
Andreas Schwarz, SPD
Die Gegenoffensive stocke, eine nennenswerte Luftwaffe zur Unterstützung habe die Ukraine nicht, da blieben nur Lenkwaffen wie Taurus-Marschflugkörper.

Aktuelle Standpunkte in der Taurus-Debatte:
Die Reaktionen, die Schwarz in der Folge erhielt, erschüttern und erschrecken ihn - Morddrohungen, Hassmails, Anfeindungen von Genossen. Eine Videobotschaft eines Mannes in russischer Soldatenuniform ist dabei, der Schwarz' Namen nennt und droht, Lenkwaffen könne man auch auf Deutschland richten.
Post von Andreas Schwarz
Auch eine Mail auf Kyrillisch bekam er, "Wir bringen Dich um, Du Schwein" stand da. Dazu Hassmails, die wohl aus der rechten Szene in Deutschland stammen. Der Verfasser einer Mail wünscht Schwarz gedanklich ins Konzentrationslager Buchenwald, die Mail war garniert mit einem Foto des erschossenen Nicolae Ceausescu.
Hass auf Politiker und was dagegen getan werden kann:

Nicole Diekmann analysiert Hass im Netz.

10.05.2021 | 09:08 min
Schwarz hat Strafanzeige gestellt, das Bundeskriminalamt ermittelt. Angst hat Schwarz sich diese Woche jedoch nicht erlaubt. Es sei schließlich ein Grund, warum er in die SPD eingetreten sei, dass "diese Partei immer Haltung gezeigt" habe, "vor allem Haltung gegen rechts".

Auch aus SPD hasserfüllte Reaktionen

Was ihn mindestens genauso bewegt, sind Reaktionen, die er von SPD-Mitgliedern und -Anhängern bekam. "Du verrätst die Werte unserer Partei", heißt es da. "Du hast bei uns nichts mehr verloren, schreibt ein Verfasser, der sich als Sozialdemokrat ausgibt, "Du solltest Dein Mandat niederlegen", ein anderer.
Wie kommt es zu solch einem Hass auf Politiker?
Schwarz ist bestürzt. Er spricht gegenüber dem ZDF von einer Verrohung der Gesellschaft. Wie, fragt er, wollen wir vorankommen, wenn wir nicht mehr ordentlich miteinander umgehen und kommunizieren? "So kommen wir nicht weiter."
Wie nur sollen wir einen gemeinsamen Weg finden, die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen?
Andreas Schwarz, SPD
Vernünftige Kommunikation sei der Schlüssel dazu. Es sei okay, unterschiedliche Sichtweisen auf die Dinge zu haben. Doch uns sei heute das Verständnis für die andere Seite abhandengekommen.

Schwarz: Hass nicht nur ein Problem im Netz

Schwarz liefert mögliche Ursachen für diese Entwicklung. Zum einen führt er die Sozialen Medien an, auf denen man sich hasserfüllt gegenübertreten kann, ohne sich zu erkennen zu geben. Doch auch von Angesicht zu Angesicht, am Infostand, so berichtet Schwarz aus dem bayerischen Wahlkampf, sei Pöbeln und Beschimpfen inzwischen an der Tagesordnung.
Immer häufiger werden auch Bürgermeister zur Zielscheibe:

Zerstochene Reifen, Hass-Nachrichten, Morddrohungen: Mehr als die Hälfte der Bürgermeister in Deutschland hat das bereits erlebt.

24.10.2022 | 28:44 min
Selbstkritisch schaut er auf den Umgang, der in der Politik um sich greife - die emotionale Ebene bestimme die politische Debatte von heute, nicht die sachliche Ebene. Einfacher sei das für die Politiker, und oftmals bringe das auch schnelleren Erfolg bei den Leuten. Viele Politiker - er nennt die Ampel-Parteien, aber auch die Opposition - arbeiteten mit Angst und Emotion und gegenseitigem Bashing statt ihre Energie für Lösungsansätze zu nutzen.

Auch Unterstützung aus eigenen Reihen

Unterstützung für seine Haltung, nach den Drohungen erst recht nicht zu schweigen, bekommt er auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) beispielsweise von Michael Roth oder Nils Schmid, beide Außenpolitiker der SPD.
Post von Nils Schmid
Beide Politiker, die seine Sicht auf die Taurus-Lieferungen teilen. Doch klar ist auch: Sein Post auf X, in dem er von den Hassmails berichtet, wurde von einem ihm nicht wohlgesonnenen User als "nicht den Richtlinien entsprechend" gemeldet - mit dem Ziel, den Post löschen zu lassen.
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