: Wüst bittet NSU-Opfer um Entschuldigung

08.06.2024 | 12:43 Uhr
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst hat Betroffene des NSU-Anschlags von 2004 in Köln um Entschuldigung gebeten. Der Staat sei an seinen Aufgaben gescheitert.
Keupstraße in Köln am 09. Juni 2004, nachdem der rechtsextreme NSU dort einen Terroranschlag mit einer Nagelbombe verübt hat. 22 Menschen wurden verletzt, einige lebensgefährlich.Quelle: Imago
Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Hendrik Wüst (CDU) hat die Betroffenen des NSU-Anschlags vor 20 Jahren in der Keupstraße in Köln um Entschuldigung gebeten. In einem Gastbeitrag für den "Kölner Stadtanzeiger" und die türkische Zeitung "Hürriyet" richtete er sich an alle, die 2004 den Anschlag erlebten und an die, die fälschlicherweise selbst verdächtigt wurden, obwohl sie zu den Opfern zählten.
Der Staat, dessen vorderste Aufgabe es ist, die Menschen zu schützen, muss eingestehen, dass er in der Keupstraße an diesem Anspruch gescheitert ist.
Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident Nordrhein-Westfalen
"Er hat die Menschen nicht geschützt. Er hat sie weder vor körperlichen und seelischen Schäden noch vor falschen Verdächtigungen bewahrt", schrieb Wüst.
Er bitte "alle, denen so lange nicht geglaubt wurde und die fälschlicherweise selbst ins Visier der Ermittlungen gerieten, obwohl sie Opfer waren, um Entschuldigung".

Am 9.6.2004 explodierte eine Nagelbombe in der Keupstraße in Köln. 17 Menschen wurden verletzt, einige davon schwer. Es war ein Anschlag auf Mitmenschen mit Migrationshintergrund.

03.06.2024 | 08:47 min

22 Verletzte durch Nagelbombenanschlag in der Keupstraße

Am 9. Juni 2004 hatten die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in der Keupstraße eine Nagelbombe gezündet. Von der Explosion wurden 22 Menschen verletzt, einige lebensgefährlich.

Der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU)

Der NSU war 2011 aufgeflogen: Zschäpe hatte fast 14 Jahre lang mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt. In dieser Zeit ermordeten die Männer acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. Am Ende nahmen sich die beiden selbst das Leben, um der drohenden Festnahme durch die Polizei zu entgehen. Zschäpe steckte die gemeinsame Wohnung in Brand, verschickte ein Bekennervideo - und stellte sich der Polizei.

Der Prozess gegen Beate Zschäpe

Zschäpe wurde nach mehr als fünf Jahren Prozessdauer wegen zehnfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest - damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber so gut wie ausgeschlossen.
Die Polizei vermutete die Täter lange Zeit im Umfeld der Opfer in der türkischen Community. In Richtung Rechtsextremismus oder Rassismus wurde nicht ermittelt. Erst nachdem Mundlos und Böhnhardt 2011 tot gefunden worden waren, wurde deutlich, dass die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) für diese Tat und weitere Morde verantwortlich war.

Opfer zeitweise Tatverdächtige bei Ermittlungen

Wüst schrieb, die Anwohner der Keupstraße hätten "nicht nur den Schock des Anschlags und die Angst um das eigene Leben erfahren müssen, sondern auch Vorverurteilung und Diffamierung". Im Laufe der Ermittlungen seien aus Opfern zeitweise Tatverdächtige gemacht worden.

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07.04.2024 | 45:02 min
Auch die Gesellschaft und die Medien hätten Fehler gemacht, was die Einführung des "unsäglichen Begriffs der 'Dönermorde'" zeige. Das "engstirnige Denken in geistigen Schubladen" sei die Quelle der Fehler gewesen, schrieb Wüst.

Wüst: "Einstehen" gegen Vorurteile und Ausgrenzung

"Gerade jetzt, wo rechtsradikale Parteien mit Vorurteilen und Ausgrenzung wieder erfolgreich Politik machen, muss die demokratische Mitte gemeinsam gegen ein solches Denken einstehen", fordert der CDU-Politiker. Nordrhein-Westfalen habe aus Fehlern gelernt. Polizei und Justiz spiegelten "heute selbst die gesellschaftliche Vielfalt unseres Landes stärker wider".
An diesem Sonntag wird im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an das Attentat vor 20 Jahren erinnert.
Quelle: dpa, AFP

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